Heute morgen lasse ich mir Zeit und gehe erst um kurz nach 9 Uhr los. Ich trinke noch in Ruhe einen Tee und es gibt einen Löffel Honig. Komisches Wanderfrühstück? So ist das beim Fastenwandern. Ich faste schon seit einigen Jahren nun jedes Jahr zweimal, im Frühjahr und im Herbst. Und zwar richte ich mich nach dem Heilfasten nach Buchinger. Morgens gibt es Kräutertee und eventuell einen Löffel Honig, mittags einen Saft und abends Gemüsebrühe, also nur flüssiges. Das Fasten beim Wandern wollte ich schon länger mal ausprobieren, allerdings nicht bei zu vielen Höhenmetern im Gebirge. Da boten sich die ersten Tage meiner Tour doch perfekt an. Ich habe 2 Entlastungstage gemacht und bin heute bei meinem dritten Fastentag. Und es klappt super, ich habe keinerlei Hungergefühl und genug Energie. Ich mache einfach noch weiter, solange es sich gut anfühlt, dieses Mal maximal 8 Tage. Für danach habe ich Essen für 4 Aufbautage im Rucksack. Das passt genau, dass ich dann in Neuberg an der Mürz mein erstes Versorgungspaket, wieder mit normal großen Mahlzeiten, einsammeln kann.

Auf die Etappe heute freue ich mich nicht so sehr. Ich muss das südliche Wien durchqueren, mag aber beim Wandern viel lieber Natur um mich herum.

Ich gehe durch ein Wohngebiet und treffe dann auf den Liesingbachradweg. Und diesem folge ich dann auch bis Liesing, einem Wiener Gemeindebezirk. Also bis auf die letzte halbe Stunde, den ganzen Tag heute. Hier sind einige Jogger und Radfahrer unterwegs. Schließlich ist hier auch die Schwechater Fitnessmeile.

Es ist mal ein asphaltierter, dann wieder ein Schotterweg. Ich hole meine Trekkingstöcke raus, dann haben die Arme wenigstens auch mal was zu tun.

Am Anfang habe ich noch einen schönen Blick auf knallrote Mohnfelder.

Dann habe ich neben mir immer den Bach und auf der anderen Seite mal Bäume, kleine Parks oder Häuser. Dafür dass ich durch die Stadt gehe ist der Weg eigentlich ganz schön. Meist grün und ich muss nicht an Straßen entlang gehen. Nur manchmal kurz überqueren oder unter Bahngleisen oder Autobahnbrücken hindurch. So trotte ich heute vor mich hin.

Nach ungefähr 4 Stunden habe ich dann Liesing erreicht, überquere den Bahnhofsplatz und gehe nach einem kurzen Stück Straße weiter durch ein ruhiges Wohngebiet. Und dann sehe ich auch schon das Ortsschild von Perchtoldsdorf, meinem Ziel für heute. Und zwar einem besonderen, denn hier beginnt der Nordalpenweg. Ich freue mich schon richtig darauf.

Bald breitet sich dann auch ein Grinsen auf meinem Gesicht aus – es ist schön hier. Als ich aus dem Wohngebiet komme, stehe ich vor einem Weinberg. In der Ferne kann ich schon die ersten (kleinen) Berge des Wienerwalds sehen.

Die letzten Meter zum Perchtoldsdorfer Marktplatz komme ich durch den Zellpark, einen schönen kleinen Park mit dem Knappenhof und Barockgarten davor.

Und dann erreiche ich den Marktplatz. Was ein schöner Ortskern. Ich schaue mich ein bisschen um und bin ganz begeistert. Hier sieht man die Pestsäule, oder auch Dreifaltigkeitssäule, mit dem Wehrturm im Hintergrund.

Ein Stück weiter habe ich einen super Blick auf die Burg Perchtoldsdorf mit der Pfarrkirche St. Augustin und der Martinikapelle dahinter.

Ich mache mich auf die Suche nach dem Weitwanderstein. Der soll hier irgendwo stehen und markiert den Anfang mehrerer österreichischer Weitwanderwege: 01 (Nordalpenweg), 04 (Voralpenweg), 06 (Mariazeller Pilgerweg). Außerdem gehen hier der Europäische Fernwanderweg E4 und der Niederösterreichische Landesrundwanderweg (was ein langer Name) her. Hier brauche ich natürlich auch ein Foto. Und da frage ich genau den richtigen, ob er ein Foto von mir und dem Stein machen kann.

Ich spreche einen älteren Herrn an und er ist direkt total begeistert und meint er wäre auch Weitwanderer. Inzwischen sei er schon 80, aber er habe Österreich von Nord nach Süd durchquert und sei von Wien bis zur Ostsee gelaufen. Darüber habe er auch zwei Bücher geschrieben. Er gibt mir seine Visitenkarte mit E-Mail Adresse, damit ich ihm schreiben kann. Er würde mir gerne eines seiner Bücher schenken und zuschicken. Ich freue mich, das war ein schöner Zufall, die Begegnung mit Peter Weisser.

Nach unserem Fotoshooting am Weitwanderstein folge ich dann auch gleich der Richtung des Nordalpenwegs und entdecke die erste Wegmarkierung.

Es geht durch den Begrischpark und bevor ich zu meiner Unterkunft für heute gehe, suche ich mir eine Bank in diesem schönen Wald und schreibe euch.

Ab morgen kann ich dann endlich Wanderführer und -karte benutzen und muss für den Weg nicht mehr ständig auf mein Handy schauen. Die ersten 3 Wanderkarten habe ich dabei, die Karten für den jeweils nächsten Abschnitt bekomme ich in meinen Versorgungspaketen.

Ich schlafe heute in der Pension Gerhart in Perchtoldsdorf. Jetzt heißt es auch nur noch Füße ausruhen und wahrscheinlich früh schlafen, damit ich fit für meine lange Etappe morgen bin. Da die wenigen Übernachtungsmöglichkeiten am Weg schon ausgebucht waren, habe ich morgen über 30 Kilometer mit über 1.000 Höhenmetern vor mir. Dafür lege ich übermorgen dann den ersten Pausentag ein.


21,5 km
4:50 h
204 hm
74 hm
297 m