Heute gehe ich noch später los. Ich schreibe morgens erst noch ein bisschen. Mir ist nach einem ganz entspannten Morgen. Heute Nacht hat es immer wieder geregnet, aber jetzt ist es trocken. Gegen kurz nach 10 Uhr bin ich dann bereit. Ich gehe über die Brücke und muss erstmal noch knapp 3 Kilometer der Straße folgen.

Unterwegs esse ich einen der Äpfel. Ihr glaubt gar nicht, wie gut es ist, in einen knackigen und saftigen Apfel zu beißen, wenn man so lange überwiegend getrocknete Sachen isst. Da werden ganz normale Sachen zum Luxus und ganz besonderen Erlebnis.

Die Straße wird zur Schotterstraße und ist schließlich nur noch eine erdige und steinige Spur. Es geht ein paar Kurven steil den Berg hoch. Über mir ist sogar ein bisschen blauer Himmel zu sehen.

Wenn die Bäume jetzt noch ihre herbstlich bunten Blätter hätten, wäre der Blick zurück bestimmt sehr viel schöner. Jetzt sieht alles so dunkel und trist aus.

Der Wanderweg führt viel weiter östlich her, aber ich kürze ein bisschen ab und folge den Quad-Spuren am See Miesejávri nach Norden. Mein Plan ist, in 2 Tagen an der Bojobæskihytta zu sein. Das ist die letzte Hütte auf meinem Weg. Ich komme gut voran auf der breiten Spur, allerdings ist es nicht besonders spannend. Und zwischendurch werde ich dann doch durch Sumpf und Matsch ausgebremst und muss mir einen Weg über den aufgeweichten Boden suchen. Neben der Spur im Gras zu gehen funktioniert nicht, da es dort noch sehr viel sumpfiger ist. Aber zumindest bleiben meine Füße trocken, ich habe wieder meine Zauber-Socken an.

Dann ist der Weg wieder trocken. Um mich herum das weitläufige Fjell. Diese offene Weite ist immer wieder faszinierend. Meinen Weg kann ich teilweise schon kilometerweit vor mir sehen.

Bei dieser kargen Landschaft ist es schon ein richtiger Höhepunkt an einem blau leuchtenden See entlangzulaufen.

Es ist relativ windstill und ich genieße das schöne Wetter. Eigentlich habe ich gar keine Lust, heute wieder so lange zu laufen. Ich schaue nochmal auf die Karte und schmiede einen neuen Plan. Ich habe nämlich richtig Lust, mein Zelt früh aufzubauen und mal wieder draußen zu sitzen zum Essen und die Sonne zu genießen. Ich komme ungefähr 12 Kilometer vor der Hütte noch an einer bewirtschafteten Hütte vorbei. Die hatte ich eigentlich auch immer eingeplant, wollte sie aber jetzt irgendwie auslassen. Ich frage mich, wieso eigentlich. Ich rufe dort an, um für morgen ein Bett zu reservieren und nach Abendessen zu fragen. Da die Saison vorbei ist, will ich mich lieber vorher ankündigen. Ich erreiche allerdings niemanden. Also schreibe ich eine Mail. Mein neues Ziel für morgen steht fest, was heißt, dass ich heute und morgen jeweils ganz entspannte 22 Kilometer gehen kann. Das sorgt für einen richtigen Glücksflash. Ich bin jetzt schon so häufig eher 30 Kilometer gelaufen, dass mir das plötzlich so kurz vorkommt. Richtig gut gelaunt gehe ich weiter. Die Sonne freut sich mit mir und verscheucht immer mehr Wolken.

Wieder durchquere ich hier das Land der Rentiere. Es sind noch viel mehr als gestern. Ich mag die Tiere und es ist inzwischen schon komisch, wenn ich mal ein paar Tage keine sehe.

Ich folge immer weiter den Quad-Spuren. Und weiter. Und noch weiter. Meine Umgebung ändert sich nicht groß. Nur mein Schatten wird schon um 15 Uhr immer länger.

Wenn ich mir den Himmel so anschaue, dann könnte das heute Nacht ja vielleicht tatsächlich nochmal was werden mit den Polarlichtern. Ich bin gespannt. Da unten kommt schon der See Duottar-Virdnejávri in Sicht. Den hatte ich mir auf der Karte als Schlafplatz ausgeguckt.

Am südlichen Ufer steht eine kleine Hütte, es ist aber niemand da. Ich quere noch einen Bach und schlage mein Zelt auf der anderen Seite auf. Ein richtig schöner Platz bei super Wetter. So hatte ich mir das vorgestellt.

Ich breite meine Sachen zum Trocknen aus und koche. Eine Weile kann ich noch draußen sitzen und die Sonne genießen. Aber gegen 17 Uhr wird es mir dann doch zu kalt. Die Sonne hat nicht mehr genug Kraft.

Also verziehe ich mich zum Essen schon in meinen warmen Schlafsack. Ich lasse das Außenzelt aber zu beiden Seiten offen, dass ich einen guten Blick habe. Jetzt muss ich es nur noch schaffen, wach zu bleiben. Also gibt es zum Nachtisch noch eine Mousee au Chocolat und dann schaue ich auf dem Handy einen Film.

Ich schaue immer wieder raus. Der Sternenhimmel ist gigantisch. Es sieht so aus, als wäre die Milchstraße genau über mir. Und um diesem herrlichen Tag noch den letzten Schliff zu geben, zeigen sich gegen 23 Uhr auch grüne Schleier am Himmel. Ich kann sie zu beiden Seiten aus meinem Zelt beobachten, wie sie immer stärker werden. Die Schleier tanzen über den Himmel. Außerirdisch und faszinierend! Eine Weile starre ich nach oben. Dieses Mal zieht das Grün sich von Nordwesten aus in einem Streifen ganz über mich, bis es im Süden auf den Horizont trifft. Ich schnappe mir meine Kamera und mache zig Fotos. Mit Offenblende, ISO 3.200 und 2 Sekunden Belichtungszeit funktioniert es gut. Wenn ich länger belichte, sind die Sterne schon Striche und keine Punkte mehr. Ich stelle die Kamera auf mein kleines Stativ und stelle den Selbstauslöser auf 2 Sekunden, damit ich auch beim Auslösen nichts verwackele. Dass die Nordlichter und die Sterne sich in dem See spiegeln, sieht besonders gut aus. Ich bin überglücklich, als ich mich um halb 12 schlafen lege.


21,8 km
4:40 h
504 hm
319 hm
574 m