Ich habe gestern Abend noch meine zurückgelegten Kilometer zusammengerechnet und dabei festgestellt, dass ich mein nächstes Jubiläum verpasst habe. Aber nur ganz knapp mit einem Kilometer mehr. 1.500 Kilometer sind geschafft!

Heute freue ich mich schon auf eine Flussüberquerung der besonderen Art. Wir haben von Els eine Nachricht mit Bild bekommen. Da bin ich gespannt, was uns erwartet. Da wir gestern Abend ja schon den Anstieg hinter uns gebracht haben, können wir heute ganz gemütlich loslaufen und direkt den schönen Ausblick genießen. Der Himmel ist wolkenlos blau und ich habe mich mit Mückenschutzmittel eingesprüht, um in kurzen Sachen gehen zu können. Herrlich!

Vor uns das weite Fjell und unter uns der See Daningen. Zwischendurch ziehe ich kurz meine Regenhose über, da der Pfad so zugewuchert ist. Eine Mischung aus Gestrüpp, sumpfigen Grasstreifen und trockenem Boden mit niedrigen Sträuchern.

Der Pfad führt uns genau zwischen die beiden Seen Daningen und Bliehrehke. An der schmalsten Stelle, die die beiden Seen verbindet, liegt ein Boot. Damit kann man übersetzen. Mal etwas anderes und eine coole Idee. An den Seilen über sich kann man sich auf die andere Seite ziehen.

Ich habe allerdings erst noch andere Pläne. Heute bin ich dran, einen Punkt auf meiner Liste abzuhaken. Da steht nämlich drauf, nackig in einen kalten Bergsee zu springen. Und heute ist das Wetter einfach perfekt dafür. Eine Dusche könnte ich sowieso mal wieder gebrauchen. Und das Wasser ist klar und einladend. Während Markus mit dem Boot beschäftigt ist und versucht herauszufinden, wie man es bewegt, ziehe ich mich schnell aus und verschwinde im Wasser. Kalt ist es! Aber so schön. Durch meinen Aufschrei und das Quieken, als ich ganz untertauche, ziehe ich dann doch die Aufmerksamkeit auf mich. Hier im Wasser habe ich kurz Ruhe vor den Knots und plansche ein bisschen, bis es mir zu kalt wird. Tief ist es hier nicht, das Boot würde man nicht wirklich brauchen. Aber so kommt man trocken rüber. Beim Anziehen beeile ich mich, um nicht so viele Stiche abzubekommen. Zum Glück kommt ein bisschen Wind auf, der vertreibt die Knots immer sofort. Das fühlt sich gut an, frisch und abgekühlt. Die Sonne wärmt mich schnell wieder auf.

Markus hat es inzwischen auf die andere Seite geschafft. Jetzt bin ich dran in das kleine, rote Boot zu steigen. Den Dreh habe ich schnell raus, mir rutscht allerdings zweimal die Leine aus der Hand und es ist ziemlich wackelig da wieder heranzukommen. Dazu muss ich auf einen Sitz steigen und mich auf die Zehenspitzen stellen. Aber ich komme drüben an.

Weiter geht es nun bergauf, am Amirfjellet vorbei. Mit toller Aussicht und über bunte Wiesen.

Man sieht zwar oft keinen Pfad, aber es gibt genug Markierungen. Da sucht man sich eben selbst einen Weg zur nächsten Markierung. So läuft das häufig auf den norwegischen Wanderwegen. Zwischendurch kommen wir durch einen kleinen Birkenwald, dann laufen wir weiter über die weiten Ebenen. Richtung Olleken und am Hang entlang.

Bald haben wir einen schönen Blick zurück.

Und vor uns sehen wir den Sattel, wo es hinaufgeht. Immer am Fluss Rotvassbekken entlang und an zig Wasserfällen vorbei.

Die Landschaft ist so schön und dann noch das Traum-Wetter dazu. So ein herrlicher Tag! Am Fluss entlang geht es steiler hinauf und ich mache mein Halstuch nass und lege es mir zum Kühlen in den Nacken. Ich gehe immer wieder ein bisschen neben dem Weg und direkt am Wasser entlang. Ich mag es, über die Felsen zu laufen, statt auf der Wiese. So entdecke ich dann auch diesen Wasserfall. So einen findet man selten, wo man tatsächlich drunter stehen und das Becken darunter so ruhig ist, dass man darin baden könnte. Ich winke Markus zu mir, hier will ich eine Pause einlegen.

Wir klettern barfuß über die Felsen und direkt an den Wasserfall. Um sich ganz darunterzustellen, ist das Wasser zu kräftig, das tut weh. Aber von der Gischt werde ich trotzdem ganz nass. Das ist ja dann schon meine zweite Dusche heute. Ich schaue dem Wasser zu und genieße das Wetter, die Abkühlung und die traumhafte Natur hier in vollen Zügen.

Auch der Blick nach oben ist gut, wenn man direkt vor dem Wasser-Vorhang steht.

Als wir weitergehen, entdecke ich immer wieder richtig schöne Orte. Türkise Badewannen zwischen den Felsen und kleinere Wasserfälle und -rutschen. Ich kühre diesen Einschnitt zwischen Fisklausfjellet und Vestre Tverrkluben zu einem meiner Lieblingsplätze in Norwegen.

Oben angekommen, suchen wir uns am Ufer des Rotvatnet einen schönen Platz für die Mittagspause. Die Mücken haben wir unten im Tal gelassen. Hier scheint auch ein beliebter Ausflugsort für Angler und Tageswanderungen zu sein. Am anderen Ende des Sees entdecken wir einige Menschen.

Der Tag bis hier war ja schon ein Traum, aber es geht genauso weiter. Nach der Pause steigen wir noch ein kleines Stückchen weiter auf, bevor es dann langsam runter ins Skardmødalen geht. An Felsen und weiteren tiefblauen Seen vorbei.

Als weit vor uns eine ziemlich schneebedeckte Bergkette im blauen Dunst auftaucht, komme ich gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Der breite Berg in der Mitte ist der Geittinden mit 1.556 Metern.

Diese Berge werdet ihr auf den nächsten Fotos häufiger sehen, das ist nämlich unsere geniale Aussicht für die nächsten zwei Stunden.

Noch ein Stück weiter gesellt sich rechts der Hatten dazu, der in der Sonne rötlich leuchtet.

Habe ich schon erwähnt, dass es heute einfach traumhaft ist hier oben? Das ist unserer weiterer Weg, zwischen Felsen und Seen entlang. Und über Bäche mit moosüberzogenen Steinen, die in der Sonne leuchten.

Irgendwann sind wir dann tief genug, dass wir unser Ziel sehen können. Direkt an der Ostspitze des großen Sees Unkervatnet liegt Grannes Camping.

Uns überholt ein norwegisches Pärchen mit Hund. Sie sind ganz begeistert von unserer Wanderung, wir reden aber nur kurz im Vorbeigehen. Als sie schon ein Stück weiter sind, dreht er sich nochmal um, fragt, ob wir genug Mückenspray hätten und drückt uns seine angefangene Flasche MyggA in die Hand. Unten im Tal gäbe es eine Menge Mücken im Moment. Wow, danke!

Dann geht es durch den Wald hinab. Zwischendurch ein bisschen matschig, aber immer nur kurz. Ansonsten einfach ein richtig schöner Wanderweg durch die hohen Tannen. Unten am Fluss Skardmodalselva angekommen, erwartet uns wieder eine Hängebrücke. Die scheinen beliebt zu sein in dieser Gegend. Diese darf man wieder nur alleine betreten und sie kommt mir noch viel wackeliger vor als die beiden gestern.

Noch ein Stück weiter durch den Wald und dann haben wir die Straße erreicht. Wir malen uns schon den ganzen Tag aus, dass es am Campingplatz ja vielleicht einen kleinen Kiosk geben könnte oder zumindest an der Rezeption ein paar Snacks zum Verkauf. Und vielleicht eine Dusche – wobei wir die ja inzwischen schon hatten unter dem Wasserfall.

Am Campingplatz angekommen, schauen wir uns allerdings erstmal etwas ratlos um. Außer einem Schild an der Straße, das nach links weist, heißt einen hier nichts willkommen. Rechts an einem alten Haus steht blass „Resepsjon“. Leute sieht man auch nicht, es sieht ziemlich ausgestorben aus. Also klopfen wir an der Tür der Rezeption, die ja wahrscheinlich zum Campingplatz gehören wird. Als keiner öffnet, gehen wir rein und stehen in einem Wohnhaus. Wir rufen und Markus schaut ins nächste Zimmer, wo er einen alten Mann findet, den wir wohl geweckt haben. Er spricht nur norwegisch und die Verständigung ist sehr mühsam, da er sich keinerlei Mühe gibt, langsam zu sprechen oder uns irgendwie anders verständlich zu machen, was er sagen will. So stehen wir teilweise stumm da und wissen nicht weiter. Mit den paar Sätzen norwegisch, die Markus kann, versteht er zumindest, dass wir zwei Zeltplätze brauchen. Dann halten wir ihm einfach einen Schein hin und warten mal ab, was wir an Rückgeld bekommen. Das wird wahrscheinlich die einzige Unterkunft bleiben, wo man bar zahlen muss. Selbst die kleinsten Beträge werden mit Karte gezahlt, auch auf den einsamen Bauernhöfen im Nirgendwo. Wir zahlen zusammen 50 Kronen, also knapp 5 €. Okay, das ist mal günstig. Die Frage, ob wir ein Eis wollen, verstehen wir und nicken begeistert. Wenigstens etwas, alle anderen Essens-Träumereien können wir hier vergessen. Wir bekommen jeder ein kleines Wassereis geschenkt.

Dann stehen wir wieder draußen und gehen auf Erkundungstour. Wir schauen in die alten Hütten rein, bis wir Küche, Toilette und Duschen gefunden haben. Wir suchen uns einen Zeltplatz direkt vorne am Wasser. Schön ist es schon.

Erst wollen wir noch ein Lagerfeuer machen, ich bin aber so müde, dass ich lieber schlafen gehe. Zum Schreiben kann ich mich im Moment auch nicht aufraffen, da ich abends immer so müde bin.


23,7 km
6:25 h
718 hm
957 hm
1.068 m