Ich habe erstaunlich gut geschlafen letzte Nacht. Der Flicken auf meiner Matte hält jetzt übrigens auch ordentlich. Sie verliert keine Luft mehr. Gegen halb 7 höre ich die ersten Motorengeräusche auf der Forststraße. Dann packe ich mal lieber zusammen.
Rucksack geschultert, in Sandalen und mit meinen Stöcken gehe ich die paar Schritte zum Wasser. Es kommt mir noch ein bisschen kälter vor als gestern. Ich wate durch das Wasser. Mit Stöcken ist es schon sicherer, die Steine sind rutschig. Auch wenn das Wasser nicht tief ist, möchte ich nicht ausrutschen.
Ich ziehe Socken, Gamaschen und Schuhe an und befestige meine Stöcke am Rucksack. Zum Laufen verwende ich sie seltenst inzwischen. Sie dienen überwiegend als Zeltstangen. Und los geht’s. Ach ne, Moment. Dann kann ich auch noch eben mein Gesicht waschen, wenn ich hier schon so viel Wasser habe.
Dann geht es zurück auf die Forststraße. Und das für die nächsten 1,5 Stunden. Durch den Wald und ohne Ausblick. Langsam immer weiter nach oben. Mir kommt ein Laster mit Baumstämmen auf seinen beiden Anhängern entgegen. Mehr Verkehr ist zum Glück nicht.
Ich könnte weiter der Straße folgen, nehme aber die Abkürzung durch den Wald. Laut Schildern ist diese auch eine halbe Stunde kürzer. Als ich fast wieder an der Straße bin, bekomme ich endlich die ersten Sonnenstrahlen ab. Ich muss grinsen. Und die Bäume werden weniger, so dass ich einen ersten Blick auf meine Umgebung habe. Auf den Simetsberg, halb in Wolken eingehüllt. Das sieht gut aus.
Ich bleibe alle 100 Höhenmeter kurz stehen und trinke was. Nach den ersten 800 Höhenmetern melden sich meine Beine. Und mein Magen auch, ich bekomme Hunger. Also mache ich auf einer großen sonnigen Lichtung eine Pause. Setze meinen Rucksack ab, esse einen Riegel und strecke die Beine aus. Nach 10 Minuten geht es mit neuer Energie weiter nach oben. Das Krafttanken geht im Moment ziemlich schnell mit so kleinen Pausen.
Gestern Abend hatte ich gar keine richtige Lust, mein Zelt aufzubauen. Ich wäre liebend gerne einfach weitergelaufen. Obwohl es schon ein langer Tag war. Ich habe an die Sommernächte in Norwegen gedacht, wo es nicht dunkel wird und man bis spät nachts weitergehen kann, wenn man möchte.
Die Bäume lichten sich und ich sehe immer mehr blauen Himmel. Endlich bin ich auf dem Grat angekommen. Hier gefällt mir der Weg besser. Es ist immer noch ein relativ breiter Schotterweg. Einfach zu gehen. Jetzt aber mit fantastischem Blick. Die Wolken hängen ziemlich tief und zwischendurch denke ich, sieht es aus, als würde ich im Flugzeug sitzen und aus dem Fenster schauen.
Da hinten kommt das Gipfelkreuz in Sicht. Oben auf dem bewaldeten Berg.
An dem Wegweiser treffe ich auf die ersten anderen Wanderer. Jetzt ist es nicht mehr weit zum ersten Ziel. Der Weg schlängelt sich durch Latschenkiefern und unter mir sind nun richtige Knubbel-Wolken. Nicht nur eine flache Schicht Hochnebel. Es ist wunderbar.
Ich freue mich sehr über diesen schönen Gipfel und das Wetter dazu. Der Heimgarten auf 1.791 Meter Höhe.
Hier kann man schon den Gratweg erkennen, den es gleich lang geht. Den nächsten Gipfel und ganz hinten auch die Benediktenwand, mein Ziel für morgen.
Erstmal mache ich aber ausgiebig Pause. Genieße die Sonne und den Ausblick. Auf der anderen Seite leuchtet der Walschensee ganz türkisblau. Die Wolken sammeln sich nur auf der Nordseite. Der Grat rüber zum Herzogstand ist wie die Grenze für die Wolken. Es ist so herrlich heute.
Es kommen immer wieder neue Leute am Gipfel an. Und auch auf dem Gratweg sind viele unterwegs. Aber noch nicht so, dass man ständig warten muss. Es verteilt sich ganz gut. Etwa eine Stunde lang folge ich dem schmalen Pfad. Rechts und links geht es steil runter. Erst bergab und dann wieder hoch.
Ich lasse mir Zeit. Davon habe ich mehr als genug heute. Ich habe ja gleich schon mein Tagesziel erreicht.
Ich frage mich, wie das kleine Kreuz auf die felsige Spitze da unten gekommen ist. Das müssen irgendwelche verrückten Kletterer gewesen sein.
Der Gratweg ist einfach zu gehen. Es gibt nur eine Stelle, die sehr schmal und ausgesetzt ist. Und ein paar Stellen mit Seilversicherungen. Mir kommen einige Leute in Jeans und Halbschuhen entgegen. Auf der anderen Seite fährt eine Bahn hoch.
Noch ein paar letzte enge Kehren und leichte Kletterei über Felsen und dann stehe ich auf dem nächsten Gipfel. Auf dem Herzogstand auf 1.731 Metern.
Es gibt einen Holz-Pavillon mit Berg-Panoramatafeln in jede Richtung. Ich schaue, welche Berge ich kenne. Das sind hier aber nur noch die großen und bekannteren. Die Zugspitze sieht man natürlich, die ganze Kette des Wettersteingebirges kann man gut erkennen. Und weit hinten zum Beispiel auch das Karwendel mit der Birkkarspitze.
Das sieht echt klasse aus, wie die Wolken die Welt darunter teilen. Und sie sind inzwischen richtig dicht. Hinten in der Mitte schaut immer noch die Benediktenwand heraus.
Es ist gerade mal Mittag. Ich sitze eine ganze Weile in der Sonne, laufe ein bisschen rum und beobachte die anderen Leute. Was mache ich denn nun? Mir wird ein bisschen langweilig. Ich hatte den Tipp bekommen, dass hier oben immer wieder Leute übernachten. Das wäre schon cool. Den Sonnenuntergang später zu sehen von hier. Über den Wolken. Allerdings fühle ich mich nicht so wohl mit den ganzen Menschen hier. Ich möchte lieber meine Ruhe. Es ist inzwischen halb 3. Das sind immer noch 4 Stunden bis zum Sonnenuntergang. Ich stehe und sitze unschlüssig herum. Entscheide mich fürs Bleiben. Und entscheide mich wieder um. Ich habe Lust weiterzugehen. Ich werde schon weiter unten im Wald irgendwo ein einsames Plätzchen zum Schlafen finden.
Den Weg nach unten kann ich schon sehen. Es geht die Fahrstraße entlang.
Ich steige ab bis zum heute geschlossenen Herzogstandhaus. Hier hätte ich ansonsten gerne übernachtet. Ich habe oben noch gedacht, vielleicht gibt es ja einen Automaten mit Getränken oder so. Und tatsächlich steht hier ein Automat – mit Eis. So viel Kleingeld habe ich allerdings nicht. Ich frage die nächsten Leute, die vorbeikommen. Sie haben aber auch keins. Schade, dann kein Eis.
Dann geht es weiter runter. Jetzt alleine. Alle anderen Leute gehen zur Bergstation der Herzogstandbahn. Zum Glück finde ich einen kleinen Wasserlauf. Das wäre sonst knapp geworden für mein Essen heute Abend. An dem Rinnsal am Fels fülle ich meine Wasserblase auf.
Hoffentlich finde ich wirklich einen Schlafplatz. Es ist alles so steil rechts und links. Oder nicht blickgeschützt. Die Wiese da unten wäre wunderbar. Aber da wäre ich mitten auf dem Präsentierteller. Erstmal noch ein paar Kurven weiter, damit ich außer Sicht von der Hütte oben bin.
Ich kann eine Kehre der Straße mit einem Pfad über die Wiese abkürzen. Zwischen Pfad und Straße ist es zwar steil, aber zwischen den Bäumen gibt es kleine Terrassen. Das ist doch perfekt. Ich kann ein Stück der Straße unter mir sehen. Aber man müsste schon ganz genau gucken, um mich hier zu entdecken. Hier mag ich es. Es ist ein lichter Wald und nicht so düster zwischen den Bäumen.
Erstmal Probeliegen. Es wäre auch schön, ohne Zelt hier zu schlafen.
Ich breite das Zelt aber trotzdem aus, damit es noch trocknen kann. Hänge meine Klamotten an die Bäume zum Lüften. Und esse erstmal in Ruhe. Heute gibt es Pasta mit Lachs. So lecker. Das ist eines meiner Lieblingsgerichte von Real Turmat. Das habe ich mir in Norwegen zum Beispiel aufgehoben für den Abend, als Markus und ich den Polarkreis überquert haben. Zur Feier des Tages. Bei den Gedanken muss ich lächeln.
Ich beschließe mein Zelt doch aufzubauen. Es ist kein Regen angesagt. Aber gestern hat es ja auch getröpfelt zwischendurch. Einen Biwaksack habe ich nicht zusätzlich mit und keine Lust dann heute Nacht noch das Zelt aufzubauen.
Zum Schreiben bin ich zu müde. Ich verkrieche mich früh in meinen Schlafsack und mache die Augen zu. Das war so ein schöner Tag. Die langweilige Forststraße heute Morgen ist längst vergessen nach den tollen Ausblicken den Rest des Tages.
Ich bin gespannt, wie viel Schlaf ich bekomme. Ich liege ewig wach. Es ist ziemlich windig. Von den Windböen direkt bekomme ich nicht so viel mit. Die Zeltplane flattert nur zwischendurch mal ein wenig. Die Bäume schützen mich gut. Aber es ist laut. Und bei der Lautstärke rechne ich damit, gleich doch einen vollen Stoß mitzubekommen. Außerdem regnen ständig Blätter und kleine Äste auf mein Zelt. Das kann ja eine lange Nacht werden. Ich wünsche mir jetzt schon den Morgen herbei.
Sven
Man spürt das Lächeln wenn du über die Wolkengrenze kommst und du es genießt in deinem Element zu sein.
Am Anfang musste ich an die Regenjacke denken als du ach Moment geschrieben hast. Das war ein Schmunzelmoment. Die noch weiter viel Freude, immer einen guten Schlafplatz und das Wetter soll ja nun stabiler bleiben.