Die Nacht war ruhig. Ich lag nur relativ viel wach. Wie meistens, wenn ich draußen schlafe. Es hat ein wenig geregnet und ich habe den Geräuschen des Waldes gelauscht. Blöd ist nur, dass meine Luftmatratze anscheinend ein kleines Loch hat. Die Luft entweicht nur ganz langsam und ich lag nicht ganz auf dem Boden. Aber ich habe sie heute Nacht zweimal wieder mehr aufgepustet. Da muss ich bei nächster Gelegenheit mal auf die Suche gehen. Am besten findet man so ein Loch, wenn man die Matte nass macht oder mit Seifenwasser einreibt. Dann blubbert es da, wo das Loch ist.
Es ist bewölkt und nieselt leicht. Ich freue mich schon die ganze Zeit auf die Strecke heute, da es endlich weiter hoch geht. Es steht die Überschreitung der Nagelfluhkette an. 2 Tage lang über den Gratweg mit einigen Gipfeln. Und dazu eine Hüttenübernachtung. Um kurz nach 9 Uhr habe ich alles zusammengepackt und mache mich auf den Weg.
Den ersten Teil der Strecke kenne ich ja schon von gestern Abend. Einen breiten Waldweg geht es den Berg herunter bis nach Hittisau. Beim Gehen pflücke ich noch ein paar Tannennadeln aus meinen Haaren. Über die Hauptstraße, an Höfen vorbei und über die Wiese. Nach der schönen Holzbrücke über die Bolgenach geht es steil nach oben. Erst durch den Wald, dann an ein paar Häusern vorbei. Ich frage eine Frau, die gerade ihre Einfahrt fegt, ob sie mir meine Wasserflasche auffüllen könne. Wasser habe ich ein bisschen wenig für heute.
Zwischen Kuhweiden stapfe ich die Wiese hinauf. Das ist schon anstrengend so steil. Ich gehe langsam und führe meine kurzen Trinkpausen alle 100 Höhenmeter wieder ein. Der Weg ist gut markiert und gefällt mir. Der erste Gipfel stand auch schon auf den Wegweisern unten im Ort.
Wenn ich mich umdrehe, wird der Ausblick jedes Mal besser.
Nach den ersten 400 Höhenmetern komme ich hinter einer Alpe auf einen breiten Fahrweg. Hier geht es nun eine Weile nicht ganz so steil weiter. Als kleine Verschnaufpause. Dann folgt wieder ein steiler Waldweg. Es fängt an zu regnen und ich bin ganz froh, dass ich zwischen den Bäumen trocken bleibe. Vor der nächsten Wiese mache ich kurz Pause und hole meine Regenjacke raus. Bevor ich weitergehen will, hört es aber schon wieder auf zu regnen und ich kann die Jacke wieder einpacken.
Kurz bevor ich das nächste Mal vom Wald auf die Wiese komme, kommt die Sonne raus. Das gefällt mir noch besser. Es ist inzwischen nicht mehr so grau und die Wolken verziehen sich langsam.
Dann komme ich an diese Stelle. Wiese, hinter mir der Wald, Sonne. Da vorne kann ich nicht mehr sehen. Weil ich nämlich oben bin. Ich strahle plötzlich mit der Sonne um die Wette. Jetzt fühle ich mich angekommen. In den Bergen. Hier fühle ich mich wohl. Es fühlt sich an, als wäre ich nach Hause gekommen. Nicht vom Ort. Es ist einfach das draußen sein, in den Bergen, alles, was ich brauche, in meinem Rucksack.
Ich komme wieder auf einen breiten Weg und biege nach rechts ab zum Hochhäderich. Hier treffe ich nun auch andere Leute. Ich überhole eine Familie mit zwei kleinen Mädels. Hinter einer Kurve bin ich dann ganz erstaunt, als plötzlich das Gipfelkreuz da hinten steht. Und gar nicht viel weiter oben. An der Hütte kurz davor und auch am Gipfelkreuz ist ganz schön viel los.
Mein erster Gipfel für heute. Der Hochhäderich auf 1.566 Metern.
Der Weiterweg zum nächsten Gipfel hat auf den Wegweisern den Zusatz „Nur für Geübte“. Es wird also nicht ganz so einfach weitergehen. Ich bin gespannt.
Hier nochmal der Blick zurück.
Nun geht es über den schmalen Grat und zwar direkt ein paar schräge Felsen hinab. Ich halte mich an dem Stahlseil fest. So geht es eine ganze Weile. Das ist gerade etwas anstrengend für den Kopf. Der erste schwierigere Teil. Ich muss an den Krottenkopf letztes Jahr denken und wie ängstlich ich danach war. Ob sich das jetzt wieder gelegt hat? So richtig wohl fühle ich mich nicht. Aber vielleicht muss ich mich auch erst wieder herantasten. Langsam und vorsichtig geht es also weiter. Der nächste Gipfel ist auch schon in Sicht.
Es ist ganz schön matschig und rutschig. Da muss man echt aufpassen. An einer Stelle habe ich für ein kurzes Stück die Wahl zwischen einer schwierigen und leichten Variante. Weil es so rutschig ist, entscheide ich mich für die leichtere. Es geht durch eine Senke im Wald über noch matschigere und sehr lehmige Wiese. Die Stellen, wo schon Rutsch-Spuren zu sehen sind, meide ich besonders.
Der nächste Gipfel ist der Falken auf 1.564 Metern. Auf der Bank vor dem Gipfelkreuz liegt ein Mann in der Sonne und macht ein Nickerchen. Er erschreckt sich als ich näher komme und macht mir Platz. Wir quatschen ein bisschen und er macht ein Gipfel-Foto von mir. Auf diesen schmalen Gipfeln mit wenig Platz ist es immer eine Herausforderung alles aufs Foto zu bekommen.
Ich mache eine kurze Pause und stärke mich mit Nüssen, Rosinen und einer Birne. Weiter geht’s. Immer wieder ein bisschen runter und hoch zum nächsten Gipfel. Wobei ich an den nächsten zwei Gipfeln einfach vorbeilaufe. Sie haben kein Kreuz und sind nicht markiert. Bei der Rohnehöhe sehe ich kurz danach erst auf der Karte, dass da gerade ein Gipfel war. Beim Hohenfluhalpkopf achte ich extra darauf, sehe aber trotzdem kein Schild oder so.
Es geht mal zwischen Bäumen her, dann wieder über freie Wiesen. Und überall ist es matschig. Aber hinter dem ersten Gipfel war es am schlimmsten. Dagegen geht es jetzt besser. Ich treffe ein Pärchen und wir tauschen uns kurz über den Weg aus. Das ist schön, wie freundlich und gut gelaunt man sich hier grüßt und ein paar Worte wechselt.
Ich komme nun immer wieder an kleinen Schildern vorbei, die mir sagen, dass ich gerade einen Premium Wanderweg gehe. Und dann so viel Matsch? Das ist aber nicht so Premium. Die Kategorie ist „Luftiger Grat“. Das stimmt an manchen Stellen auch. Da geht man nah an der Kante, hinter der es steil runter geht.
Hier mal so eine matschige Stelle. Dahinten sieht man schon den nächsten Gipfel. Vielleicht hat der ja wieder ein Gipfelkreuz.
Ich bin inzwischen ziemlich kaputt. Meine Füße sind müde. Ich überlege, ob ich überhaupt den Abstecher zum Gipfel machen soll. Aber auf dem Wegweiser stehen 5 Minuten. Das schaffe ich. Und zur Hütte ist es auch nur noch eine halbe Stunde. Das ist ganz lustig. Bei der Planung möchte ich immer möglichst jeden Gipfel auf dem Weg oder in der Nähe mitnehmen. Wenn ich dann unterwegs bin, überlege ich mir das oft nochmal und lasse doch den ein oder anderen aus.
Langsam geht es viele enge Kehren hinauf. Es gibt ein Gipfelkreuz und auch mein Ziel ist zu sehen. Die nächste Spitze dahinten ist der Hochgrat. Und darunter, links vom Grat, liegt das Staufner Haus.
Noch ein letztes Gipfel-Foto für heute. Auf dem Seelekopf auf 1.663 Meter Höhe.
Ich bleibe noch ein bisschen da sitzen. Genieße die Sonne und freue mich, dass es nicht mehr weit ist. Das Staufner Haus ist bekannt für seine gute Küche. Ich bin gespannt. Papa hat mir auch schon davon vorgeschwärmt. Als ich Gesellschaft bekomme am Gipfel, mache ich mich auf den Weg.
Da unten am Hang liegt die Hütte. Nur noch ein kleines Stück steil hinab.
Und ich bin da. Geschafft. Ich mache auf mich aufmerksam, als die Bank umfällt, gegen die ich meinen Rucksack gelehnt habe. Die Wirtin kommt direkt raus, aber das würde wohl häufiger passieren. Sie wollte nur schauen, ob es mir gut geht. Sie meint, manchmal fallen auch die Leute um. So fertig bin ich dann doch nicht. Ich bestelle direkt eine Johannisbeer-Schorle und mache noch mein Ziel-Foto.
Das hier ist die erste Stelle, wo der Maximiliansweg auf einem Schild erwähnt wird. Neben der Eingangstür vom Staufner Haus.
Ich beziehe mein Bett im Lager, wasche mich und gönne mir dann einen Kakao und eine Mandelstange. Es gibt zwar in einer halben Stunde schon Abendessen, aber das ist mir gerade egal. Das habe ich mir verdient und ich habe Hunger.
Es ist ein gemütlicher Hüttenabend. Ich sitze mit einem älteren Mann aus Bamberg am Tisch, der alleine unterwegs ist, da seine Frau und Kinder nicht so gerne wandern. Wir essen zusammen und unterhalten uns gut. Dann möchte ich noch ein bisschen schreiben. Ich finde es immer sehr unhöflich, wenn man am Tisch mit anderen Leuten zusammen, an seinem Handy ist. Also sage ich ihm, dass ich gerne noch ein bisschen Tagebuch schreiben würde. Kein Problem, er liest sein Buch weiter.
Mir fallen allerdings schon gegen 8 Uhr die Augen fast zu. Also bezahle ich eben und spreche noch mit dem Hüttenwirt über meine Etappe morgen. Wenn möglich möchte ich bis zum Campingplatz in Sonthofen gehen. Dann spare ich mir eine Wildcamping-Nacht. Das ist nur ziemlich lang und es sind sehr viele Höhenmeter. Ab mittags soll es regnen. Das wäre dann blöd auf dem Grat. Es gibt aber immer wieder Wege, wo ich schon eher ins Tal absteigen kann. Also werde ich sehr früh losgehen und schauen, wie weit ich auf dem Grat im Trockenen komme. Insgesamt wird es wohl laut Hüttenwirt eine 9 bis 10 Stunden Tour.
Ich packe schonmal alles soweit zusammen, dass ich morgen früh niemanden wecke und stelle meinen Wecker auf 6 Uhr.
Sabine Gerken
Wir wünschen Dir eine tolle Wanderung mit hoffentlich wenig Regen. Sind in Gedanken bei Dir und erfreuen uns jeden Tag an Deinen Berichten. Passe bitte gut auf Dich auf und genieße die Zeit.
Ganz liebe Grüße aus der Heimat von Sabine und Reinhard
Andrea Ackerl
Ich könnte Stundenlange deine Wandertagebuch lesen!! Bin auch sehr viel zu Fuß unterwegs! Voriges Jahr das erstemal alleine, das war echt einte tolle Erfahrung, nur Zelt hatte ich keines dabei, das trau ich mir nicht ganz zu!! Ich möchte vom Neusiedersee bis zum Bodensee gehen, und heuer bin ich von Rust nach Bruck an der Mur gegangen. Im nächsten Jahr geht es dann in Bruck an der Mur weiter, da begleitet mich dann mein lieber Mann!
Wünsch dir noch alles, alles Gute und vorallem ein schönes Wetter!! Freu mich jeden Tag von dir zu lesen
Ganz liebe Grüße aus der Steiermark von Andrea Ackerl
Sven
Dein Lachen an den Gipfelkreuzen ist einfach nur ansteckend. Es ist wunderbar zu lesen wie du dich auf die Gipfel trotz oder vielleicht gerade wegen der Anstrengung freust. Viel Spaß dabei.