Oh Mann, letzte Nacht habe ich gar nicht gut geschlafen. Nur 2 Stunden oder so. Der Ausschlag auf meinen Händen wird jeden Tag schlimmer, obwohl keine Sonne da ist. Sonnenallergie wird es also doch nicht sein. Inzwischen sind es große Blasen und Quaddeln und juckt nicht mehr nur, sondern ist dick und druckempfindlich. Am schlimmsten wird es bei Wärme, also genau dann, wenn ich mich in meinen Schlafsack lege, um nicht zu frieren. Leider finde ich in Dalen übers Internet keine Apotheke. Hoffentlich muss ich nicht noch 5 Tage bis Rjukan warten, dass mir jemand helfen kann.

Da wir alle ziemlich zeitgleich startklar sind, gibt es heute ein Startfoto zu dritt.

Wie gut, dass wir uns gestern für diesen Pfad statt der Straße entschieden haben. Das ist doch wesentlich angenehmer zu gehen. Und obwohl er in der Karte nur gepunktet als unmarkierter Weg eingezeichnet ist, kann man ihn gut finden. Teilweise gibt es sogar eine blaue Markierung.

Wir folgen der Schotterstraße bis zum Ende und dann dem schmalen Pfad. Durch Felder von Blaubeeren, die leider alle erst in ein paar Monaten reif sind. Durch Gestrüpp und wie sollte es anders sein, durch Sumpf. Das sind wir ja inzwischen gewohnt. Immer entlang der Hochspannungsleitung, die über uns knistert. Am See Førsvatn vorbei und irgendwann wieder auf eine Schotterstraße. Mit Blick auf schneebedeckte Berge in der Ferne.

Den Rest des Tages gehen wir dann Straße. Zum Glück ist wieder nicht viel Verkehr. Und die Norweger fahren echt entspannt. Sie machen einen riesigen Bogen um uns, fahren super langsam an uns vorbei oder halten sogar ganz an, wenn es mit Gegenverkehr ein bisschen eng würde. In Deutschland rasen die Autos dann eher dicht neben einem vorbei. Allerdings zieht sich der Weg und auf Asphalt werden die Füße sehr viel schneller müde. Im Gänsemarsch trotten wir also am Fahrbahnrand entlang. Mal geht der eine vor, mal jemand anderes, dann ist zwischen uns wieder ein größerer Abstand. Mal quatschen wir, mal hängt jeder seinen eigenen Gedanken nach. Ich bringe Markus und Els unsere Familien-Wander-Version von „Stand Land Fluss“ bei und wir spielen beim Gehen ein paar Runden. Es ist super entspannt und lustig. Ich freue mich, die beiden getroffen zu haben.

Auf den letzten Kilometern warten auf uns dann noch einige Serpentinen den steilen Berg hinunter ins Tal. Und auf der anderen Seite haben wir die ganze Zeit einen guten Blick auf die andere, ebenso steile Seite, wo es morgen wieder hinauf geht. Der Ort Dalen ist ganz schön eingekesselt zwischen den Bergen.

Der Blick auf den riesigen See Bandak und die steil abfallenden Berge ist genial von den obersten Serpentinen aus. Links hinter den Bäumen liegt der Ort.

Ich habe schon den ganzen Tag meine im eisigen Wasser getränkten Halstücher um meine Hände gewickelt, um sie zu kühlen. Das hilft ganz gut. Und dass die Sonne sich nur mal kurz zeigt, kommt mir auch ganz gelegen. Als wir die Serpentinen nach einer gefühlten Ewigkeit endlich geschafft haben und unten in Dalen ankommen, geht es durch den Ort zum Campingplatz. Auf dem Weg kommen wir an einem Helsesenter vorbei. Els kann recht gut norwegisch und meint, dass sei ein Gesundheitszentrum, da könne ich mal fragen, ob sich jemand meine Hände anschauen kann. Gut, dass es erst halb 2 ist und noch alles geöffnet hat. Ich gehe also rein und stehe eher in einer Art Reha-Einrichtung oder so. In einem Gang mit Büros finde ich eine Frau, die ein bisschen Englisch spricht. Sie schickt mich ins Nebengebäude, da gäbe es einen Arzt. Und dort werde ich super nett empfangen. An der Anmeldung stehen gerade 4 Arzthelferinnen zusammen und ich muss erstmal von meiner Wanderung erzählen. Den Kommentar „You crazy people“ zu Norge på langs Wanderern habe ich jetzt schon häufiger gehört. Sie schauen sich meine Hände an und sind ziemlich ratlos, so einen Ausschlag haben sie noch nicht gesehen, wahrscheinlich sei es eine allergische Reaktion. Ich muss noch 20 Minuten warten, dann hat eine junge Ärztin Zeit für mich. Da sie aber auch keine Idee hat, holt sie noch den Chefarzt dazu. Auf meinen Ohren habe ich nur einen Sonnenbrand, aber meine Hände sind allen ein Rätsel. Am wahrscheinlichsten ist wohl doch die Reaktion auf irgendeine Pflanze. Sie verschreiben mir eine Cortison-Salbe und wenn es bis Rjukan nicht besser ist, soll ich dort nochmal zum Arzt gehen. Sie schauen auch extra nach, ob sie die Salbe da haben, da es hier keine Apotheke gibt. Und dann schenken sie sie mir, weil sie keine Ahnung haben, wie sie das mit der Bezahlung machen sollen. Hier kommen scheinbar nicht so häufig ausländische Patienten vorbei. Glücklich über die ganzen netten Menschen und hoffnungsvoll, dass die Salbe hilft, gehe ich noch die letzten Meter weiter zum Campingplatz, wo die anderen beiden auf mich warten.

Wir stellen die Zelte auf und stürmen den Supermarkt. Seit gestern schon träumen wir von Pizza. Da es aber keine Pizzeria gibt, muss heute eine Tiefkühl-Pizza herhalten, auf dem Campingplatz gibt es einen Backofen. Den müssen wir zwar erst schrubben, weil die letzten Leute einen Schweinestall hinterlassen haben, aber die Pizza schmeckt! Und eine ordentliche Pizza wollen wir uns dann in Rjukan gönnen. Die Vorfreude ist auch schön.

Das allerbeste an dem Campingplatz ist, dass die Duschen gratis sind. Sonst muss man meistens 10 Kronen Münzen einwerfen. Das nutze ich aus und stehe ewig unter der warmen Dusche – das tut so gut!

Dann machen Markus und ich noch einen kleinen Abendspaziergang durch den Ort und schauen uns das Dalen Hotel an. Ein 5 Sterne Hotel, verziert mit feuerspeienden Drachen und vielen Türmen und Balkonen.

Wir sitzen noch ein bisschen zusammen, aber es ist ziemlich windig und bald zu kalt draußen. Lieber schnell in die Schlafsäcke kuscheln.


24,5 km
5:20 h
317 hm
1.009 hm
811 m