Da ich heute nicht so spät los möchte, stelle ich mir den Wecker auf 7 Uhr. Ich bin zwar schon wieder eher wach, aber sitze dann doch noch ein bisschen mit in der Stube. Los geht’s um Viertel nach 8. Ich bekomme immer wieder komische Blicke wegen meinen Schuhen. Ein älterer Mann fragt mich, ob ich die ganze Zeit in diesen Schuhen unterwegs sei. Als ich antworte, dass die perfekt seien, schüttelt er nur den Kopf und geht wortlos weg. Er hat aber auch schon komisch geschaut, als ich gesagt habe, dass ich zum Kinnarodden laufe und spätestens Mitte Oktober ankommen möchte. Da hat er mitten im Satz abgebrochen und sich lieber mit Markus über das Nordkap unterhalten. Soll mir recht sein, was auch immer er denkt. Aber auch die beiden norwegischen Mädels aus dem Zelt schauen misstrauisch auf meine Schuhe. Die Norweger sind nach meinem Gefühl ziemlich traditionell nur mit den dicksten Bergstiefeln und mit 30 Kilo Rucksäcken im Fjell unterwegs. Alles andere ist ihnen suspekt.

Ich gehe langsam los, dass Markus mich noch einholen kann, wenn er fertig ist. Ich habe mich extra schon dick angezogen, da es ziemlich regnerisch und windig ist. Als ich dann die ersten paar Schritte gehe und aus dem Windschatten der Hütte trete, haut mich eine Windböe fast um. Oh je, das kann ja lustig werden. Der See, der gestern noch ganz ruhig da lag, gleicht heute eher einer dunklen Meeresbucht mit starkem Wellengang.

Es geht weg vom Ramsjøen und zwischen Bäumen hinauf auf rutschige Wiesen. Zwischendurch über ein paar Schneefelder, dann wieder durch den Sumpf. Wind und Regen kommen die ganze Zeit von links und es ist richtig kalt und ungemütlich.

Am Finnkoisjøen müssen wir über eine Staumauer rüber, da ist der Wind am schlimmsten. Ich muss mich richtig dagegen lehnen, um nicht die Steine neben mir herunterzukullern. Dahinter steht ein kleiner Container, den peile ich an. Schnell dem Wind entfliehen, zumindest für eine kurze Pause. Ich habe noch eine Birne aus dem Supermarkt gestern, die gibt es jetzt zum Frühstück. Lecker! Dann aber doch schnell weiter, bevor wir völlig durchgefroren sind.

Wir gehen hoch ins Gilsåfjellet und mal wieder an einer alten Mine vorbei. Leider kommt der Wind jetzt von vorne, was noch sehr viel unangenehmer ist. Irgendwann kommen wir zu einem Wegweiser, der knallig orange ist und scheinbar auf eine Umleitung hinweist. Wir sind uns aber nicht ganz sicher, eventuell ist das auch für die Winterroute, da in die Richtung hohe Stäbe mit Markierung im Boden stecken. Also geht es erstmal noch weiter, unser Abzweig ist auch nicht mehr weit. Wobei dort dann ein Schild hängt, dass man der Umleitung folgen solle, da der Damm gesperrt sei. So viel norwegisch verstehe ich zum Glück inzwischen. Und viele Wörter kann man sich gut herleiten. Na gut, dann doch wieder zurück. Und zu Markus‘ Ärger nochmal über den breiten Bach rüber, wo ich einfach durchstapfe. Seine Wanderstiefel sollen möglichst lange trocken bleiben, da sie sonst so lange brauchen zum Trocknen.

Also folgen wir doch den hohen Stäben. Und stapfen durch noch mehr Sumpf.

Am Anfang des Weges finde ich eine lustige Stelle, die sich anfühlt, als würde man über ein Wasserbett laufen. Der Boden ist fest, aber darunter muss ein großes Wasser- oder Schlammloch sein. Wenn man sich bewegt, sieht man die Wellenbewegung noch 2 Meter weiter und der Boden wackelt überall drumherum.

Ich schaue zwischendurch mal auf die Karte, wir gehen jetzt einen ganz schön großen Bogen und ein ganzes Stück wieder zurück. Na toll, ich hatte mich schon so gefreut, dass wir relativ schnell an der nächsten Hütte sind. Dort ist eine lange Pause angesagt. Oder eventuell bleibe ich auch da, wenn es schön ist. Durch den Umweg sind es dann ja doch 19 Kilometer oder so bis dahin. Aber alles besser, als wenn man sonst vor einem unpassierbaren Damm stehen würde. Es geht über einen Bach rüber und dann stehen wir wieder auf einem Wanderweg, der von Süden kommt.

Laut Karte geht es auf einer Traktorspur weiter und ich habe kurz die Hoffnung, dass der Boden dann auch fester ist. Es geht aber fröhlich weiter durch den Matsch und große Pfützen. Bis wir dann kurz vor der Hütte auf eine Schotterstraße kommen.

Bjørneggen liegt zwischen ein paar Bauernhöfen an dieser Straße. Eine richtige Luxus-Hütte! Mit Strom, fließendem Wasser, einer riesigen Küche mit 2 großen Kochinseln, 2 amerikanischen Kühlschränken, Induktionskochplatten und sonst auch allem, was man sich irgendwie vorstellen könnte in einer Küche. Ein großes Haus mit Schlafräumen im Obergeschoss, Badezimmern unten, Duschräumen und sogar eine Sauna. Auf der anderen Seite ein großes, helles Wohnzimmer. Ich finde es ja schon lustig, dass man mit seinem DNT-Schlüssel Zugang zu diesen ganzen Hütten hat und dort häufig einfach alleine ist. Das ist echt super gut, aber eben ein lustiges Gefühl manchmal. Ich frage mich, ob dieses System in Deutschland auch funktionieren würde. Hier gibt es leider auch Leute, die das ausnutzen und sich einfach nicht ins Hüttenprotokoll eintragen, geschweige denn bezahlen. Das ist schade, da doch alles auf Vertrauen basiert. Schade für alle, die ehrlich sind und den DNT unterstützen wollen, diese Hütten weiter zu warten und uns zur Verfügung zu stellen.

Erstmal aus den nassen Klamotten raus und was zu Essen machen. Im Kühlschrank stehen noch ein paar Eier, daraus mache ich mir Rührei und esse Knäckebrot dazu. Sogar Gewürze gibt es. Mal ein anderer Geschmack zur Abwechslung. Im Moment esse ich echt viele Sachen, die ich Zuhause gar nicht esse und auch nicht kaufen würde. Aber hier auf Tour ist mir das so egal, wenn ich Hunger habe. Deswegen gibt es heute auch Eier.

Dann versuche ich die Sauna erfolglos zum Laufen zu bekommen. Der elektrische Ofen wird einfach nicht warm. So ein Mist! Das wäre jetzt genau das richtige. Ich laufe mit meinem Handy durchs Haus, um eine Stelle mit genug Empfang zu finden und suche sogar die Bedienungsanleitung heraus. Ich probiere alles mögliche aus, wir warten wieder ein bisschen, aber es tut sich nichts. Manno! Dann springe ich zumindest eben unter die Dusche. Danach ziehe ich zwar dieselben verschwitzten und dreckigen Klamotten wieder an, aber es fühlt sich trotzdem herrlich an.

Ein kleines Nickerchen.

Ein bisschen Herumalbern.

Dann ist es schon 18 Uhr und Zeit weiterzugehen. Hier bleiben möchte ich doch nicht. Auch wenn der Luxus kurz mal nett ist, mag ich kleine, urige Hütten ohne den ganzen Schnickschnack sehr viel lieber.

Also gibt es heute noch ein zweites Start-Foto.

Wir wollen irgendwo auf dem Weg nach Meråker die Zelte aufstellen, damit wir es morgen eventuell schon bis Ferslia schaffen. Wir gehen die Schotterstraße weiter und biegen dann auf eine Traktorspur durch den Wald ab. Der Weg ist einfach und der Boden fest. Wie schön.

In Hyttmoen kommen wir an einer alten Schmelzhütte vorbei. Ich läute die Glocke zum Schichtbeginn, aber es zeigt sich niemand. Na gut, es ist ja auch Sonntag.

Wir finden eine schöne Zeltwiese zwischen den Bäumen, neben einer verfallenen Hütte. Scheinbar ein beliebter Platz, es gibt auch eine Feuerstelle. Allerdings heißt es wieder schnell vermummen, Zelt aufbauen und Schutz vor den Knots suchen!


25,5 km
6:20 h
535 hm
833 hm
925 m