Ich wache erst um kurz vor 8 Uhr auf. Da brauchte ich wohl den Schlaf. Es ist schön, heute Morgen mal Zeit zu haben. Ich bleibe noch ein bisschen liegen und schreibe. Versuche es nochmal bei der Kesselalm, aber erreiche wieder niemanden. Also schicke ich eine Mail.

Ich ziehe mich an, schließe meine Powerbanks im Waschraum zum Laden an, packe schon zusammen und setze mich noch ein bisschen auf die Terrasse. Ich trinke was und frühstücke eine Brezel und ein Stück Kuchen. Die Zeit verfliegt und aus spätestens 11 Uhr losgehen, was ich mir vorgenommen hatte, wird schnell halb 12. Der Kerl von der Kesselalm ruft mich zurück, aber der Empfang ist so schlecht, dass wir uns kaum verstehen können. Er hätte aber auf meine Mail geantwortet. Mein Schlafplatz ist sicher und ich soll bis 16 Uhr da sein. Das schaffe ich wohl.

Ich will meine Powerbanks aus dem Waschraum holen. Komme um die Ecke. Und sehe – nichts. Sie sind weg. Das kann doch jetzt nicht sein. Nein. Mein Ladestecker, beide Kabel und die beiden Powerbanks. Ich schaue mich um. Weshalb auch immer sie woanders liegen sollten. Gehe ich jetzt über den Platz und frage die Leute, ob jemand was gesehen hat? Es ist ein kleiner Campingplatz und es sind nicht so viele Leute da. Ich gehe zur Rezeption. Und frage nach, ob jemand zufällig Powerbanks abgegeben hat. Rechne aber nicht damit. Und da sind sie. Tatsächlich. Ich atme erleichtert auf. Das war mal ein Schreck. Der Typ fragt ganz entspannt, ob er sie noch weiter laden soll für mich. Gerade hätte sie jemand hier abgegeben, damit sie nicht wegkommen im Waschraum. Puh, Glück gehabt. Mit 60 % Akku hätte mein Handy nicht den Rest der Wanderung durchgehalten und meine Uhr auch nicht. Sonst habe ich noch Kamera und Stirnlampe, die geladen werden müssen. Das ist ja nochmal gut gegangen. Merke, nächstes Mal dabei bleiben oder direkt an der Rezeption fragen, ob sie für mich laden können.

Dann mache ich mich jetzt besser mal auf den Weg. Es ist wieder eine kurze Etappe heute. Ich folge dem Spazierweg hinter dem Campingplatz und gehe nach Schliersee rein. Mir kommen ganze Menschenmassen entgegen. Hier ist ja was los. Es geht durch den Kurpark und am See entlang. Heute sieht er etwas freundlicher aus mit der Sonne.

Am Abzweig aus dem Ort raus ist auch wieder der Maximiliansweg ausgeschildert. Hier in der Region nicht mehr mit auf den gelben Wegweisern, sondern zwischendurch mit einem zusätzlichen Schild. Aber auch wenn es keine Markierung gibt, kann man einfach immer dem E4 folgen. Der ist ganz gut beschildert. Der E4 ist einer der großen europäischen Fernwanderwege und führt von Portugal nach Zypern. In einem großen Bogen durch Südeuropa. In Deutschland verläuft er weitestgehend gleich mit dem Maximiliansweg.

Es geht sanft bergauf. Mir wird schnell zu warm in der Sonne und ich ziehe mein Langarmshirt aus. Ich folge einem herbstlichen Spazierweg am Bach entlang.

Es geht weiter bergauf, am Auracher Köpferl vorbei und wieder runter. Den Abstecher zum Gipfel lasse ich sein, damit ich pünktlich ankomme.

Diese schmalen Durchgänge in Weidezäunen sind manchmal echt blöd mit so einem dicken Rucksack. Da muss man sich irgendwie dünner machen. Und besonders blöd ist dann der Stacheldraht. Da muss man aufpassen. Die lange Narbe auf meinem linken Knie kommt vom Stacheldraht. Von einer Wanderung am Achensee, wo ich über eine Stufe über so einen Weidezaun gestiegen bin. Der Holzpflock war mit verrostetem Stacheldraht umwickelt, den ich übersehen habe. Seitdem bin ich da sehr vorsichtig.

Der Waldweg ist schön, die Sonne scheint durch die Bäume und es ist weit und breit niemand anders zu sehen. Es ist total still. Nur das Wasser plätschert und die Vögel singen. Ich breite die Arme aus und laufe den Weg hinab. Spiele Flugzeug, laufe Schlangenlinien und muss über mich selber lachen.

Durch Fischbachau geht es an der Straße entlang. Ein kleines, idyllisches Örtchen. An Häusern vorbei bis nach Birkenstein und dann wieder in den Wald. Noch so ein Berg-Spazierweg. Es geht die bequem zu gehende, aber steile Schotterstraße hinauf.

An einem Wegweiser „Zum Wasserfall“ schaue ich auf die Karte. Da kann ich doch ein kleines Stück über einen Pfad abkürzen und spare mir 2 Serpentinen.

Der Wasserfall ist nicht so besonders. Aber der Trampelpfad ist eine willkommene Abwechslung. Und weiter oben kommen noch mehr kleine Wasserfälle. Oder besser eine lange Wasserrutsche.

Dann geht es über den Fahrweg weiter. Und hinein in die Wolke. Mal gucken, wie viel ich gleich noch sehen kann.

Mir kommen viele Leute entgegen. Und bald taucht die Alm im Nebel auf. Ich gehe direkt noch ein Stück weiter zur kleinen Kapelle, von wo man eine tolle Aussicht haben soll. Und präsentiere euch diese Wahnsinns-Aussicht ins Tal.

Es ist halb 4. In der Stube melde ich mich an. Ich bin der einzige Übernachtungsgast heute. Der Wirt zeigt mir das Lager. Ich kann mir einen der 20 Schlafplätze aussuchen. Dann kann ich mich ja auch ausbreiten, hänge mein Zelt zum Trocknen auf und verteile meine Klamotten auf der Leine.

Ich ziehe mein Hütten- und Schlaf-Outfit an, einen Pulli drüber und gehe wieder nach unten in die Stube. Die Übernachtung ist mit Halbpension, also Abendessen und Frühstück. Das gibt es inzwischen auf vielen Hütten so. Hier zahle ich dafür 78 €, das ist für einen Schlafplatz im Lager ganz schön teuer. Selbst wenn man das Essen abzieht. Da sind Alpenvereins-Hütten sehr viel günstiger als die privaten Hütten.

Ich darf mir zum Abendessen aus der Karte eine Suppe und ein Hauptgericht aussuchen. Die Suppe esse ich noch draußen auf der Terrasse, dann wird es mir zu kalt in der Wolke.

Der Wirt und sein Team schlafen nicht auf der Alm, sondern fahren jeden Abend nach Hause. Gegen halb 6 bin ich dann alleine hier. Sie geben mir vorher noch ein Eis aus, schenken mir eine Brezel und fragen, ob ich eine Taschenlampe oder irgendwas bräuchte. Aber ich bin ja gut ausgerüstet. Ich nehme mir eine Zeitschrift zum Lesen mit nach oben. Aber dazu komme ich gar nicht. Die Zeit vergeht wie im Flug mit schreiben und Rucksack sortieren und neu packen. Ich muss den Bericht von gestern nachholen und zähle, wie viel Essen und Riegel ich noch habe.


17,1 km
3:50 h
918 hm
417 hm
1.287 m