Es fühlt sich wie ein Pausentag an. Nach unserem Sonnenaufgangs-Baden und nachdem wir uns verabschiedet haben, bleibe ich auf den Felsen am Wasser sitzen und schreibe.

Es gibt hier zig Bars und Cafés, aber ich habe gar keine Lust darauf, mich irgendwo ordentlich hinzusetzen. Ich gehe lieber einkaufen und mache mittags am Strand ein Picknick.
Jetzt brauche ich einen Plan. Ich möchte noch ein bisschen weitergehen. Ich arbeite erst am 28. Oktober wieder, also kann ich die Zeit bis dahin weiter zum Wandern nutzen. Nur meine Eltern möchte ich auf dem Rückweg noch besuchen und eine Saison-Abschluss-Wanderung mit ihnen zusammen machen. Ich schaue bei Waymarked Trails, was für längere Wanderwege es hier in der Nähe gibt. Eigentlich war meine Idee, dem Küstenwanderweg „Sentier Littoral“ nach Norden zu folgen. Das sind aber nur 2 Tage bis nach Perpignan und dahinter sieht es erstmal mau aus mit Wanderwegen. Also vielleicht doch Richtung Süden.
Ich könnte dem Sentier Littoral bis zur spanischen Grenze folgen. Und dann dem E12 bzw. dem GR92. So weit, wie ich möchte. Theoretisch kann ich bis Tarifa an der Mittelmeerküste entlang wandern. Realistisch ist vielleicht Girona, von dort gibt es auch Direktzüge nach Paris. Oder Barcelona. Aber das könnte knapp werden von der Zeit. Okay, ich beschließe jetzt einfach, dass ich das mache. Morgen geht es weiter. Ohne festen Plan oder ein bestimmtes Ziel. Einfach nach Lust und Laune. Noch ein bisschen Auslaufen quasi.
Ich habe noch keine Lust, wieder auf die Pause-Taste zu drücken für das Wander-Leben draußen. Ich möchte nicht drinnen schlafen, lieber an der frischen Luft und in meinem Zelt. Es fühlt sich so gut an, sich jeden Tag so viel zu bewegen. Sich auszupowern und dann abends richtig müde und kaputt zu sein. Ich habe noch keine Lust, mich wieder mit Alltags-Themen zu befassen. Hier reicht Laufen, Essen und Schlafen.
Die Sentiers Littoral, die französischen Küstenwege, haben insgesamt eine Länge von über 7.000 Kilometern. Aber in verschiedenen Teilstücken. Sie wurden früher von Zöllnern genutzt, um nach Schmugglern zu suchen. Seit 1976 sind 3 Meter entlang der Küstenlinie in Frankreich per Gesetz öffentliches Gebiet. Der Bereich darf nicht verbaut werden für Fußgänger. Das Wasser muss für jeden zugänglich sein. Hotels und private Anlegestelle zum Beispiel dürfen den Weg also nicht versperren. Daher führt der Wanderweg direkt an der Küste entlang.
Der E12 ist der jüngste der Europäischen Fernwanderwege. Seit 2009 kann man auf dem Mittelmeerweg von Tarifa über Spanien, Frankreich, Italien und Slowenien nach Kroatien entlang der Küste wandern. In Spanien, von Tarifa bis Portbou, folgt der E12 der Wegführung des GR92. In Katalonien ist der Weg auch schon vollständig und markiert.
Ich mache also einfach weiter wie bisher, gehe Proviant einkaufen, packe meinen Rucksack und gehe früh schlafen. Am nächsten Morgen sitze ich noch ein bisschen mit Ivo und seiner Frau zusammen. Die beiden machen zusammen noch ein paar Tage hier Urlaub und feiern seine erfolgreiche Wanderung auf dem Wein-Fest. Dann geht es weiter. Ganz entspannt. Mal sehen, wie der Weg so ist.
Schnell merke ich, dass meine Sonnenbrille und Kappe wohl jetzt meine besten Freunde werden. Da ich Richtung Süden laufe, kommt die Sonne fast den ganzen Tag direkt von vorne.
Und ich hätte nicht gedacht, dass hier so viele Höhenmeter zusammen kommen. Der Weg führt ständig hoch und wieder runter und wieder hoch und wieder runter. Über viele hohe Stufen. Das ist gutes Oberschenkel-Training. Es sind so um die 25 Grad. Gefühlt wird es immer wärmer den Tag über und ich bin nass geschwitzt. Es ist schon anstrengend bei der prallen Sonne das ganze Hoch und Runter.
Links von mir liegt die ganze Zeit das dunkelblaue Meer. Mit vielen Buchten, wo das Wasser türkis leuchtet. Ich laufe an Pinien und Kakteen vorbei. An ganz vielen Olivenbäumen. Es sind nicht viele Leute unterwegs, ein paar Spaziergänger. Aber keine anderen Wanderer mit großem Rucksack. Zwischendurch komme ich durch kleine Orte, wo ich mein Wasser auffülle. Da die meisten Zapfstellen trocken sind und das Leitungswasser nach Chlor schmeckt, kaufe ich nun im Supermarkt große Wasserflaschen und fülle sie in meine Behälter um.
Es geht von Banyuls nach Cerbère, über die Grenze und in Spanien weiter nach Portbou und Colera. Hier ein paar Eindrücke vom Weg.






Auf der Halbinsel am Cap Ras finde ich hoffentlich einen Schlafplatz. Sonst muss ich noch weitergehen zum nächsten Campingplatz. An den kleinen Stränden sind noch zu viele Leute. Erst als ich fast rum bin, finde ich eine verlassene kleine Bucht. Hier ist auch schon keine Sonne mehr, vielleicht liegt es daran. Ich klettere über die Felsen über dem Wasser und finde ein kleines, blickgeschütztes Plateau. Wirklich klein. Und uneben, raue Felsen halt. Aber es könnte so gerade passen. Da die Felsen so rau sind, bleiben meine Klamotten auch ohne besondere Aufhängung hängen zum Trocknen. Es ist schon ein schöner Fleck.



Ich werde wahrscheinlich nicht so viel Schlaf bekommen, aber ich bleibe trotzdem. Für das Abenteuer. Die Wellen rauschen direkt neben mir, über mir leuchten die Sterne und morgen früh habe ich einen direkten Blick auf den Sonnenaufgang. Nur die Mücken machen mich verrückt. Es ist total windstill und sie kommen alle aus ihren Verstecken um mich zu ärgern. Ich verkrieche mich in meinen Schlafsack, aber das ist viel zu warm. Es sollen die ganze Nacht 18 Grad bleiben. Irgendwann, als es längst dunkel ist, habe ich eine Idee. Ich hänge mein Innenzelt aus, mache 2 Abspannleinen vom Außenzelt ab und knote sie oben ans Innenzelt. Dann hänge ich es an den Felsen auf, nutze die Trekkingstöcke als Abstandshalter und lege mich hinein. So hängt es mir nicht ins Gesicht und ich kann ohne Schlafsack und ohne Mücken ruhiger schlafen. Oder einfach nur da liegen. Ich habe die Felsen mit meinen Klamotten gepolstert und liege auf der dünnen Schaumstoffmatte. Es ist trotzdem uneben und hart. Aber hey – ich habe schon drei Sternschnuppen gesehen. Man kann nicht alles haben.
Am nächsten Morgen ist es sehr bewölkt. Vom Sonnenaufgang sehe ich leider nicht so viel hier auf meinem Premium-Aussichts-Platz. Aber ich freue mich über die Wolken, dann ist es vielleicht etwas kühler heute. Während ich mich anziehe und zusammenpacke, haue ich zig tausend Mücken platt. Es sind noch viel mehr als gestern Abend. Schnell weg hier. Sobald ich mich bewege, habe ich meine Ruhe. Und auch so sind tagsüber zum Glück keine Mücken unterwegs.

Der Weg ist heute ganz anders als gestern. Gestern hat es mir besser gefallen mit den Pfaden durch das trockene Grün. Heute geht es bis nach el Port de la Selva über größtenteils gepflasterte Spazierwege. Trotzdem schön direkt am Wasser entlang. An vielen Häusern vorbei und ein paar Mal direkt am Strand durch den Sand. Die Gamaschen sind da Gold wert. Ich bekomme keinen Sand in die Schuhe. Es sind einige Sonntags-Spaziergänger unterwegs.
In einer langen Pause am Strand beschließe ich das Cap de Creus auszulassen und einen direkteren Weg nach Roses zu nehmen. Auf dem Campingplatz in Cadaqués darf man nämlich nicht mit seinem eigenen Zelt schlafen und die Preise für die Luxus-Zelte sind so hoch wie für ein Hotelzimmer. Der nächste Campingplatz hat schon geschlossen für den Winter. Und auf ein Zimmer habe ich keine Lust. Damit ich keine 40 Kilometer mit 2.000 Höhenmetern gehen muss, wird also abgekürzt. Es ist nämlich trotz Wolken echt warm und ich hätte nichts gegen früh ankommen und ein erfrischendes Bad im Meer heute Nachmittag.
Also gehe ich über la Selva de Mar und folge den Wegweisern nach Roses. Der Weg ist auch als Wanderweg markiert. Und es geht sogar hoch auf 358 Meter Höhe. Wahnsinn. Oben am Pass habe ich eine gute Aussicht. Hinter mir auf die Berge und das Meer und vor mir nun auf die Costa Brava.


Das fühlt sich schon ein bisschen komisch an, hier zu wandern. An der Promenade in Roses ist richtig Sommer-Urlaubs-Stimmung. Hier gibt es nun Palmen und feinen Sandstrand. Bisher waren die Strände sehr steinig und weniger sandig. Auf dem Campingplatz darf ich zwischen den Urlaubern auch für nur eine Nacht bleiben. Es ist der teuerste Campingplatz bisher mit 17 €. Dafür gibt es auch einen Pool und ein Dampfbad.

Ich versuche die Route in Etappen für die nächsten Tage einzuteilen. Es wird nun immer schwieriger Campingplätze zu finden, die noch geöffnet haben so spät im Jahr. Wildcampen möchte ich hier zwischen den ganzen Hotels und direkt am langen Strand nicht. Mal sehen, wie weit ich noch komme mit meinem Zelt. Sonst habe ich dann auch keine Lust mehr, wenn es so kompliziert wird mit den Übernachtungen. Aber ich kann ja jederzeit den nächsten Bahnhof ansteuern. Für morgen habe ich erstmal einen Platz gefunden.
Volkmar Vetter
hi, dort war ich vor 60 Jahren auf Camping – „fand ich damals ganz irre“ das Auto alter 180 D über die Grenze geschoben ….
liebe Grüße Volkmar
Lisi
Juhuuu es geht weiter! Und mit ganz viel Meer ❤️