Ich habe kaum geschlafen. Der Wind rüttelt ununterbrochen an meinem Zelt. Es steht stabil, aber trotzdem kann ich so nie gut schlafen. Ein bisschen Angst, dass es nicht hält, bleibt doch immer. Und es ist laut. Der Wind hat gedreht und die Felswand hinter mir schützt mich nicht mehr so gut vor den Böen. Ich habe gestern Abend spät noch meinen Rucksack soweit gepackt, dass nichts herumliegt, was wegfliegen könnte und dass ich schneller bin, falls ich abbauen muss. Dann habe ich mir den Schlafsack über den Kopf gezogen, als ob er mich beschützen könnte. Ich höre mein Hörspiel, nicke ein, bin wieder wach. So geht das die ganze Nacht. Ich schaue auf die Uhr, es ist halb 5. Nicht mehr lange, dann sollte es hell werden. Dann kann ich endlich losgehen.

Ich packe zusammen, ziehe mich warm an und stelle mich auf einen ungemütlichen Abstieg ein. Um kurz nach 6 Uhr starte ich. Die Sonne geht gleich auf und der Himmel sieht fantastisch aus.

Da ich gestern noch so weit gegangen bin, habe ich heute nur 20 Kilometer vor mir. Ich freue mich schon auf meinen Pausentag morgen. Und auf mein Versorgungspaket. Auch wenn ich das Essen darin eigentlich nicht mehr sehen kann. Nur das Knäcke- und Schüttelbrot und die dunkle Schokolade überleben inzwischen immer nur die ersten paar Tage, da kann ich mich nicht mehr zurückhalten.

Ich folge dem Pfad oberhalb des Buntadalen am Hang entlang. Zwischendurch ist es sumpfig, aber sonst gut zu gehen. Hier wundere ich mich, dass der Weg quasi mitten durch den See führt. Aber es gibt genug Steine und Grasbüschel, dass ich mit fast trockenen Füßen rüberkomme.

Hinter mir kommt eine dichte Wolkenfront auf mich zu. Hoffentlich ist sie langsamer als ich. Sie verfolgt mich immer weiter, bleibt aber hinter mir.

Der Wind ist schrecklich. Viel schlimmer als die letzten Tage. Er macht es gefühlt nochmal 10 Grad kälter. Meine Nase läuft ununterbrochen und ich muss die ganze Zeit in Bewegung bleiben, um nicht auszukühlen. Ich ziehe mir meinen Buff über Nase und Wangen und verstecke meine Hände mit Handschuhen noch in meinen Ärmeln.

Irgendwann wird es nebelig und zu dem Wind sehe ich jetzt auch nicht mehr viel. Der eisige Wind macht mir echt zu schaffen und ich mache mir Gedanken über den Weiterweg über die Hochebene der Finnmarksvidda, wo es garantiert nicht weniger windig ist. Tagsüber ist es blöd und unangenehm, aber nachts bekomme ich dann kaum Schlaf in meinem Zelt.

Der Nebel kommt und geht. Heute kann ich es kaum abwarten, endlich in den Wald zu kommen. Dort wird es nicht so windig sein. Ich freue mich, als ich im Nebel ein paar Bäume entdecke. Das sind aber auch erstmal die Einzigen und es geht weiter über die offene Fläche.

Da kommt neue Hoffnung auf, noch ein paar Bäume. Aber leider immer noch kein Wald.

Erst noch ein ganzes Stück weiter, kommt endlich der bunte Wald in Sicht. Und gleich ist es viel angenehmer. Der Wind ist verschwunden und ich nehme Kapuze und Mütze ab. Tut das gut, wenn mal ein bisschen Luft an den Kopf kommt. Da ich in letzter Zeit eigentlich ununterbrochen meine Mütze aufhabe, egal ob tagsüber oder nachts, ist das gerade ein ganz besonders tolles Gefühl, diese abzunehmen.

Hier habe ich jetzt auch Zeit für die 2.500er-Zelebration. Die 2.500 Kilometer habe ich vorhin im Nebel erreicht. Da darf natürlich ein besonderes Foto nicht fehlen. Ich überlege schon den ganzen Weg, was ich dieses Mal benutze. Bis ich im Wald dann wieder so viele Krähenbeeren sehe. Das ist perfekt.

Ich kann es selber gar nicht glauben, dass ich jetzt schon soweit nördlich bin. Das Reisadalen war in meiner Planung schon immer ein großer Meilenstein und jetzt habe ich diesen erreicht und stehe tatsächlich hier. Unglaublich!

Nachdem ich die Beeren natürlich noch verputzt habe, steige ich durch den Wald weiter ab. Ich komme an diesem Wegweiser vorbei. Und da es gerade erst kurz nach 10 Uhr ist, beschließe ich, dem oberen Sarafossen einen Besuch abzustatten.

Es geht ein kleines Stück den Berg hinauf und ich klettere über ein paar Felsen. Bis ich den Wasserfall sehen kann. Zwischen zwei großen Felsblöcken schießt das Wasser in die Tiefe.

Ich gehe wieder zurück und steige jetzt das restliche Stück durch den Wald ab ins Tal. Auf dem Weg komme ich an einer Stelle vorbei, wo ich von unten einen super Blick auf den Wasserfall habe. Da ganz oben habe ich vorhin noch gestanden.

Nach links blicke ich in die tiefe Schlucht. Das ist echt gigantisch.

Noch ein paar letzte Kehren durch den Wald und dann stehe ich an der Straße. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu meiner Pausen-Unterkunft. Auf dem Weg komme ich laut Karte noch an einer offenen Hütte vorbei. Ich wundere mich, dass sie gar nicht ausgeschildert ist. Ich gehe die Einfahrt entlang, aber stehe vor einem verschlossenen Haus, das eher wie ein Wohnhaus aussieht. Da stimmt die Karte wohl nicht mehr. Etwas weiter sehe ich dann ein Schild „Saraelv“ und eine neue, ganz moderne Hütte. Drumherum sieht es noch nach Baustelle aus.

Ich biege rechts ab und folge der Schotterstraße weiter bis Ovi Raishiin. Hier stehen einige kleine Hütten und es gibt viele Informationstafeln. Es ist ein Besucherzentrum des Nationalparks, wo Veranstaltungen stattfinden. Außerdem werden Hütten vermietet, die man aber vorher buchen muss. Man braucht einen speziellen Code für die Tür, hier passt der DNT-Schlüssel nicht.

Als ich ankomme und mich gerade umschaue, wo ich hin muss, kommt mir ein norwegisches Mädel mit ihrem Husky entgegen. Ob ich die deutsche Norge på langs Wanderin wäre. Sie und ihre Freundin schlafen in der Nordkalottstua und sie soll mir die Hütte gegenüber aufschließen, die Sarastua.

In der kleinen Hütte steht auch schon mein Versorgungspaket bereit. Das hat ja wieder super geklappt. Danke ans Team des Halti Nationalsparks!

Es ist gerade erst 12 Uhr und ich freue mich, dass ich den Rest des Tages und morgen die Füße hochlegen kann. Ich sitze mit Stine und Marianne auf der Terrasse und wir unterhalten uns über die Wanderung. Sie gehen in Etappen zum Nordkapp. Dieses Jahr vom Altevatnet bis Alta.

Ich schaue mich auf dem Gelände um und entdecke noch ein paar urige Holzhütten, die mir gut gefallen.

Es gibt 2 Wasserhähne, allerdings tröpfeln sie nachmittags nur noch. Also schnappe ich mir einen großen Topf und gehe runter zum Fluss. Dann gibt es noch ein bisschen Krafttraining, den vollen Topf die 50 Höhenmeter wieder hinauf zur Hütte zu tragen.

Abends klopft Stine nochmal bei mir und hält mir einen Teller mit Pfannkuchen hin. Die beiden wären schon satt und ich könne den Rest haben. Es sind bestimmt noch 6 Pfannkuchen und ich bekomme auch noch Erdbeermarmelade dazu. Ich schwebe im Himmel und freue mich sehr! Grinsen muss ich bei der Anmerkung, dass es Vollkorn-Pfannkuchen seien und etwas gesünder. Sie können ja nicht wissen, dass ich Zuhause ausschließlich Vollkornmehl verwende und das sehr lecker finde.


19,2 km
4:35 h
342 hm
1.008 hm
832 m