Um 5:45 Uhr klingelt mein Wecker. Aber ich bin sowieso schon wach. Ich habe nicht so gut geschlafen. Erst war mir zu kalt, mit einer zusätzlichen Wolldecke ging es. Dann war die Matratze nicht so bequem und das Hochbett ziemlich wackelig. Und ich hatte gehofft, dass ich ein bisschen Schlaf nachholen kann. Auf meiner Luftmatratze schlafe ich ja auch nicht mehr so gut mit dem Ballon an den Füßen.

Ich ziehe mich an, packe zusammen und gehe in die Stube. Auf dem Weg rüber bestaune ich den klaren Sternenhimmel. Noch ist es stockdunkel. Das Frühstück steht schon bereit. Obwohl ich gestern Abend gesagt hatte, dass mir Bircher Müsli reicht, gibt es auch Brot. Das Müsli ist selbstgemacht und richtig lecker. Heute Morgen quatsche ich mit Ali. Er leistet mir Gesellschaft beim Frühstück. Ich solle mir ruhig Brote zum Mitnehmen machen. Hier erlebt man eine ganze Menge Gastfreundschaft und Großzügigkeit. Also schmiere ich mir Nutella-Brote für den Gipfel später. Und das restliche Brot und den Käse soll ich auch einstecken. Dazu holt er mir noch einen Apfel. Heute bin ich gut versorgt.

Ich zahle nur 25 € für die Nacht. Das ist gut für eine private Hütte. Es wirkt aber so, als wäre das nicht der normale Preis. Wahrscheinlich habe ich da auch noch einen Rabatt bekommen. Dann geht’s mal los. Sonst sitzen wir in 2 Stunden noch hier. Inzwischen ist es kurz nach 7 Uhr.

Von der Hütte geht es direkt auf einen schmalen Pfad nach oben. Der Himmel ist klar. Da ist mein Plan aufgegangen, den Sonnenaufgang am Gipfel sehen zu können heute Morgen. Wenn ich es denn jetzt zeitlich noch schaffe. Sonst sehe ich ihn halt unterwegs.

Der Weg ist total schön. Es geht über Wiesen, offenes Gelände mit gutem Blick. Ich komme über einen Buckel und habe plötzlich freie Sicht nach Norden. Mir entfährt ein leises „Wow“. Das ist ja mega schön. Ich muss lachen und freue mich riesig über die Schönheit der Natur. Das können die ganzen Fotos gar nicht so gut wiedergeben, das muss man mit eigenen Augen sehen. Vor mir liegt ein riesiges Wolkenmeer und der Himmel am Horizont kündigt die Sonne an.

Ich gehe weiter, grinsend und voller Glücksgefühle. Gehe schneller, um es pünktlich zum Gipfel zu schaffen. Muss aber doch immer wieder kurz stehen bleiben und mich umschauen oder ein Foto machen. Zwischen Latschenkiefern hindurch, noch eine Kehre, ein paar hohe Stufen. Ist das anstrengend sich so zu beeilen, ich muss kurz Luft holen. Dann weiter. Es ist Viertel vor 8 als ich am Gipfelkreuz anschlage. Die Sonne ist aber noch nicht zu sehen. Perfektes Timing. Jetzt erstmal verschnaufen, die Aussicht und den Sonnenaufgang genießen. Auf dem Hochgern auf 1.748 Meter Höhe.

Da ich gerade Empfang habe, schicke ich ein paar Grüße nach Hause und lasse meine Familie teilhaben. Um 8 Uhr hat die Sonne es über die Berge geschafft und schickt erste Strahlen.

Richtung Nordwesten versteckt das Wolkenmeer den Chiemsee.

Nun geht es 300 Höhenmeter steil nach unten. In zig engen Kehren die Wiese runter. Das Licht ist von den ersten Sonnenstrahlen ganz warm.

Es ist nass und rutschig. Auch im Wald wird es nicht besser. Ich rutsche weg, kann mich aber noch auf den Füßen halten. Über Wiesen und dann wieder durch den Wald geht es noch weiter runter. Ich rutsche wieder weg, mit dem rechten Fuß zur Seite und lande genau auf meinem linken Knie. Aua. Direkt aufstehen und weitergehen. Dann lässt der Schmerz schneller nach. Es blutet, aber es sieht nach einer kleineren Macke aus. Nur bei den hohen Tritten tut es jetzt etwas weh.

In Eschelmoos komme ich auf eine Schotterstraße. Jetzt ist auch der erste Abstieg geschafft. Das wird heute eine ganze Menge, daher bin ich froh, dass es aufgeteilt ist. Erstmal geht es wieder nach oben. Es wartet noch ein zweiter Gipfel auf mich. Hier habe ich schon einen Blick darauf.

Der Hochfelln steht jetzt auch auf den Wegweisern. Als schwarze Tour. Das stand gar nicht im Wanderführer. Schauen wir mal.

Ich folge der Schotterstraße nach oben. So eingekesselt zwischen zwei Berghängen, wo die Sonne noch nicht hinkommt, ist es ganz schön kühl. Auf dem nächsten Wegweiser hat die Tour keinen schwarzen Punkt mehr, sondern einen roten. Also doch nicht so schwer.

Eine gefühlte Ewigkeit steige ich durch den Nadelwald auf einem Pfad nach oben. Hier kann man gut den gelb-blauen Markierungen vom SalzAlpenSteig folgen. Der Weitwanderweg ist sehr gut markiert. Den hatte ich mir auch angeschaut, mich aber dann für den Maximiliansweg entschieden.

Die Bäume lichten sich und über mir sehe ich immer mehr blauen Himmel. Dann sollte ich gleich auf dem Sattel angekommen sein. Und bekomme endlich was von der Sonne ab. Herrlich. Ich folge nun einem schönen Steig am sonnigen Hang.

Erst ein Stück unterhalb der Felswände entlang, dann in einer Schneise hinauf. Etwas leichte Kletterei, wo ich die Hände zur Hilfe nehme. Über Felsen und Wurzeln geht es weiter hinauf. Mir kommen zwei Männer entgegen, die mich fragen, wie lange es denn noch so rutschig ist. Hier finde ich es gar nicht so schlimm.

Fast oben angekommen, gerade noch zwischen Latschenkiefern, jetzt habe ich plötzlich einen breiten Gehweg vor mir. Und Infotafeln zum Gestein und den Pflanzen. Ich hatte nicht auf dem Schirm, dass es hier oben eine Bergstation, eine Wirtschaft, eine Kapelle und so viele Seilbahn-Menschen gibt. Na toll. Das gefällt mir nicht so gut.

Ich steuere das Gipfelkreuz an. Nicht mal anschlagen kann man hier, da es eingezäunt ist. Der Hochfelln auf 1.674 Metern gehört definitiv nicht zu meinen Lieblings-Gipfeln.

Ich setze mich hinter einen Felsen, wo ich meine Ruhe habe und esse die Nutella-Brote. Mit dieser tollen Aussicht.

Ich gönne mir 15 Minuten Pause, dann geht es weiter. Es steigt gerade ein neuer Schwung Leute aus der Gondel aus, als ich an der Bergstation vorbeigehe. Ich schlängle mich durch die Menschen und suche die Wegweiser. Nicht, dass ich mich hier wieder verlaufe, so wie am Brauneck. Der Pfad die Wiese hinab ist zum Glück trocken und nicht so rutschig.

Nach den ersten Kehren komme ich in eine schöne Senke. Hier würde ich gerne noch länger in der Sonne liegen. Aber ich habe noch einiges vor mir. Ich habe vorhin beim Campingplatz angerufen, da im Winter die Rezeption nur bis 12 Uhr besetzt ist. Es ist aber niemand rangegangen. Also möchte ich nicht so spät da sein. Laut Ansage kann man bis 18 Uhr anreisen. Ohne Reservierung wäre ich aber gerne etwas eher da. Einen Platz werde ich wohl schon bekommen. Wieso auch nicht mit so einem kleinen Zelt.

Der lange Abstieg klappt gut. Auf weichem Waldboden, über Steine und Wurzeln. Nicht zu steil. So macht meinen Füßen das nicht so viel aus.

Ich komme nun den Wolken immer näher. So langsam muss ich mich wohl von der Sonne verabschieden.

Eine Viertelstunde später sieht es so aus. Ich gehe durch den Nebel und ziehe erstmal wieder 2 Lagen drüber. Ohne die Sonne ist es richtig frisch.

Kurz vor Egg komme ich aus dem Wald und gehe über Weiden. Der Nebel wird immer dichter. Und ich dachte, das wäre nur eine Schicht Hochnebel. Es ist wohl eine sehr dicke Wolkenschicht.

Der Weg über die Weide ist schrecklich. So sumpfig, dass ich echt schauen muss, wo ich hintreten kann. Ich ziehe ein paar Mal meinen Fuß wieder weg bevor ich tiefer einsinke. Und das will einfach kein Ende nehmen. Noch einen kleinen Abhang hinunter. In den Matschlöchern steht das Wasser. Einfach mittendurch? Besser nicht, hinterher bin ich komplett eingesaut. Nach einer Schlammpackung ist mir heute nicht. Ich versuche einen anderen Pfad und noch einen. Hier geht es. Und da vorne ist eine Straße. Juchhu.

Dieser Straße folge ich nun. Von Ruhpolding ist nicht so viel zu sehen.

Die offizielle Etappe wäre hier zu Ende. Ich möchte aber heute noch weitergehen nach Inzell, damit ich das wahrscheinlich langweilige Tal-Stück hinter mir habe und morgen früh direkt zum Gamsknogel aufsteigen kann. Da jetzt wahrscheinlich viel Asphalt folgt, hole ich mir beim Bäcker noch eine Wegzehrung. Dann habe ich was zu tun mit Essen beim Laufen. Die Verkäuferin bietet mir an, mir das Tomate-Mozzarella-Fladeneck warm zu machen. Sehr gerne. Aber dann könne sie es mir nicht auf die Hand geben, das wäre zu heiß. Sie lässt sich leider nicht davon abbringen, es mir auf einem Pappteller und mit Alufolie umwickelt zu übergeben. Na, vielen Dank für den ganzen Müll. Ich kann es so anfassen, es ist gerade mal lauwarm.

Ich gehe durch den Ort, an der Straße entlang und kann zum Glück irgendwann auf einen Waldweg abbiegen. Nach so einer Etappe schmerzen meine Füße schnell auf dem Asphalt. Es ist langweilig. Im Wald geht es ein bisschen besser. Ich gehe am Windbach entlang. Nennenswerte Höhenunterschiede gibt es jetzt nicht mehr.

Der Weg zieht sich. Ich rechne aus, ob ich noch ein bisschen Zeit habe. Ich komme nämlich an der Kessel Alm vorbei. Für eine kurze Einkehr sollte es reichen. Der Campingplatz ist nur eine Stunde weiter. Wenigstens kurz die Füße entlasten und ein bisschen Kraft tanken in Form von warmem Essen. Ich setze mich auf die Terrasse. Es gibt eine Portion Kässpatzen und Salat. Das tut gut.

Dann mache ich mich an den Endspurt. Meine Füße wollen nicht mehr. Ich muss viel direkt am Straßenrand gehen. Das ist nie angenehm mit Verkehr. Ich gehe durch den Ortskern von Inzell. Irgendwie hat hier alles geschlossen. Gut, dass ich was gegessen habe.

Es ist so kalt hier unten im Tal. Ich möchte zurück auf den Berg und in die Sonne. Ich schaue nach, ob es hier eine Sauna gibt. Das wäre jetzt ein Traum. Aber die Therme eröffnet erst im Winter. Schade.

Am Campingplatz hängt ein Schild, dass Durchreisende für eine Nacht sich vorne auf den Schotterplatz stellen sollen. Das gilt aber wohl für Wohnwagen. Für Zelte gibt es keine Info. Also mache ich die Zeltwiese auf dem Plan ausfindig und baue mein Zelt einfach zwischen den zig anderen Zelten auf. Spaß, mein kleines Zelt steht ganz einsam auf der großen Wiese. Hoffentlich wird es nicht windig heute Nacht, hier gibt es keinerlei Schutz. Ich melde mich dann einfach morgen früh an, wenn die Rezeption wieder geöffnet hat. Wird schon passen.

Das Sanitärhaus ist modern und schön. Ich stelle mich lange unter die warme Dusche. Das wird ja noch zur Luxus-Wanderung mit einer täglichen Dusche. Dann kuschle ich mich in meinen Schlafsack. Vielleicht ist der Nebel ja morgen früh verschwunden.


30,0 km
7:15 h
1.092 hm
1.843 hm
1.735 m