Die Wettervorhersage sieht morgens nicht besser aus. So wird das wohl nichts, dass ich auf direktem Weg zum Kinnarodden gehe. Ich möchte weder im Sturm über Geröllfelder gehen, noch mich auf eine Steilklippe stellen. Aber erstmal muss ich jetzt entscheiden, was ich heute mache. Am See Reinoksevann gibt es noch eine offene Schutzhütte. Und Vidar schreibt mir, dass es im Tal kurz vor Hopseidet eine Sami Hütte gibt, wo ich mein Zelt hinter aufstellen könnte. Ansonsten nichts bis Mehamn. Aber so habe ich ja zwei Optionen.

Ich hatte Vidar auch gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, vom Kinnarodden per Boot nach Mehamn zu kommen. Das wäre doch auch ein schöner Abschluss, wenn ich angekommen bin. Ich würde mir 2 Tage Steinwüste sparen und bräuchte nicht so ein langes Zeitfenster mit gutem Wetter. Aber er hat seine Boote alle schon eingelagert für den Winter. Sonst wäre das tatsächlich eine Möglichkeit gewesen, dass er mich am nördlichsten Punkt abholt.

Es schüttet und ich möchte am liebsten einfach in meinem Schlafsack liegen bleiben. Die Aufregung und Vorfreude, die ich gestern noch verspürt habe, hat einen kleinen Dämpfer bekommen. Aber ich bin froh, dass ich genügend Puffertage habe, um den Sturm abzuwarten und dann erst zum Kinnarodden zu gehen. Das wird schon alles, sage ich mir.

Ich baue mein Zelt im Regen ab und mache mich auf den Weg. Es ist nass und windig, richtig ungemütlich. Ich schaue mich nochmal im Hellen um. Vor dem Parkplatz gibt es eine Schranke und ein Schild mit den Uhrzeiten für die Kolonne-Fahrten im Winter. Ich hatte vorher schon gelesen, dass die Straße bei viel Schnee häufig auch ganz gesperrt ist.

Die Straße führt nun nicht weiter an der Küste entlang, sondern durch die Berge. Ich stapfe im Regen über den Asphalt des Nordkynvegen.

Es gäbe auch nochmal eine Abkürzung zur Straße, aber oben auf dem Berg sieht es ziemlich nebelig aus. Und die Straße ist wahrscheinlich ein bisschen windgeschützter. Es geht 200 Höhenmeter hinauf und dann ohne große Höhenunterschiede um den Beahkkirrášša herum. Es sind noch weniger Autos als gestern unterwegs. Aber wieder hauptsächlich LKWs.

Die Straße führt noch ein bisschen weiter aufwärts und ich habe nach links einen schönen Blick ins Torskefjorddalen. Leider bemerke ich den Wassertropfen auf der Linse erst später.

Ich komme an einer kleinen Aussichtsplattform vorbei. Meine Pause fällt aber sehr kurz aus, es ist einfach zu kalt ohne Bewegung mit dem Wind. Und der Wassertropfen ist immer noch da.

Zwischendurch hört es auf zu regnen und ich kann sogar kurz ein bisschen blauen Himmel sehen. Vor mir zieht es aber schnell wieder zu. Hinter mir bleibt das blaue Loch eine Weile.

Ich komme zum Reinoksevann, wo es einen kleinen Parkplatz gibt und die offene Schutzhütte. Ich hatte unterwegs schon gehofft, dass es hier auch einen beheizten Raum gibt. Das ist ja nicht unüblich in diesem Land, dass die Toilette im Nirgendwo beheizt ist. Aber es gibt gar keinen geschlossenen Raum. Das moderne Holzgebilde ist wortwörtlich ziemlich offen. Ich überlege, ob ich noch weitergehe. Aber mir ist echt kalt und ich freue mich auf was warmes zu Essen und meinen Schlafsack. Und meine Beine waren den ganzen Tag schon ziemlich schwer.

Ich suche mir einen Platz hinter der Wand, die am meisten Wind abhält und baue mein Zelt mit Steinen auf dem Holzboden auf. Das funktioniert echt gut. Die Steine sind schwer genug, dass das super hält. Ich muss allerdings immer wieder kurz eine Pause machen, da meine Finger bald so kalt sind, dass ich nicht mal mehr Knoten machen kann. Nach einer gefühlten Ewigkeit steht dann alles.

Ich hole Wasser im See und ziehe dann schnell meine nassen Klamotten aus. Bevor ich weiter irgendetwas mache, sitze ich bestimmt eine halbe Stunde einfach nur im Schlafsack und bewege meine Finger und versuche aufzutauen. Dann koche ich Tee und esse. Es regnet, dann schneit es, das Wetter kann sich nicht so recht entscheiden. Der Wind kommt jetzt irgendwie aus allen Richtungen und rüttelt doch immer wieder an meinem Zelt. Die Böen kommen aus dem Nichts, ich höre sie vorher gar nicht, dann klatschen sie mit voller Wucht gegen das Zelt.

Ich rufe das Wetter mit meinem Satellitengerät ab. Empfang habe ich keinen. Morgen soll der Wind ab 17 Uhr seinen Höhepunkt erreichen mit 23 Metern pro Sekunde. Da will ich ein festes Dach über dem Kopf haben. Bei der Kälte und mit meinen nassen Sachen halte ich nicht noch eine stürmische Nacht im Zelt aus. Mir wird jetzt schon nur ganz langsam etwas wärmer und ich fröstele noch. Dazu muss ich es bis nach Mehamn schaffen. Das sind allerdings noch knapp 50 Kilometer. Dann muss ich eben früh losgehen…


21,0 km
4:00 h
496 hm
214 hm
321 m