Da dachte ich, ich hätte das Loch in meiner Luftmatratze gestern Abend gefunden und geflickt, aber heute Morgen liege ich wieder fast auf dem Boden. Sie ist nicht ganz platt, aber da muss ich wohl nochmal auf die Suche gehen.

Ich bin früh wach, bleibe aber noch ein bisschen liegen. Es ist so schön warm und gemütlich im Schlafsack. Meine Klamotten von gestern sind noch feucht und kalt und draußen ist alles nass. Inzwischen hat es aber aufgehört zu regnen.

Ich koche Tee und schreibe noch ein bisschen. Dann packe ich zusammen, bezahle und mache mich auf den Weg. So richtig begeistert bin ich nicht. Ich habe immer noch keinen Plan, wie ich das heute Nacht machen soll. Ich vertraue darauf, dass es immer irgendeine Lösung gibt. Mal schauen, wie weit ich überhaupt komme heute.

Erstmal geht es durch Sonthofen. Beim Bäcker hole ich mir eine Frischkäse-Schnittlauch-Brezel. Das schmeckt. Frühstück beim Gehen. Über die Ostrach und dann endlich weg von den Straßen. Ich folge einem Waldweg und komme an der Ruine Fluhenstein vorbei. Viel sieht man aber nicht von der Ruine hinter den Bäumen. Dann geht es über Wiesen und in Walten wieder auf die Straße. Hier fahren aber kaum Autos.

Inzwischen hat die Sonne die Wolken vertrieben und es ist richtig warm. Ich ziehe ein paar Lagen aus und gehe in kurzer Hose und Top weiter. Immer der Straße nach, immer weiter nach oben. Zwischendurch an vereinzelten Häusern und Höfen vorbei.

Laut Karte könnte ich auch ein paar Serpentinen durch den Wald abkürzen. Aber ich bin gerade ganz zufrieden damit, so vor mich hinzutrotten. Als die Straße endet, habe ich schon die ersten 500 Höhenmeter hinter mir.

Nun geht es in den Wald Richtung Tiefenbacher Eck. Über einen sehr wurzeligen Weg, durch eine Schneise zwischen den Bäumen. Es gibt keine Kehren, man läuft einfach gerade die Flanke hoch. Irgendwann wird es dann ein schmaler Pfad, der nicht mehr ganz so steil ist.

Und hier soll ein Gipfel sein? Das Tiefenbacher Eck auf 1.525 Meter Höhe liegt mitten in Wald und man hat keine Aussicht. Ein Gipfel-Foto gibt es natürlich trotzdem.

Weiter geht es den Pfad entlang. Ein bisschen hoch und runter. Dann über eine sehr sumpfige Wiese. Das erinnert mich an so manchen Tag in Norwegen. Ich habe schnell nasse Füße. Am Waldrand repariert ein Mann den Zaun. Er ruft mir zu, was ich denn da für Zeug dabei hätte. Er meint wahrscheinlich meinen großen Rucksack. Naja, mein Zelt und so. Ob ich da oben schlafen wollte, fragt er. Ne, ich gehe Richtung Pfronten. Ich erzähle ihm, dass ich den Maximiliansweg gehe. Er zeigt mir einen Daumen hoch und meint, ich wäre heute die erste, die hier vorbeikommt. Dann arbeitet er weiter.

Es geht noch ein kleines Stück durch den Wald, dann wieder ins Freie. Der Baoleskopf auf
1.569 Metern ist ein ganz unscheinbarer Gipfel. Hätte ich jetzt nicht als solchen erkannt. Gegenüber habe ich einen guten Blick auf mein nächstes Zwischenziel. Da sieht es schön sonnig aus oben und gibt bestimmt auch ein Gipfelkreuz.

In engen Kehren gehe ich bergab durch den Wald, dann auf einer Schotterstraße weiter. Vor einer Holzscheune kann ich mein Wasser auffüllen. Meine Beine sind schon wieder müde, aber ich mache nicht lange Pause. Es wäre schon schön, möglichst weit Richtung Pfronten zu kommen.

Weiter geht es über die nächste sumpfige Wiese. Und dann liegen vor mir diese Holzplanken. Das erinnert mich noch mehr an Norwegen. Eine ganze Weile kann ich so trockenen Fußes weitergehen. Ich rutsche nur einmal ab.

Irgendwann gibt es nur noch einzelne Planken und der Weg dahin und wieder runter ist so matschig, dass es sich nicht lohnt, die Planken zu benutzen. Da mache ich einen großen Bogen drumherum und suche mir Grasbüschel zum Drauftreten.

Ich überlege, ob ich wirklich auf den Gipfel steige oder den Weg drumherum nehme. Aber viele Höhenmeter sind das nicht mehr. Und es ist kein Umweg, da ein Weg dahinter weiter führt. Also gut, ich überrede meine müden Füße weiterzugehen. Erst noch ein paar matschige Kehren die Wiese hinauf und dann leichte Kletterei über Wurzeln und Felsen. Es kommt mir gerade richtig anstrengend vor und ich bleibe immer wieder kurz stehen.

Am Gipfel ist ganz schön was los. Kein Wunder bei dem Wetter. Nicht mal hier oben muss ich eine Jacke überziehen. Es ist fast windstill. Da bin ich doch froh, auch den Spieser mit 1.651 Metern noch mitgenommen zu haben.

Ich mache ein bisschen Pause und esse einen Riegel und ein paar Nüsse. Dann geht es weiter. Ich könnte auch einfach noch 2 Stunden hier in der Sonne sitzen.

Beim Abstieg beobachte ich einen Gleitschirmflieger, der vom Grashügel ein Stück weiter startet.

Der Weg nach unten ist anstrengend und ziemlich blöd. Es ist überall so matschig und rutschig. Ich rutsche einige Male weg, kann mich aber immer auf den Beinen halten. Das letzte Stück nach Obergschwend geht es die Skipiste parallel zum Lift runter. Hier könnte man sich auch einfach Skier unterschnallen und über den Matsch rutschen. Dann würde man sehr viel bequemer unten ankommen. Der Hang will einfach kein Ende nehmen. Und gerade als ich mich freue, dass doch ein Ende in Sicht ist, rutsche ich mit beiden Füßen nach vorne weg und lande auf meinem Hintern. Das ist nass und jetzt bin ich endgültig eingesaut. Bisher waren nur meine Beine sehr besprenkelt.

Ich gehe parallel zur Straße durch den Wald bis nach Unterjoch. Dort komme ich an der Schlemmerbox vorbei. Ein Automat der Schönegger Käse-Alm. Ich schaue nach, was es so gibt und freue mich, dass es neben Käse und Wurst auch Schüttelbrot gibt. Das mag ich total gerne. Das knurspel ich nun auf dem Weg. Erstmal geht es wieder eine wenig befahrene Straße entlang. Da kann ich entspannt beim Laufen essen.

Für 280 € die Nacht hätte ich im Wellnesshotel in Rehbach übernachten können. Das war nicht so ganz in meinem Budget. Also gehe ich jetzt dran vorbei und durch den Wald hinab ins Vilstal. Ich hatte gedacht, dass ich hier unten irgendwo draußen schlafen kann. Aber der Wald ist nicht so dicht, da kann ich mich nicht gut verstecken. Außerdem stand oben ein Schild, dass hier Landschaftsschutzgebiet ist. Und Zelten verboten ist.

Die nächsten 10 Kilometer folge ich jetzt der Schotterstraße. Das zieht sich. Neben mir der Fluss, rechts und links steile Hänge. Keine guten Plätze zum Schlafen. Was mache ich denn jetzt? Das monotone Gehen auf dem harten und ebenen Untergrund ist Gift für meine sowieso schon müden Füße. Sie tun irgendwann einfach nur noch weh.

Beim Gehen prüfe ich Übernachtungsmöglichkeiten in Pfronten. Dann könnte ich dieses Talstück wenigstens heute hinter mich bringen und hätte das nicht noch für morgen früh vor mir. Ganz so günstig wird das dann nicht, es gibt kein Hostel und keinen Campingplatz. Aber ich finde eine Pension für 70 €. Na gut, dann buche ich die jetzt eben. Da ist plötzlich der Empfang weg. Also umdrehen und wieder zurückgehen, damit ich die Buchung wenigstens abschließen kann. Wäre das geklärt.

Jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen und nicht schlapp machen. Irgendwann habe ich wieder Empfang und telefoniere mit Mama. Sie unterhält mich und ich verziehe vor Schmerzen nur zwischendurch still das Gesicht. Die ersten Häuser kommen in Sicht. Und die Pension liegt praktischerweise direkt am Weg.

Geschafft! Ich rufe die Nummer an der Tür an, um den Code für die Schlüsselbox zu bekommen und kann mein Zimmer direkt beziehen. Ich schaue mich kurz um und finde einen Kühlschrank mit Getränken zur Selbstbedienung. Ich nehme eine Flasche Apfelschorle mit aufs Zimmer. Dann ziehe ich die Schuhe aus und werde mich keinen Meter mehr bewegen. Auf dem Weg habe ich mir zwar ausgemalt, was ich alles schönes essen könnte, wenn ich schon in einem Ort bin. Der nächste Supermarkt ist aber etwas über einen Kilometer entfernt. Zu weit für mich. Ich könnte Pizza bestellen, aber bei den Lieferzeiten von über einer Stunde, habe ich Angst, dass ich bis dahin eingeschlafen bin. Ich bin einfach nur kaputt.

Ich stehe ewig unter der warmen Dusche. Die erste Dusche seit dem Start. Wobei das ja noch gar nicht so lange her ist. Aber es tut so gut. Kurzer Körper-Check: Meine Hüfte ist an beiden Seiten vorne ein bisschen blau, aber das kenne ich schon. Das kommt vom Hüftgurt meines Rucksacks. Das verschwindet nach der Wanderung wieder und tut nicht weiter weh. Ein paar Druckstellen an meinen Füßen. Nichts schlimmeres. Morgen früh wird es meinen Füßen wieder besser gehen. Meinen Plan, noch zu schreiben, verwerfe ich wieder, mir fallen die Augen zu. Da müsst ihr gerade leider ein bisschen länger warten auf meine Berichte bei den langen und anstrengenden Tagen.


31,2 km
7:55 h
1.216 hm
1.034 hm
1.636 m