Gut, dass ich den Zeltplatz hinter der Felswand gefunden habe. So konnte ich trotz Windböen gut schlafen. Ich habe gestern um 19 Uhr schon die Augen zugemacht und schlafe bis halb 5 durch. Draußen regnet es, als ich aufwache. Ich habe keine Eile loszukommen.

Um 9 Uhr liege ich immer noch so da. Es tut so gut, einfach zu liegen mit ausgestreckten Beinen. Ich döse vor mich hin und höre mein Hörspiel, was ganz schön spannend ist. Immer noch „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Die letzten paar Tage waren irgendwie anstrengender als 2 Wochen auf markierten Wegen zu wandern.

Um 11 Uhr mache ich mir was zu essen. Ich esse lieber bevor ich losgehe, da ich sonst im Regen sowieso keine Lust habe zu kochen in der Pause. Ich zähle und sortiere meine Essenspäckchen, es sind noch genügend da. Ich rechne aus, dass ich es in 8 Gehtagen bis zur Cunojávrihytta schaffen könnte. Dazu kommt bestimmt noch ein Pausentag. Oder sogar zwei, wenn ich nicht gleich mal losgehe. Nur der Weg von Hellmobotn nach Røysvatn macht mir noch etwas Sorgen. Die Wand hoch zum Sválasvágtjåhkkå sieht recht steil aus und um auf norwegischer Seite zu bleiben, könnte ich auch nicht auf den seichteren Grat auf der anderen Seite der Grenze ausweichen. Susanne und Anders sind 2018 über die schwedische Seite gegangen, da es ihnen zu steil war. Gunnar mit Frau und Kindern ist aber 2014 genau dort hoch, möglich sollte es also irgendwie sein. Aber das werde ich erst wissen, wenn ich davor stehe.

Kurz nach 12 Uhr – ich trinke Tee und fange an zu schreiben. Die letzten beiden Tage fehlen noch. Abends war ich zu müde.

Halb 2 – vielleicht sollte ich jetzt mal losgehen? So langsam bekomme ich Lust. Ich bin aber gerade so im Schreibfluss. Also schreibe ich noch weiter. Nur noch von gestern und dann gehe ich wirklich los. Mal sehen, wie weit ich es dann heute noch schaffe. Es geht zumindest nur das Tal hinab und nicht mehr hoch. Es hat aufgehört zu regnen und zwischendurch wird es warm im Zelt. Die Sonne schickt ein paar Strahlen.

Halb 5, wo ist die Zeit geblieben? Plötzlich ist es schon so spät. Aber ich bin fertig mit schreiben. Das dauert halt immer. Und ich bin auch froh, wenn das erledigt ist. Die Sonne ist wieder verschwunden und es regnet zwischendurch ein paar Tropfen. Gehe ich jetzt noch weiter? Erstmal den Wetterbericht abrufen, einmal am Tag ist es kostenlos über mein Satellitengerät. Das macht aber auch keinen Unterschied. Regen, Regen, Regen. Das ist alles, was ich sehe in den nächsten Tagen.

Vielleicht sollte ich aus dem Tag einen Pausentag machen und noch eine Nacht bleiben. Beim kurzen Weg zum Fluss, um neues Wasser zu holen, merke ich meine Beine schon wieder ziemlich. Ausgeruht und fit fühlt sich anders an. Aber Lust weiterzugehen habe ich schon. Also packe ich meine Sachen und mache das. Noch 4 Stunden bis zum Sonnenuntergang, da schaffe ich noch ein bisschen was.

Gerade als ich losgehen will, fängt es wieder stärker an zu regnen. Aber nicht lange. Nur windig ist es die ganze Zeit. Den Kompass kann ich erstmal in der Tasche lassen, da ich mich gut am Fluss orientieren kann. Es geht die ganze Zeit einfach dieses Tal hinab, das Ruonasvágge. In der Mitte fließt der Fluss Gihtsejåhkå, mal schmal, mal breit und mit einigen See nebendran. Rechts und links von mir jeweils eine Bergkette.

Wobei einfach nicht ganz stimmt. Das Tal hält einige Hindernisse bereit. Zuerst sind es diese langgezogenen Felskanten, die nach hinten hin immer höher werden. Da muss ich schon mal ein bisschen Zickzack laufen.

Nach 1,3 Kilometern mache ich eine kurze Pause. Die Zahl habe ich mir extra gemerkt, hier ist nämlich ein besonderer Punkt. Ich bin 2.000 Kilometer gewandert. Wahnsinn! Das heißt, das zwei Drittel des längsten Landes Europas geschafft sind.

Weiter geht’s, es ist ganz schön frisch. Zwischendurch regnet es immer wieder ein paar Tropfen, aber die meiste Zeit kann ich doch im Trockenen gehen. Über Felsen und um Seen und Flussarme herum. Die Wolkendecke reißt nochmal ein bisschen auf, das sieht gut aus.

Diese großen Felsen sind schon beeindruckend.

Die bunte Mischung an Hindernissen geht weiter. Bäche, Moor und glatte Felsen.

Zwischendurch wird es mal etwas flacher, dann gehe ich wieder zwischen höheren Felsbuckeln entlang.

Hinter mir thront der Muvrratjåhkkå. Keine Ahnung, wie man das ausspricht.

Es geht unterhalb des Langfjellets entlang, das Tal scheint gar kein Ende zu nehmen.

Vor mir liegt eine riesige Sumpf-Wiese. Ich gehe ein kleines Stück darüber, gehe dann aber lieber außen herum weiter.

Ich muss über zig kleine Bäche, aber sie sind alle mit einem Schritt, über Steine oder in seichtem Wasser zu queren. Auf der Karte ist ein Fluss eingezeichnet, den es irgendwie gar nicht gibt. Es ist auch nur ein schmaler Bach.

Dann wird es eine Zeit lang wieder grüner und teilweise geht mir das Gestrüpp bis zu den Knien. Über längere Zeit über diese grünen Buckel zu gehen ist ziemlich anstrengend. Entweder man macht immer einen Schritt runter und wieder hoch. Oder man macht lange Schritte oder springt von Hügel zu Hügel.

Dafür finde ich aber ganz viele reife Blaubeeren. So gut! Ich achte nicht so darauf, wohin ich laufe, weil ich nach unten schaue, um die dicksten Beeren direkt in meinem Mund verschwinden zu lassen. Bis ich plötzlich in hüfthohem Gestrüpp stehe. Naja, okay, dann den Blick lieber wieder nach oben.

Langweilig ist dieses Tal ja nicht. Die Landschaft ändert sich wieder ein bisschen und jetzt laufe ich über große, glatte Felsplatten. Sie sind ziemlich rutschig an einigen Stellen. Zweimal rutsche ich fast aus.

Dann werden die Felsrippen wieder höher und ich habe ein paar Mal etwas Probleme, da wieder herunterzukommen. Also gibt es doch noch ein paar Klettereinlagen. Es ist verlockend einfach die Felsen entlangzugehen. Nur geht man damit nicht das Tal hinab, sondern den Hang hinauf. Irgendwie eine optische Täuschung. Ich setze mich ein paar Mal auf den Hintern, um die glatten Felsen heile hinunterzukommen. Eine besonders rutschige Stelle rutsche ich auf dem Hintern runter, da habe ich sonst keinen Halt. Woanders setze ich mich auf die Kante, mache die Beine lang und rutsche langsam nach vorne, bis ich mit dem Fuß einen Tritt erreiche.

Inzwischen ist es 21 Uhr. Ich dachte, dass ich es eventuell noch näher zum Wanderweg schaffe, der hinunter nach Hellmobotn führt. Aber ich möchte mein Zelt aufstellen, solange es noch hell ist. Und ich finde auch kurze Zeit später die perfekte Stelle. Windgeschützt von 3 Seiten durch hohe Felsen. Zwar etwas uneben, aber mein kleines Zelt passt da genau hin. Erster Test, Halstuch nach oben halten, um zu schauen woher der Wind kommt. Von hinter den Felsen, Test bestanden. Dann ausprobieren, ob ich die Heringe in den Boden bekomme. Auch bestanden. Es folgt der Liegetest auf meiner dünnen Evazote-Matte. In der Mitte ist eine Kuhle, aber ich kann bequem darauf liegen. Darüber wird dann das Zelt aufgestellt. Ich muss zwar bei zwei Heringen doch ein bisschen improvisieren und einen zwischen Boden und Fels klemmen, aber am Ende steht das Zelt stabil. Es ist halb 10 und ich brauche zum Umziehen schon meine Stirnlampe, so düster ist es im Zelt. Was war das schön, als es noch die ganze Nacht hell war.


11,3 km
3:05 h
244 hm
363 hm
712 m