Puh, was für ein Tag! Endlich Wanderwege? Naja! Ich starte um halb 10 und bin erst abends um 8 Uhr am Ziel. Fast 9 Stunden Gehzeit für nur 22 Kilometer.

Morgens ist es noch ziemlich frisch. Und heute sind Wolken und abends Regen angesagt. Perfektes Wetter für meine juckenden Hände. Da aber gleich ein paar Höhenmeter anstehen, wird mir schnell warm. Alles gepackt? Dann geht’s los.

Den Pfad, der auf der Karte eingezeichnet ist, kann ich nicht finden. Also stapfe ich mal wieder einfach drauf los. Am Bach entlang und rüber. Schön ist es hier.

Ich denke immer, dass bald ja ein Pfad zu sehen sein müsste. Es kommen nämlich zwischendurch verschiedene Wege zusammen auf der Karte oder der Weg teilt sich. Aber Fehlanzeige. Ich schaue mir häufig meine Position auf der Offlinekarte auf meinem Handy an, um einigermaßen auf dem angeblichen Weg zu bleiben. Es geht durch schmatzenden Sumpf, durch Wald und als ich höher komme über Felsen. Da lässt es sich besser gehen. Ich komme an ein paar Resten Schnee vorbei. Der ist bestimmt nicht nicht lange geschmolzen hier oben. Wahrscheinlich ist es deswegen so nass und sumpfig.

Auf meiner Karte ist der „Weg“ als Wanderweg AUS21 gekennzeichnet. Aber erst als ich über die Hochebene mit den Felsen rüber bin, kann ich zwischendurch einen Pfad erahnen. Es geht durch den Wald steil bergab und zwischendurch hängen pinke Plastikschnüre an den Bäumen, die wohl den Weg anzeigen. Allerdings in einem ziemlich großen Abstand. Und es sind einige Bäume umgekippt, was die Suche noch erschwert. Es dauert ewig, ein paar Schritte gehen, stehenbleiben, einen möglichen Weg suchen, doch die Böschung wieder ein Stück hochklettern, einen anderen Weg ausprobieren. Unten am See angekommen, folgt der nächste große Sumpf. Mich wundert immer wieder, dass hier mitten im Nirgendwo zwischendurch kleine Hütten stehen. Selbst da führt kein Weg hin, da muss man sich schon auskennen. Auf der Sumpfwiese verliere ich den Weg komplett. Dann wieder durch Gestrüpp und Wald mit vereinzelten pinken Schnüren oder blassen roten Markierungen auf Steinen. Nach 4,5 Stunden Gehzeit habe ich gerade mal 10 Kilometer geschafft. Und so langsam habe ich keine Lust mehr. Das hatte ich mir anders vorgestellt heute mit den Wanderwegen.

Die Aussicht ist aber schön, immer wenn ich wieder einen Anstieg hinter mir habe. Auf schneebefleckte Berge, Felswände und riesige Seen. Hier mache ich dann erstmal Pause und stärke mich mit dem restlichen Kartoffelpürree mit Bohnen und Lauch von gestern Abend. Das schmeckt auch kalt gut.

Ich arbeite mich langsam zu der Stelle vor, wo ich mir sicher bin, dass der Weg ab da besser markiert ist. Oder jedenfalls wünsche ich es mir! Da kommt nämlich der Weg AUS21A mit meinem zusammen. Wobei die Stelle spannend wird, da ich nicht weiß, ob man den Fluss furten muss oder es eine Brücke gibt. Bis dahin dauert es aber immer noch, ich komme einfach nicht vorwärts hier. Einmal rutscht mein Fuß in ein Erdloch. Mein anderes Knie landet weich gepolstert auf Moos und ich rutsche zum Glück nur bis zum Knie hinein. Dass ich den ganzen Tag über keine Menschen treffe, brauche ich wohl nicht erwähnen bei diesem Weg.

Irgendwann bin ich an dem Fluss angekommen, wo es rüber geht. An ein paar kleinen Wasserfällen vorbei und noch etwas flussaufwärts ist die Stelle in der Karte markiert. Da ist definitiv keine Brücke in Sicht. Und auch nicht der Pfad aus der anderen Richtung, der auch hier rauskommen soll.

Okay, also das erste Mal furten. Das Wasser ist nicht tief, fließt aber ziemlich schnell. Ich hoffe, dass die Felsen nicht so rutschig sind. Ich suche eine geeignete Stelle und öffne alle Schnallen vom Rucksack, damit ich mich im Notfall schnell befreien kann. Dann geht’s rein ins Wasser, einen Schritt nach dem nächsten, immer 3 Punkte fest am Boden, Füße und Trekkingstöcke. Das Wasser geht mir nur bis zum Knöchel, hat aber eine unglaubliche Kraft. Mein Herz schlägt schneller, als ich auf einer großen Felsplatte ein winziges Stück weiterrutsche, obwohl ich mit beiden Füßen fest stehe. Ich bekomme Angst und drehe mich um. Ich stehe aber mitten in der Mitte, umzudrehen ist also nicht so sinnvoll. Das schwerste Stück habe ich fast geschafft. Ich merke, dass es einfacher geht, wenn ich bei einem Schritt den Fuß oder den Stock komplett aus dem Wasser hebe, damit es weniger Angriffsfläche gibt. Das Wasser spritzt so schon hoch bis zu meinen Oberschenkeln, wo ich fest stehe. Also den Fuß schnell hoch übers Wasser und dann auch schnell wieder abstellen, dass ich wieder einen festen Stand habe. Drüben angekommen, muss ich erstmal tief durchatmen. Merke, wo das Wasser so flach ist, ist nicht immer die beste Stelle zum Furten. Dann lieber etwas tiefer drinstehen, dafür weniger Strömung. Hier habe ich es schon geschafft. Auf dem Foto sieht es recht harmlos aus, das täuscht.

Auf der anderen Seite geht es weiter durch den Wald, an der Böschung entlang, durch Gestrüpp, links von mir der See. Und ich finde tatsächlich die erste „T“ Markierung, wenn auch ziemlich verblasst. Das ist die Wegmarkierung des DNT, des norwegischen Wandervereins. Ein ganzes Stück kann ich jetzt auch einem kleinen Pfad folgen. Wobei ich immer wieder einen kleinen Umweg gehen muss, da die Biber hier ganze Arbeit geleistet haben und so viele Bäume so weit abgenagt haben, dass sie umgekippt sind und mir den Weg versperren.


In Vestre Kile komme ich wieder an ein paar Häusern und Schuppen vorbei. Und finde einen gut sichtbaren Pfad, der sogar markiert ist mit roten Streifen an Bäumen oder auf Steinen. Über ganz sumpfige Stellen sind Bretter oder Paletten gelegt worden. So macht das schon mehr Spaß.

Meine Freude währt allerdings nicht allzu lange. Ich muss noch am See Grøssæ entlang. Wieder am Hang, rechts von mir das Wasser. Ein paar Mal verliere ich den Pfad und stehe ratlos da. Überall sind so viele umgekippte Bäume oder große Felsen, dass ich häufig ein bisschen rätseln muss, wo ich hergehen kann. Dann kann ich wieder dem Pfad folgen, muss aber über so viele Bäume drüber klettern oder auch unter den Stämmen hindurch kriechen, dass ich völlig vermackt und verdreckt bin. Och Mann, ich habe echt keine Lust mehr. Wenn das so weiter geht, dann komme ich vielleicht nächstes Jahr im Oktober im Norden an.

Nur noch den See entlang und dann müsste es aber wirklich besser gehen. Ich fiebere die ganze Zeit schon auf eine Kreuzung hin, wo tatsächlich die ersten Wanderwege des DNT hergehen. Das ist dann der Weg durchs Setesdal, auf dem auch die Hütten liegen. Der wird ja wohl besser markiert sein. Aber der Weg am See entlang zieht sich. Glücklicherweise finde ich am Ende eine Brücke vor und mir bleibt das Furten erspart.

Und dann storße ich tatsächlich auf die ersten Schilder. Juchhu! Mein Ziel ist die Nutevasshytta. Die Richtung aus der ich komme, ist auch ausgeschildert. Der Weg scheint aber nicht mehr viel genutzt zu werden. Naja, geschafft!

Ab jetzt ist der Weg tatsächlich super markiert. Alle paar Meter gibt es leuchtend rote Farbstriche oder „T“s an Bäumen und Felsen oder große Steinmännchen. Und auch der Pfad ist deutlich erkennbar. Sogar andere Fußstapfen sehe ich hier einige. Wobei „geschafft“ relativ ist, bis zur Hütte liegen immer noch 9 Kilometer vor mir. Aber ich bin wieder motiviert, hier gefällt es mir. Der Weg und die Landschaft. Und ich möchte unbedingt heute in meiner ersten norwegischen Hütte übernachten.

Der Weg führt zwar weiter durch Sumpf, aber wenn man der Markierung folgen kann, kommt man sehr viel besser voran. So muss man sich nur noch darauf konzentrieren, nicht zu sehr einzusinken. Viel gehe ich nun auch über große Felsplatten, über einen Bergrücken, mit super Aussicht nach links und rechts. Nur windig ist es hier oben. Und um 18 Uhr fängt es pünktlich an zu regnen. So wie vorhergesagt. Ich empfinde es aber als schöne Abkühlung. Durch die ganzen kurzen, aber recht steilen Anstiege, bin ich ziemlich verschwitzt. Ich überlege an einer trockenen Stelle im Wald mein Zelt aufzustellen, verwerfe den Gedanken aber wieder. Ich möchte zur Hütte. Und obwohl ich schon so lange unterwegs bin jetzt, sind meine Füße noch nicht müde. Das ist gut. Nur die Muskeln in meinen Beinen und Armen merke ich ein bisschen, von den ganzen Schritten große Felsstufen hoch und dem Abstützen mit den Stöcken im Sumpf.

Ich überlege schon, ob ich auf der Hütte wohl alleine bin oder noch jemanden treffe. Und dann sehe ich sie. Zuerst das Dach. Hütte in Sicht! Ich grinse zufrieden. Ich habe es tatsächlich geschafft!

Schon von weitem sehe ich Rauch aus dem Kamin aufsteigen. Dann ist auch jemand da. Ich setze mich erstmal unter dem Vordach auf die Bank und ziehe meine schlammigen Schuhe aus. Ich weiß nicht, was es hier für Regeln gibt, aber von den Hütten in den Alpen kenne ich es, dass man seine Schuhe immer draußen auszieht. Drinnen höre ich 2 Leute reden, auf deutsch. Es sind Markus und Els. Markus habe ich ja schon vor meinem Start in Lindesnes am Leuchtturm getroffen, sogar 2 mal. Er ist einen Tag vor mir gestartet. Und er geht schon ein paar Tagen mit Els zusammen, einer Belgierin. Ein Hüttenabend unter Norge på langs Läufern also.

Die Hütte ist klein und richtig gemütlich. Strom gibt es nicht. Durch den Holzofen in der Mitte des Raumes ist es muckelig warm. Darüber hänge ich meine Sachen zum Trocknen auf. Es gibt eine Gas-Kochplatte und die Küche ist mit allem an Töpfen und Geschirr ausgestattet, was man so braucht. Wasser holt man in zwei großen Eimern unten am See. Und hinter dem Haus gibt es noch einen Raum mit Plumpsklo. Außerdem gibt es einen Vorratsraum mit allen möglichen Konserven, Fertigessen, Knäckebrot und abgepackten Austrichen, die sich lange halten. Man trägt sich ins Hüttenprotokoll ein und bezahlt wenn man wieder Empfang hat über eine spezielle App, wo man auch direkt anklicken kann, was man aus der Speisekammer genommen hat. Das System gefällt mir. Nur leider gibt es sehr wenige Sachen ohne Fleisch. Da finde ich nur Kartoffelpürree und ein paar Tüten-Gemüsesuppen. Vegan zu essen kann man hier ganz vergessen.

Wir haben einen richtig gemütlichen Abend bei Kerzenschein.


22,5 km
8:40 h
832 hm
687 hm
917 m