Ich habe mir den Wecker auf halb 7 gestellt. Wenn es hell wird, möchte ich hier weg sein. Um 6:20 Uhr schaue ich auf die Uhr und wundere mich, wieso es schon so hell ist. Da brauche ich ja gar keine Stirnlampe mehr zum Packen. Das verstehe ich nicht. Eigentlich ist es doch hier im Tal nicht schneller hell als oben auf dem Berg. Und weiter östlich bin ich auch nicht. Komisch. Die letzten Tage habe ich bis kurz nach 7 Uhr die Stirnlampe gebraucht.
Ich ziehe mich an und packe ein letztes Mal mein Zelt zusammen. Entferne hoffentlich alle kleinen Nacktschnecken vorher. Die sind ekelig. Auch den Griff meines Trekkingstocks haben sie völlig eingeschleimt. Passiert halt hier draußen.
Ich wasche mein Gesicht im Bach und fülle mein Wasser auf. Eine ordentliche Dusche gibt es ja später. Dann geht es los. Etwas unmotiviert. Es fühlt sich schon irgendwie so an, als hätte meine Wanderung gut mit dem Gipfel-Biwak gestern bzw. dann unten in Bad Reichenhall zu Ende sein können. Aber natürlich laufe ich noch bis zum Königssee.
Der Weg ist ein bisschen schöner als gestern. Ein breiter Spazierweg durch den Wald. Der Boden bedeckt mit braunen Blättern. Der Himmel ist blau und es verspricht ein sonniger Tag zu werden. Perfektes Ziel-Wetter.
Ich habe ein bisschen mehr Ausblick beim Gehen. Die Sonne ist noch nicht ganz über den Berg und wirft ihr warmes Licht ins noch verschlafene Tal.
Mir kommt eine Joggerin entgegen, ansonsten treffe ich keine Leute. Keine spannenden Erlebnisse. Der Weg zieht sich. Die Kühe grasen ganz in Ruhe. Nur eine kommt auf mich zu, als ich mein Knäckebrot raushole. Als sie merkt, dass ich einfach weitergehe, muht sie mich laut an.
Ich gehe an Winkl und Bischofswiesen vorbei. Mal ein Stück auf der Straße, dann wieder durch den Wald. Dieser Wasserfall ist ein echtes Highlight heute. Ich taufe ihn Dreizack-Fall.
Inzwischen bekomme ich auch zwischendurch ein paar Sonnenstrahlen ab. Hier ist das Licht echt schön.
Markierungen gibt es keine mehr. Also folge ich mal der GPX Route des Maximilianswegs auf meinem Handy, mal den Wegweisern Richtung Berchtesgaden Ortsmitte. Ich gehe am Naturfreibad in Aschau vorbei und durch den Rostwald. Dann kann ich ja auch durch die Altstadt von Berchtesgaden gehen, die steht gerade auf dem nächsten Wegweiser. Vielleicht gibt es was schönes zu sehen. Ich folge der schmalen Treppe hinab in den Ort. Mit Blick auf die Türme des königlichen Schlosses und der Kirche.
Am Rathaus gibt es eine kostenlose, öffentliche Toilette. Wie praktisch. Ich gehe eine kleine Schleife und mache mich dann auf den Weg Richtung Bahnhof. Wer hier wohnt und viel zu Fuß geht, kommt auch im Tal auf seine Höhenmeter. Die Straßen sind teilweise ganz schön steil. Die Altstadt gefällt mir aber ganz gut. Es gibt viele alte, schön verzierte Häuser und von überall sieht man den Watzmann, der quasi über dem Ort thront.
Vom Bahnhof geht es morgen nach Hause, jetzt laufe ich nur daran vorbei. Zum Königssee gibt es anscheinend zwei verschiedene Varianten. Den Fußweg und den SalzAlpenSteig, der ein Stück etwas oberhalb durch den Wald verläuft. In der Hoffnung auf mehr Aussicht, nehme ich den oberen Weg. Es geht jetzt immer an der Königsseer Ache entlang. Der Weg durch den Wald ist schnell zu Ende und es geht wieder runter auf die Straße. Schade. Mich überholen viele Radfahrer.
Hinter Schönau gefällt mir der Weg dann besser, es geht jetzt direkt am Fluss entlang.
Irgendwann sehe ich das Stauwehr am Nordufer des Sees. Na, dann bin ich ja angekommen. Es stellt sich gar kein besonderes Gefühl ein. Hier ist der See auch noch ziemlich schmal und man kann nicht viel davon sehen.
Also gehe ich am Ufer weiter und komme zu den Bootsanlegern. Oh Mann, hier wimmelt es von Leuten. Die zweite Stelle auf meiner Wanderung, wo sich die Asiaten tummeln. Am Schloss Neuschwanstein und jetzt hier. Auf dem Platz stehen lange Schlangen und dahinter reiht sich ein Souvenir-Laden an den nächsten. Hier möchte ich meine Wanderung nicht beenden. Ich bleibe nicht mal stehen, hier gefällt es mir nicht. Ich schlängle mich durch die Leute und entdecke gelbe Wander-Wegweiser. Da geht es in den Wald und in 15 Minuten soll es einen Aussichtspunkt geben. Dann gehe ich da hin.
So habe ich auch noch ein paar Höhenmeter heute. Mit der Zeit kommen mir immer mehr Menschen entgegen. Das wäre ja auch zu schön gewesen, hier ein einsames Plätzchen zu finden. Die Bäume stehen dicht und man hat leider keinen guten Blick auf den See. Erst am Aussichtspunkt gibt es eine größere Lücke zwischen den Bäumen. Als ich den See in seiner vollen Pracht entdecke, muss ich dann doch grinsen. Das gefällt mir. Der Königssee erinnert mich an einen norwegischen Fjord. So eingekesselt zwischen den hohen Bergen. Das sieht toll aus.
Ich setze mich hinter die Bänke auf die Felsen. Hier ist viel los. Ich sitze eine ganze Weile da und schaue auf den See. Irgendwann bitte ich dann eine junge Frau, die mir am sympathischsten erscheint von den ganzen Leuten hier, ein Foto von mir zu machen. Angekommen am Königssee, Ziel erreicht. Vom Bodensee zum Königsee, einmal quer durch die bayerischen Alpen.
Ich mache mich auf den Rückweg. Kurz vor einem Café führt ein Trampelpfad in den Wald und endet laut Karte direkt unten am Wasser. Da geht niemand her. Also gehe ich doch mal gucken. Ich steige über zwei Baumstämme und ein paar Minuten später stehe ich tatsächlich direkt am Ufer. Und habe einen Lieblingsplatz gefunden. Ich beschließe, dass hier das offizielle Ende meiner Wanderung ist. Hier bin ich alleine, das Wasser ist super klar, das Licht schimmert darauf und Boden und Bäume präsentieren sich in warmen Herbst-Farben. Jetzt bin ich angekommen.
Hier bleibe ich noch eine ganze Weile sitzen. Schaue den Booten zu, die vorbeifahren und freue mich über diese schöne Stelle.
Es ist erst fast 13 Uhr. Dann kann ich mir ja jetzt in einem der Touri-Restaurants noch eine Ziel-Schorle gönnen und dann laufe ich zurück nach Berchtesgaden. Da wartet nämlich die Sauna auf mich. Ich nehme auf dem Rückweg den Fußweg auf der anderen Seite des Flusses. Und telefoniere dabei mit meinen Eltern. Als ich so von meinem Morgen erzähle, lüftet sich dann auch das Mysterium um das frühe Tageslicht. Von der Zeitumstellung letzte Nacht habe ich mal so gar nichts mitbekommen. Und da ich mein Handy im Flugmodus hatte, wurde mir eben morgens noch die alte Uhrzeit angezeigt. Das erklärt es. Ich muss lachen. Ich war echt verwirrt heute Morgen.
Das Hotel liegt nur 5 Minuten vom Bahnhof entfernt, eine dieser steilen Straßen hinauf. Der Kerl an der Rezeption erklärt mir, dass ich zeitgleich, mit nur 2 Sekunden Unterschied, mit jemand anderem das letzte freie Zimmer gebucht hätte gestern. Da der andere schneller war, hat er mich jetzt im Partnerhotel einquartiert. Das wäre nur 1,5 Kilometer entfernt. Na toll. Er würde mich auch eben hinfahren und ich würde ein kostenfreies Upgrade auf ein Doppelzimmer zur Einzelnutzung bekommen. Das ist mir so egal, ich brauche nur ein Bett und eine Dusche. Dann laufe ich halt dahin. Erst mit ein bisschen schlechter Laune. Aber das legt sich schnell, ich kann es ja nicht ändern. Und so habe ich vor der langen Zugfahrt morgen früh noch ein bisschen mehr Bewegung. Sauna und ein großes Frühstücksbuffet gibt es dort genauso. Also laufe ich durch die Straßen, am Salzbergwerk vorbei und zu meiner neuen Unterkunft.
Ich verteile meine Sachen im Zimmer zum Trocknen. 3 kleine Nacktschnecken und ein paar Blätter und kleine Äste fallen dabei noch aus meinem Zelt. Ich bringe ein bisschen Natur mit. Die Dusche ist herrlich, endlich. Und die Sauna sehr entspannend. Wobei ich irgendwann merke, dass ich ein bisschen unruhig werde. Ich bin nach den letzten beiden einfachen und kurzen Tagen, glaube ich, überhaupt nicht mehr ausgelastet.
Nach den letzten Nächten kommt es mir heute wie der größte Luxus vor, in einem großen, fest stehenden, ebenen und weichen Bett zu schlafen. So verschiebt sich die Wahrnehmung. Und das ist eine Sache, die ich sehr mag an den Wanderungen. Dass man so einfache und alltägliche Dinge wieder viel mehr zu schätzen weiß.
Anna
Gratulation zur Tour! Danke wieder fürs mitnehmen.
Thomas
Drei beeindruckende Wochen. Danke wieder fürs Mitnehmen. Komm gut nach Hause.
Peter
Glückwunsch! danke die schönen Texte und Bilder.
Ps.wieviel Liter hat denn Dein Rucksack?
Sophie
Hi Peter,
danke! Mein Rucksack ist verstellbar von 40 bis 60 Liter. Hier findest du mehr Infos.
Mama
Hej, Glückwunsch zum Finish! Du hast es wirklich gut getroffen mit dem überwiegend schönen Wetter – und den vielen i-Tüpfelchen Gipfelbiwak und traumhaft entspannten Orten! Da schmelze ich dahin… <3
Sven
Finish! Yeah!!! Angekommen!! Gut dass du noch eine fast unberührte Stelle am See gefunden hast. Es war wirklich schön dich auf deiner Wanderung zu begleiten.