Mein Tag fängt super gut an. Und zwar damit, in meine Wanderklamotten zu schlüpfen. Mit dem Gedanken, dass ich diese nun 3 Wochen lang jeden Tag tragen kann. Mir keine Gedanken darüber machen muss, was ich anziehe. Das ist so entspannt und eine der Sachen, die ich am Weitwandern so liebe. Ich fühle mich einfach wohl in den Klamotten. Außerdem freue ich mich darauf, alle möglichen Sachen für eine Weile hinter mir zu lassen. Quasi auszusteigen aus dem alltäglichen Leben und es zu pausieren bzw. vorbeiziehen zu lassen. Für mich sind nun andere Sachen wichtig. Laufen, Essen und Schlafen. Alles andere kann warten bis ich wieder da bin.

Ich bin so bereit für die nächste Tour. Ich habe es schon vermisst, hatte immer wieder „Bergweh“ und „Wanderweh“. Die letzte Wanderung ist ja auch schon 430 Tage her. Viel zu lange.

Eigentlich hatte ich ganz andere Pläne für dieses Jahr. Sehr viel größere Pläne. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal. Das Vorhaben ist erstmal verschoben. Trotzdem wollte ich dieses Jahr noch wandern gehen. Nun ist es schon so spät im Jahr und zwischen vielen privaten und beruflichen Terminen konnte ich nur im Oktober noch 3 Wochen Urlaub dazwischen quetschen. Dann leider keine hohen Berge mehr und auch kein Ausflug nach Norwegen. Das waren Ideen, wo ich Lust drauf gehabt hätte. Die Schneewahrscheinlichkeit bzw. Länge der Reise für die kurze Zeit haben mich davon abgehalten.

Ich suche lange nach möglichen Routen. Eine Zeit lang habe ich eine Alpenüberquerung von Nord nach Süd, vom Bodensee zum Gardasee oder von Salzburg nach Triest im Kopf. Aber dafür wären ein paar Tage mehr Zeit gut. Halbe Touren passen mir gar nicht in den Kram. Ihr wisst ja – ich und meine Weitwander-Regeln. Letztendlich lande ich beim Maximiliansweg. Dieser führt vom Bodensee zum Königssee, einmal quer durch die bayerischen Berge. Es geht einmal auf über 2.000 Meter hoch und auch sonst liegen einige Gipfel auf dem Weg. Zwar keine sehr hohen und nicht über der Baumgrenze, aber immerhin. Für Oktober vielleicht dann ganz gut. Es sind zwar keine einsamen Wege und es geht immer wieder durch Täler und viel Zivilisation. Nicht so das, wo ich mich wohl fühle beim Wandern. Aber ich werde es ausprobieren. Und zwar mit einer Mischung aus Hüttenübernachtungen, Campingplätzen und wild campen.

Offiziell sind es 21 Etappen. Dazu habe ich 2 Tage Puffer, die ich als Pausen- oder Wetter-Warte-Tage nutzen kann. Ich habe mir mögliche Übernachtungsmöglichkeiten herausgesucht, aber nur die ersten 4 Nächte reserviert. Das ist mir ansonsten zu viel Aufwand, alles wieder zu verschieben, sobald irgendetwas anders läuft als geplant. Das kenne ich schon von bisherigen Touren. Ich habe ja ein Zelt dabei und kann zur Not auch draußen schlafen, wenn ich dann spontan kein Bett mehr bekommen sollte.

Los geht es heute in Lindau. Der Tag war ursprünglich nur zur Anreise gedacht. Da das Hostel und alle anderen Unterkünfte unter 200 € pro Nacht aber ausgebucht sind dieses Wochenende, starte ich direkt nach meiner Ankunft am Bahnhof. Ich habe noch genug Zeit bevor es dunkel wird und der nächste Campingplatz ist nur etwa 5 Kilometer entfernt.

Auf geht es also. Ich komme gegen 15 Uhr mit dem Zug in Lindau an. Wenn man aus dem Bahnhof kommt, sind es nur ein paar Schritte bis zum Wasser.

Es ist sehr voll und ich ziehe einige Blicke auf mich in meinem Wander-Outfit und mit dem großen Rucksack. Ich gehe auf die Suche nach Wegweisern oder Markierungen. Vom Maximiliansweg steht hier nirgendwo etwas. Nur der Bodensee-Königssee-Radweg wird auf einer Tafel erwähnt. Für die Orientierung braucht es auch keine Beschilderung. Bis Bregenz geht es erstmal nur am See entlang. Ich bin aber trotzdem gespannt, wann und ob irgendwo auf meinen Wanderweg hingewiesen wird.

Ich gehe am Hafen vorbei und finde eine kleine Bucht, wo niemand ist. Es muss ja schließlich noch ein Startfoto her. Ich mag den Gedanken, meine Wanderung hier am Bodensee zu beginnen und in 3 Wochen wieder an einem See zu beenden.

Der Start ist heute nichts besonderes irgendwie. Jedenfalls nicht im Vergleich zu meinen größeren Touren. Da war ich schon immer aufgeregt vorher. Jetzt bin ich, glaube ich, noch gar nicht richtig angekommen. Die Woche war noch sehr stressig mit vielen Terminen und dazwischen alles fertigzubekommen. Ich freue mich tatsächlich am meisten, gleich mein Zelt aufzustellen, die Füße auszustrecken und ein bisschen Schlaf nachzuholen.

Ich verlasse Lindau Insel über eine Brücke und folge der Markierung des Bodensee-Rundwegs und den Wegweisern nach Bregenz. Der Weg ist wenig spektakulär. Es geht durch kleine Wälder direkt am Ufer. Die meiste Zeit folge ich einem Fußweg zwischen einer kleinen Straße und dichtem Grün. Den See kann ich nur zwischendurch mal sehen. Es nieselt immer wieder und ist ziemlich frisch. Nach einer halben Stunde habe ich mich aber einigermaßen warm gelaufen und friere nur noch an den Händen.

Ich komme an einer großen Therme vorbei. Die sieht ziemlich neu und modern aus. Das hätte jetzt was. Einfach in die warme Sauna legen. Ich bin gestern in Dortmund noch beim Phoenix-Halbmarathon gestartet. Ich bin super glücklich mit meiner Zeit von 2:14 Stunden für die hügelige Strecke. Ich bin aber auch noch ziemlich platt. Ich merke meine Füße und meine Beine sind schwer. Deswegen bin ich froh, dass es heute keine weite Strecke ist und ich mich gleich ausruhen kann. Dazu hatte ich nämlich gestern nach dem Lauf keine Zeit.

Kurz vor dem Ziel kann ich noch ein Stück direkt am See entlang gehen. Das ist schön. Auch wenn es inzwischen regnet.

Lindau Insel ist da hinten nur noch ganz klein zu sehen.

Die PeakFinder App hilft mir mit den Gipfeln. Die Spitze, die man dort sieht, ist der Staufen. Direkt rechts daneben, halb in den Wolken, liegt der Schöne Mann mit 1.532 Metern Höhe. Es gibt schon lustige Bergnamen.

Dann komme ich am Campingplatz „Park-Camping Lindau“ an. Für eine Nacht braucht man vorher nicht reservieren. Und die 20 € für die Übernachtung mit kleinem Zelt sind völlig in Ordnung. Mal schauen, ob die Routine, mein Zelt aufzubauen nach 6 Monaten in Norwegen immer noch drin ist. Auch wenn es inzwischen 2 Jahre her ist.

Das ist gar kein Problem. Ich habe zwar vorher schon überlegt, wie die Knoten nochmal gingen, mit denen ich mein Zelt abspanne. Aber sobald ich die Leinen in der Hand halte, sind die Handgriffe alle wie selbstverständlich wieder da.

Es gibt ein Restaurant direkt nebenan, aber ich habe keine Lust auf so viele Menschen. Ich gehe zum Supermarkt, schmeiße meinen Gaskocher an und esse Suppe mit Mie-Nudeln und weiße Bohnen in Tomatensauce. Dazu ein Brötchen und hinterher ein Stück dunkle Schokolade. Dann kuschele ich mich in meinen Schlafsack und mache früh die Augen zu. Hoffentlich kann ich bei dem lauten Wummern der Musik von irgendeiner Party in der Nähe und dem Tumult meiner Zeltnachbarn gut schlafen. Ich freue mich auf die ersten Höhenmeter, aus der Stadt wegzukommen und darauf weniger Leute um mich zu haben.

Jetzt in meinem Zelt zu liegen und einfach draußen zu sein, ist aber auch schon gut. Es ist ja erst der Anfang.


5,7 km
1:10 h
52 hm
11 hm
405 m