Eigentlich sind wir alle 3 eher Frühaufsteher. Letzte Nacht brauchten wir aber wohl den Schlaf. Es ist schon 20 vor 8 als wir wach werden. Ich habe das Bett direkt am Fenster und schaue als erstes raus. Gestern haben wir uns Sonne gewünscht für heute. Ich hätte aber nie mit einem komplett blauen Himmel gerechnet. Es sieht wunderschön aus. Ganz aufgeregt sage ich: „Guckt mal, wie schön es ist. Guckt mal. Blauer Himmel, Sonne, die Wolken über dem Tal. Guckt mal, blauer Himmel und Sonne. Gehen wir vor dem Frühstück schon zum Gipfelkreuz? Ja?“. Ich gucke in 4 Augen, die noch nicht ganz auf sind. Los geht’s. Das Wetter zieht uns alle raus.
Wir ziehen uns an und steigen die paar Höhenmeter zum Gipfelkreuz hinauf. Den Tag am Gipfel zu starten, finde ich super. Beginnen wir also heute mal mit einem Gipfel-Foto auf dem Brüggelekopf auf 1.182 Meter Höhe.
Das sieht immer echt klasse aus, wenn der Hochnebel das Tal verdeckt und man selber über dieser dichten Wolkenschicht steht.
Dort hinten links sieht man den Säntis, der in der Schweiz liegt. Dieser Blick wird uns den ganzen Tag noch begleiten.
Ich halte mein Gesicht in die Morgensonne und freue mich so sehr über diesen schönen Tag und das Wetter.
Jetzt geht es aber erstmal wieder in die Stube zum Frühstücken. Wir lassen uns Zeit, heute ist ja schließlich ein entspannter Sonntag. Dann packen wir alles zusammen, schnüren unsere Schuhe und machen auf der Terrasse noch ein Start-Foto.
Es geht bergab, wir halten uns an die Schilder Richtung Müselbach. Mit der Sonne müssen wir uns gar nicht erst warm laufen heute. Wir folgen einem Pfad über Wiesen und dann wieder dem breiten Fahrweg.
In den kleinen Siedlungen entlang der Straße stehen einige nette Holzhäuser. Und der Ausblick ist super. Es ist schön, dass man so weit gucken kann.
In Müselbach angekommen, queren wir die Hauptstraße und gehen ein kleines Stück am Straßenrand entlang. Die Lingenauer Hochbrücke wird im Wanderführer als spektakulär beschrieben. Da heizen aber auch die Autos drüber. Spektakulär ist vielleicht die Höhe und der Blick auf die Bregenzerach, aber wir biegen lieber kurz vorher rechts auf einen Fußweg ab und nehmen die ruhigere Variante. Nach ein paar Kehren abwärts, kommen wir zu einer gepflasterten Fußgängerbrücke. Von hier hat man einen Blick auf die Hochbrücke und den Fluss.
Und wir haben die Brücke ganz für uns. Das muss man doch mal nutzen.
Der Wanderweg durch den Wald ist wegen Steinschlaggefahr gesperrt. Wir überlegen kurz, ob wir den Weg trotzdem nehmen, aber Mama ist dagegen. Also folgen wir der anscheinend ziemlich alten und inzwischen nicht mehr befahrenen Straße in einer weiten Kehre wieder nach oben. Durch noch eine kleine Siedlung und nach einem kurzen Stück auf dem Bürgersteig entlang der Straße, erreichen wir das Ortszentrum von Lingenau. Der Quelltuff-Lehrpfad soll sehr schön und lohnend sein, aber den Abstecher sparen wir uns heute. Das wären nochmal 1,5 Stunden extra.
Wir machen es uns auf einer Bank auf der Wiese gegenüber der Kirche gemütlich und verspeisen die Reste unserer Verpflegung von gestern. Entsprechend des entspannten Sonntags kehren wir dann im Gasthof auf der anderen Straßenseite ein und gönnen uns ein Stück Kuchen und ich noch eine Suppe.
Gestärkt geht es dann an den Anstieg. Unser nächstes Ziel ist der Rotenberg. Der Gipfel und dann einen Schlafplatz für mich zu finden. Da es auf dem Weg erstmal keine Hütte und keinen Campingplatz gibt, werde ich heute wild campen. Im österreichischen Bundesland Vorarlberg ist das nicht so streng geregelt. Es kann von der Gemeinde für bestimmte Stellen verboten werden, aber sonst ist es okay auch außerhalb von Campingplätzen zu zelten. Wir suchen trotzdem einen sichtgeschützten Platz. Dass das Wildcampen in ganz Österreich im Wald nicht erlaubt ist, lese ich erst hinterher. Was ich im Kopf hatte, gilt nur für das alpine Ödland.
Auch zu bedenken gilt, dass wir uns hier schon im Naturpark Nagelfluhkette befinden. Im Gegensatz zu einem Naturschutzgebiet darf ein Naturpark aber bewirtschaftet werden. Und mehr Lärm und Dreck als eine Kuh mache und hinterlasse ich auch nicht. In Schutzgebieten vermeide ich es ansonsten draußen zu schlafen. Leider wird es einem in Deutschland und Österreich vor allem unterhalb der Baumgrenze sehr schwer gemacht mit dem Biwakieren und Zelten. Man ist da nie so ganz legal unterwegs. Da müsste man dann theoretisch irgendwie den Eigentümer ausfindig machen und um Erlaubnis fragen. Also ist die Devise, spät kommen, früh gehen, keinen Lärm machen und keinen Müll hinterlassen.
Wir lassen den Ort hinter uns und folgen breiten Waldwegen und schmaleren Pfaden. Der Ausblick auf die hohen felsigen Berge gefällt mir. Da liegt schon eine Menge Schnee.
Wir folgen den Wegweisern zum Rotenberg. Irgendwann ist dann aber nur noch Rotenberg Süd und Nord angeschrieben. Laut Karte führt der unmarkierte Pfad geradeaus zum Gipfel. Also nehmen wir den. Und tatsächlich finden wir in einer dicht bewachsenen Ecke eine Gipfel-Säule. Unser zweiter Gipfel für heute, der Rotenberg auf 994 Metern.
Nun geht es wieder hinunter. Ab hier halten wir die Augen auf nach einem Schlafplatz. Das würde von der Strecke für morgen dann gut passen. Als wir von dem schmalen Pfad wieder auf einen breiten Weg kommen, gibt es zwei Abzweigungen, die in einer Sackgasse enden. Da gehen selten noch Leute her. Wir finden ein Stück vom Weg eine schön ebene Fläche, die super geschützt ist. Hier fühle ich mich sogar wohl, mein Zelt aufzustellen, obwohl es erst halb 4 ist. Super.
Ich lasse meinen Rucksack an der Stelle stehen und begleite meine Eltern noch ein Stück den Berg runter. Sie haben ihr Auto in Hittisau geparkt und fahren gleich wieder nach Hause. Toll, dass ihr mich ein Stück begleitet habt. Das war sehr schön! Und danke an Papa mit hARTwig’s Fotos, dass ich deine Fotos hier verwenden darf. Noch ein Abschieds-Foto zu dritt, Umarmung und Winken. Nun bin ich wieder alleine.
Ich gehe zurück zu meinem Rucksack und baue mein Zelt auf. Da steht es doch gut.
Beim Auspacken meiner Sachen kommt mir irgendwas komisch vor. Da fehlt doch was. Wo ist meine Regenjacke? Ich fürchte, die hängt noch im Trockenraum. Oh nein! Ich habe noch nie irgendwas auf einer Hütte vergessen. Jetzt ist es auch mir passiert. Bei dem schönen Wetter brauchte ich meine Jacke ja auch heute Morgen nicht. Na toll. Ich rufe schnell Mama an, zum Glück sind sie noch nicht weg. Ich habe Glück im Unglück, dass sie ihr Auto hier haben und dass bis zum Gasthof eine Straße führt. Sie tun mir den Gefallen und fahren nochmal hin. Maut brauchen sie auch nicht bezahlen, als Mama dem Wirt von meiner Jacke erzählt. Sie hing noch im Trockenraum. Ich laufe die 15 Minuten den Berg runter und an der nächsten Straße machen wir Jacken-Übergabe. Dann hatte ich jetzt noch einen Abendspaziergang und ein paar zusätzliche Höhenmeter. Aber ich habe meine Jacke wieder. Am Dienstag ist Regen angesagt. Danke euch, Mama und Papa!
Jetzt wieder hoch den Berg, wo mein Zelt auf mich wartet. Ich ziehe mich um, kuschel mich in meinen Schlafsack und esse. Ich habe ein paar Pakete Trekking-Nahrung von Real Turmat mit. Da freue ich mich schon drauf. Das habe ich in Norwegen viel gegessen und es schmeckt echt gut. Heute gibt es Curry.
Eigentlich wollte ich die Zeit danach zum Schreiben nutzen. Aber es fühlt sich gerade gut an, einfach nur da zu liegen. Beine und Füße ausgestreckt, müde vom Tag und nichts zu machen. Nur so vor mich hinzuträumen.
Sven
Da hast du aber echt Glück im Unglück gehabt mit der Regenjacke. Ich wünsche dir, dass du die nicht allzu oft noch brauchen wirst. Voller Vorfreude auf die nächsten Berichte.
Anna
Hui da hast echt Glück gehabt! Ich hatte einmal die Einlagen von meinen Schuhen im Trockenraum liegen gelassen und ging dann einige Tage ohne Einlage bis ich in einen Ort kam haha. Aber Regenjacke ist wirklich übel – also doppelt – meist ein teures Stück und dazu noch essentiell wenn es denn regnet.
Mama
Letztendlich hat die Sperrung am Riedbergpass am Samstag wegen Viehabtrieb die Rückholaktion der Jacke erst möglich gemacht 😀 Sonst wären wir mit dem Bus nach Hittisau gefahren – und nicht mit dem Auto… So eine letztendlich glückliche Verkettung von Umständen: Passt!
Danke für die Begeisterung und Energie, mit der du uns auch immer wieder zusätzlich motivierst!