Ich wache zwischendurch immer wieder auf. Dass das Rauschen des Baches alle anderen Geräusche übertönt, ist wohl nicht so gut für einen ruhigen Schlaf. War da ein Rascheln? Und was war das? Ich kann es nicht ausmachen. Das Wasser ist zu laut. Und das lässt dann viel Platz für Fantasie. Meine Luftmatratze knallt auch nochmal. Mir ist übrigens noch nie vorher aufgefallen, dass der Mond ja auch nicht einfach am Himmel steht nachts. Sondern die Position sich verändert. Ist logisch, ich habe es nur vor diesen Vollmond-Nächten nie bewusst wahrgenommen. Jetzt beobachte ich immer neue Schattenspiele auf meinem Zelt.

Ich ziehe mich an und schreibe von gestern. Das mache ich im Moment lieber morgens als abends. Da habe ich keine Lust mehr. Dann packe ich zusammen und mache mich auf den Weg. Mal sehen, ob ich einfach quer durch den Wald gehen kann, um wieder zum Weg zu kommen. Dann muss ich nicht nochmal über den Stacheldrahtzaun steigen. Der Hang ist nicht so steil und ich finde sogar eine alten Fahrspur, der ich folgen kann. Ein paar Minuten später stehe ich schon wieder auf dem breiten Schotterweg.

Dadurch dass ich Richtung Osten laufe, kann ich morgens immer dem Sonnenaufgang entgegen laufen. Das ist schön. Auch heute ist der Himmel noch schön verfärbt als ich aus dem Wald komme. Und wieder hat sich der Hochnebel über das Tal gelegt.

Es geht hinunter, am Breitenberghaus vorbei und den Wolken immer näher. Das sieht gut aus, wie der Nebel die Bäume da unten umschleiert. Wie Geisterwälder.

Das Bild verändert sich ständig. Hier schaut nur der Kirchturm aus den Wolken.

Ich folge einem steinigen Wiesenweg und komme an den ersten Häusern vorbei. Die nächsten 6 Kilometer sind etwas blöd zu gehen. Es geht an der Straße entlang durch Brannenburg. Direkt an der Hauptstraße. Über die Bahngleise, über die Autobahn und dann über den Inn. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich Nußdorf am Inn. Das ist ein hübsches kleines Dorf mit vielen schönen alten Stein- und Holzhäusern. Laut Wanderführer ist es ein Künstlerdorf.

Ich lege beim Bäcker eine Pause ein. Nach einer kleinen Stärkung freue ich mich, dass es gleich wieder nach oben geht. Ich freue mich irgendwie auf den Anstieg. Ich fühle mich voller Energie.

Erst geht es aber noch weiter zwischen den Häusern her. Neben einem Wasserlauf mit ein paar kleinen und einem großen Wasserrad. An diesem Haus findet wohl jedes Insekt ein Hotelzimmer.

Nun geht es durch den Wald nach oben. Breite Wege voller Herbstlaub. Ich kicke beim Gehen die Blätter in die Luft und freunde mich mit diesem grinsenden Baumstamm an.

Wald und Teerstraßen wechseln sich ab. Ich gehe über Bauernhöfe und an Pferdekoppeln und Alpaka-Wiesen vorbei. Als ich wieder aus dem Wald komme, wundere ich mich kurz über die Bushaltestelle und das Postauto. Aber ich bin ja auch erst auf knapp 800 Meter Höhe. Quasi noch im Tal.

Irgendwann komme ich an einen Abzweig, wo die Wegweiser nicht so eindeutig sind. Laut Karte kann ich der Straße Richtung Wanderparkplatz folgen und dann links auf einen Pfad in den Wald abbiegen. Ich laufe allerdings erstmal dran vorbei. Schaue nochmal auf die Karte. Nur ein paar Meter zurück, da müsste ein Weg sein. Da hängen noch die Reste vom Absperrband und ein kleines Schild, was auf Wildfütterungsgebiet hinweist. Da ich Empfang habe, schaue ich kurz bei Komoot. Auch dort ist der Weg eingezeichnet. Also gehe ich einfach mal den Hang zwischen den Bäumen hinauf. Rechts fängt bald ein hoher Zaun an. Der Pfad führt laut Karte einfach daran entlang. Es ist steil und zwischendurch meine ich, so etwas wie einen Trampelpfad zu erkennen. Meistens aber nicht. Der Zaun macht einen Knick und daran entlang kann man jetzt auch eine Spur erkennen.

Nur dass die noch ein Stück weiter ziemlich zugewuchert ist. Okay, vielleicht war das eine blöde Idee. Ich hätte einfach weiter die Straße nehmen sollen. Ich gehe vorsichtig am steilen Hang durch Gestrüpp und Dornen. Bald wird es wieder besser, aber da wartet schon das nächste Hindernis. Ich sollte gleich auf eine Fahrspur kommen. Allerdings ist davor auch ein hoher Zaun. Na toll. Drüberklettern? Bleibt mir wohl nichts anderes übrig, wenn ich nicht alles wieder zurücklaufen möchte. Ganz am Anfang könnte es gehen. Ich schnalle den Rucksack enger. Aber nein, mit dem zusätzlichen Gewicht auf dem Rücken traue ich mich nicht. Das geht nicht gut. Ich gehe ein Stück am Zaun entlang. Davor steht an einer Stelle ein abgeschnittener Baumstamm. Da könnte ich drauf klettern und meinen Rucksack über den Zaun schmeißen. Dann hinterher klettern. Ob hier oder woanders. Das klappt auch ganz gut. Heile lande ich auf beiden Füßen auf der anderen Seite. Da musste ich ja mal wieder ein bisschen Abenteuer einstreuen. Wurde mir wohl zu langweilig. Aber Spaß beiseite. Hier sollte man wirklich besser den ausgeschilderten Weg nehmen. Ich komme nämlich weiter oben an dieser Warnung vorbei.

Nachdem ich über den Zaun bin, folge ich wieder einer Fahrspur und klettere am Ende über ein Gatter. Auf der Wiese davor sitzt eine Frau. Sie bemerkt mich aber zum Glück nicht mit ihren dicken Ohrhörern. Hier steht auch das Schild. Allerdings bin ich ja nicht direkt durch das Schutzgebiet gelaufen, sondern nur außen herum. War vielleicht trotzdem blöd.

Weiter geht es noch ein Stück auf der Straße. Der Hochries steht mit 2 Stunden ausgeschildert. Dann habe ich ja noch ewig Zeit und kann mich irgendwo in die Sonne legen.

Jetzt wird es wieder etwas steiler. Der steinige Weg führt in Kehren die Wiese hinauf. Und zwar in der prallen Sonne. Ich bin schnell nass geschwitzt.

Bis zur Seiten Alm steige ich in engen Kehren hinauf. Und schaue immer wieder zurück. Der Blick ins Inntal ist klasse.

Der große See dürfte laut Karte der Simssee sein. Etwas weiter um den Berg herum und ich könnte bestimmt auch den Chiemsee sehen.

Ein kleines Stück geht es durch den Wald. Die kühlere Luft tut sehr gut. Es ist fast windstill und gibt sonst keine Abkühlung. Aber es ist sowieso fast geschafft. Und ich will mich nicht über das Wetter beschweren. Der Sommer-Sonnenschein ist herrlich.

Die Hochrieshütte liegt direkt am Gipfel. Direkt neben dem Gipfelkreuz. Eine Holzhütte mit großer Terrasse und 360 Grad Panoramablick. Es ist echt schön hier. Ich melde mich an, lasse meine Schuhe im Trockenraum und lasse mir meinen Schlafplatz zeigen. Das ist ja eine Luxus-Hütte. Da es nicht so voll ist, schlafe ich im Zimmer-Lager mit nur 2 anderen Leuten. Man braucht keinen Hüttenschlafsack, es gibt ein kleines Bad im Zimmer und zig Steckdosen. So viel Luxus braucht es auf einer Berghütte doch gar nicht.

Da es noch so früh ist und bis 18:30 Uhr Abendessen gibt, gönne ich mir heute einen Kaiserschmarrn. Setze mich damit in die Sonne und betrachte die Bergwelt um mich herum. Ich genieße einen entspannten Nachmittag, lege die Füße hoch und mache die Augen zwischendurch zu. So kann man es aushalten. Und mit der Anstrengung vorher fühlt es sich doppelt so gut an.

Ein Gipfelfoto muss aber auch noch her. Auf dem Hochries auf 1.569 Meter Höhe. Links hinter mir ist das Kaisergebirge und noch weiter hinten der Großglockner zu sehen.

Ich ziehe mir was über und bleibe bis zum Sonnenuntergang draußen auf der Terrasse. Das sieht toll aus. Da muss ich doch schnell mein Essen unterbrechen, um noch ein paar Fotos zu machen.

Für die letzten Minuten setze ich mich noch auf die Wiese. Dann wird es schnell zu kalt und ich verziehe mich in die warme Stube.

Unter den Gästen sind 2 ältere Herren, die sich den ganzen Nachmittag und Abend lautstark am liebsten über Geld und Frauen unterhalten. Am Anfang ist es ganz lustig, aber irgendwann nervt es etwas. Mit ihrer Lautstärke unterhalten sie die ganze Stube. Die beiden Frauen am Nebentisch schauen zu mir rüber und verdrehen die Augen. Sie verziehen sich lieber auf ihr Zimmer. Das mache ich dann auch bald. Lege mich ins Bett und schreibe.

Und ratet mal, wer meine beiden Zimmergenossen sind. Genau die beiden Herren. Als sie ins Zimmer kommen, entschuldigt der eine sich immer wieder. Das wäre ihm ja jetzt unangenehm. Wie man sie mit einer Frau in ein Zimmer stecken könnte. Und dass er es lieber anonymer hätte, weil er manchmal schnarcht. Das würde er aber nicht mit Absicht machen. Und ob wir schon was ausmachen sollen, wie lange noch gelesen werden darf. Na, dann würde er sich mit Licht ausmachen einfach uns anschließen. Ich denke nur – Entspann dich mal. Wir sind im Lager auf einer Berghütte. Leg dich in dein Bett und lass mich in Ruhe. In diesem Sinne, Gute Nacht.


21,1 km
5:30 h
1.192 hm
756 hm
1.579 m