Ich schrecke auf. Da steht doch jemand und leuchtet mit seiner Taschenlampe genau auf mein Zelt. So hell kommt es mir vor. Ich setze mich auf und schaue mich um. Oh Mann, das ist nur der Vollmond. Dann kann ich ja weiter schlafen.

Ich habe mir allerdings meinen Wecker gestellt, um früh abzuhauen. Ich habe keinen Empfang und keine Ahnung, wann Jagdsaison ist oder ob so ein Förster oder Jäger gerne in der Dämmerung schon durch den Wald streift. Und vom Hochsitz weiter oben am Hang würde man mein Zelt wohl sehen. Zusammenpacken kann ich fast komplett im Licht des Mondes. Um kurz vor 7 Uhr gehe ich los. Jetzt schalte ich doch meine Stirnlampe ein, um nicht über eine Wurzel zu fallen. Lange brauche ich das zusätzliche Licht aber nicht mehr.

Nach den ersten Kehren lichtet sich der Wald für einen Moment und ich habe einen Blick auf den Sonnenaufgangs-Himmel.

Der Pfad durch den Wald ist ganz schön nass und matschig. Mein Fuß rutscht auf einer nassen Wurzel nach vorne weg und platscht in eine Pfütze. Ich spritze mich selber voll mit dem stinkenden Matsch-Wasser. Na lecker.

Nach den ersten 300 Höhenmetern Abstieg komme ich auf eine Schotterstraße. An der nächsten Kreuzung drehe ich mich um, um die Wegweiser zu lesen. Und rechne überhaupt nicht damit, einen so leuchtenden Regenbogen am Himmel zu sehen. Dahinten regnet es wohl und irgendwo scheint auch die Sonne. Über mir sind nur graue Wolken.

Ich folge der langweiligen Schotterstraße. Komme an einer Baustelle vorbei und winke dem Baggerfahrer zu. Mir kommt eine Joggerin entgegen und ich grüße sie mit einem Lächeln. Mehr spannendes passiert nicht.

Neben mir fließt der Söllbach mit super klarem Wasser. Das sieht gut aus.

Nach einem kurzen und steilen Anstieg nach Buch, geht es jetzt die Asphaltstraße hinab. An Höfen vorbei und nach Bad Wiessee. Laut Wanderführer sollte man hier mit der Fähre nach Tegernsee Ort übersetzen. Aber das passt nicht zu meinen Wander-Regeln. Die gelten auch für den Maximiliansweg. Ich mache halt meine eigene Wanderung daraus. Also umlaufe ich den Tegernsee am Südufer. So lange dauert das jetzt auch nicht.

Super schön ist es allerdings nicht. Ich gehe ein ganzes Stück auf dem Bürgersteig an einer Hauptstraße entlang. Es ist viel Verkehr und mir kommt es sehr laut vor. In Weißach kann ich dann einem Spazierweg direkt am Ufer folgen. Es fängt an zu regnen. Erst tröpfelt es nur, aber dann ziehe ich doch meine Regenjacke über.

Es ist alles grau und trüb heute. Bei Sonnenschein sähe bestimmt auch der See viel schöner aus.

Ich gehe an Hotels und Wohnhäusern vorbei bis nach Rottach-Egern. Eine Weile duftet es nach Pfannkuchen. Das ist gemein. Ich habe echt Hunger.

Jetzt nochmal an der Straße entlang, durch Leeberg und dann komme ich im Ort Tegernsee an. Hier müsste ich dann ja auch wieder Wegweiser für den Maximiliansweg finden.

Ich hole mir eine kleine Stärkung beim Bäcker. Die Toilette darf ich nicht benutzen, aber eine ältere Dame meint, dass direkt gegenüber auf dem Friedhof eine Toilette wäre. Also gehe ich da noch vorbei. Die Tür ist nicht beschriftet und nachdem ich eine Weile herumgeirrt bin, probiere ich sie einfach und habe Glück. Es hätte noch mehr Türen gegeben.

Kurz vor dem Bahnhof biege ich rechts ab. Auf einen richtig steilen Fußweg mit unzähligen Treppenstufen. Langsam steige ich hinauf. Zumindest fühle ich mich nicht mehr ganz so schlapp wie gestern. Zwischendurch quere ich die Straße. Passenderweise heißt dieser Weg Unterer Treppenweg, Mittlerer Treppenweg und Oberer Treppenweg. So steht es auf den Straßenschildern. Hier der Blick zurück als ich ungefähr auf der Hälfte bin.

Am Ende geht es dann in den Wald. 3 der Wanderwege sind gesperrt wegen Baumfällarbeiten. Na gut, dann halte ich mich heute mal daran. Bleibt nur der Winterweg. Der führt wahrscheinlich auch wieder über eine Schotterstraße. Zumindest muss ich aber nicht umdrehen, sondern kann weitergehen und dann nach rechts abbiegen und auf den Winterweg wechseln.

Hier sind nun auch einige Leute unterwegs. Den Fahrweg geht es nach oben. Und zwar ziemlich steil. Da fangen die Waden ordentlich an zu brennen. Auf dem Schild unten stand 1 Stunde angegeben bis Neureuth. Ich schaffe es in 35 Minuten. Ich lege es aber auch darauf an, möglichst schnell zu sein. Ich wollte mal schauen, wie gut meine Bergauf-Kondition inzwischen ist. Normalerweise bin ich bei Anstiegen nicht die schnellste. Jetzt überhole ich alle anderen Leute.

Oben angekommen, lasse ich den Gasthof links liegen und folge dem Weg weiter nach rechts. Das ist auch wieder so ein Berg-Spazierweg. Ganz entspannt geht es ohne viel Höhenunterschied und auf einem bequem zu gehenden Schotter- und Waldweg weiter. Ich ziehe mein Langarmshirt wieder an. Jetzt wird mir trotz Regenjacke schnell kalt. Vom schnellen Aufstieg bin ich ziemlich geschwitzt in der Jacke. Es regnet mal mehr, mal weniger. Oder die Bäume stehen zwischendurch dichter, dass ich nicht so viel Regen abbekomme. Wie auch immer, es ist den ganzen Tag nass. Aber das stört mich nicht so sehr.

Da vorne kommt die Gindelalm in Sicht. Auch eine Übernachtungsmöglichkeit. Ich wollte heute aber lieber zum Campingplatz am Schliersee. Und zwar, weil auf deren Webseite groß „Kia Ora“ steht. Das ist Maori für „Hallo“ oder „Danke“. Der Inhaber ist halb Neuseeländer. Und da das mein absolutes Lieblingsland ist, seitdem ich mit 16 ein Jahr dort in einer Gastfamilie gelebt habe und zur Schule gegangen bin, reicht das, um mich anzulocken.

Hinter der Alm geht es abwärts. Zum nächsten See. Einen steilen Schotterweg bergab und später dann an der Straße entlang und an den ersten Wohnhäusern vorbei.

Als ich nach rechts abbiege zum Campingplatz, fällt mir dieses Schild auf. Seit Lenggries habe ich keine Beschilderung für den Maximiliansweg mehr gesehen. Jetzt hängt hier plötzlich dieses Schild. In etwa 3 Meter Höhe, über Müll-Containern, ohne Richtungsangabe. Es wirkt etwas wahllos.

Dann habe ich es geschafft. Mein Plan ist aufgegangen und ich bin vor 14 Uhr schon am Campingplatz. Perfekt. Ich freue mich sehr auf den freien Nachmittag. Und auf eine Dusche. Und auf frische Klamotten.

Ich melde mich an und bezahle auch gleich die Waschmaschine. Das Trocknen bekomme ich geschenkt. Ich baue mein Zelt auf und schmeiße alles in die Waschmaschine. Zwar ohne Waschpulver, aber das geht auch so. Solange laufe ich in meiner Regenhose und -jacke rum.

Und genieße eine lange Dusche. Herrlich. Die letzte Dusche gab es vor 9 Tagen.

Ich warte im Waschraum bis mein Handy geladen ist und mache einen kleinen Rundgang. Der Campingplatz liegt direkt am Schliersee.

Ich setze mich vor den kleinen Kiosk und lasse mir Bohnen-Tomaten-Eintopf und eine große Johannisbeerschorle schmecken. Dank eurer zahlreichen und großzügigen Einladungen zum Tee, kann ich es mir immer wieder gut gehen lassen. Dabei schreibe ich und plane die nächsten Tage.

Ich hatte ein bisschen Bammel meine Merinosachen in den Trockner zu packen. Das habe ich noch nie gemacht und wird auch nicht empfohlen. Ich habe extra das Schonprogramm gewählt und es ist auch alles gut gegangen. Bei dem nassen Wetter wären meine Klamotten sonst nicht getrocknet bis morgen. Jetzt habe ich einen Haufen sauberer Sachen. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr man sich über solche einfachen Sachen freuen kann beim Wandern.

Abends gibt es venezuelanisches Essen, was mich an mexikanisches Essen erinnert. Quesadillas mit Nachos. Auf dem Campingplatz steht ein Food Truck. Das ist mal was anderes als ich auf den Hütten bekomme und schmeckt.

Die Planung für die nächsten Tage kommt mir sehr kompliziert vor. Die Hochrieshütte habe ich schon reserviert für Montag. Die Strecke könnte ich von hier auch mit 2 langen Tagen schaffen. Aber da ich schon gebucht habe, lasse ich mir jetzt auch die Zeit. Dann kann ich morgen mal entspannt ausschlafen und erst später losgehen. Morgen früh versuche ich dann nochmal bei der Kesselalm anzurufen. Da erreiche ich jetzt niemanden. Für Sonntag würde sich das Breitenberghaus anbieten, ein Naturfreundehaus. Ich rufe an, kann aber nicht übernachten, da Montag Ruhetag ist. Und mein Zelt darf ich auch nicht aufstellen neben der Hütte, da sie dann dafür haften würden, falls etwas passiert. Na toll. Also bleibt mir nur der Wald.

Für Mittwoch frage ich beim Hochgernhaus an. Davor und danach wird es wohl eine Mischung aus entweder teuren Unterkünften im Tal oder Wildcampen und Campingplätzen. Das nervt mich gerade ein bisschen mit den mangelnden Unterkünften. Ich habe gar keine Lust hier stundenlang zu suchen, wo ich denn schlafen kann. Morgen geht’s hoffentlich erstmal zur Kesselalm und dann schauen wir weiter.

Ich höre es rascheln und leuchte vor mein Zelt. Warte ein bisschen. Da stibitzt sich eine Maus oder Ratte (weiß ich nicht) doch das Papier, wo mein Essen drauf war. Dann bringe ich das gleich mal lieber noch in den Müll. Sonst werde ich nicht ruhig schlafen können mit so nächtlichen Besuchern. Das Tier kommt danach zum Glück nicht wieder.


26,8 km
5:55 h
680 hm
1.150 hm
1.268 m