Der Sternenhimmel gestern Nacht war gigantisch. Es war total klar, keine Wolke am Himmel. Und ohne irgendein Umgebungslicht sieht man die Sterne ja sowieso viel besser. Es war durch den zunehmenden Mond und die zig Millionen funkelnden Sterne ziemlich hell die ganze Nacht. Eine Stirnlampe hätte man für eine Nachtwanderung nicht gebraucht.

Ich brauche ziemlich lange um einzuschlafen und wache auch nachts zwischendurch immer mal wieder auf. Beim Wildcampen oder Biwakieren schlafe ich nie so tief und fest wie irgendwo drinnen. Erst friere ich ein bisschen, mein Schlafsack wärmt mich aber schnell auf. Nur die Bodenkälte spüre ich trotz meiner wintertauglichen Thermomatte ein wenig.

Um kurz vor 4 fängt es langsam an hell zu werden. Und eine halbe Stunde später schrecke ich auf und alles um mich herum ist in ein sattes orange getaucht. Ich liege noch ein bisschen in meinem Schlafsack und beobachte begeistert das Farbenspiel.

Seit dem Karl-Ludwig-Haus gestern gehe ich durch das österreichische Bundesland Steiermark. Vorher war ich im Burgenland und in Niederösterreich unterwegs. Dort ist das Wildcampen streng verboten. In der Steiermark ist es allerdings nicht so streng geregelt. Oberhalb der Baumgrenze scheint es in Ordnung zu sein, solange man Weiden meidet. Ganz eindeutige Regelungen gibt es nicht, eine gute Übersicht über die verschiedenen Gesetze bietet der Österreichische Alpenverein auf seiner Seite.

Um 5 Uhr habe ich meine Sachen alle gepackt und mache mich auf den Weg. Außer an ein paar umgeknickten Grashalmen sieht man nicht, dass ich da war. Das gehört auch zu den wichtigsten Regeln beim Wildcampen, keine Spuren hinterlassen.

Inzwischen ist die Sonne aufgegangen.

Ich gehe über Wiesen, leicht hinab, ein entspannter Start. Bis die Sonne noch ein bisschen höher steigt, ist es ziemlich frisch.

Es geht über die Knopperwiese, eine große Ebene, eingekesselt von höheren Bergen.

Und dann stehe ich plötzlich vor einem riesigen Schneefeld, welches mir den Weg versperrt. Es geht ziemlich steil hinauf, über eine Kante und dann flach weiter. Und nach rechts steil und weit hinab. Darauf abzurutschen, könnte lebensgefährlich werden mit den zackigen Felsen darunter. Ich trete testweise ein paar Tritte in den Schnee, der von heute Nacht noch fest und ziemlich vereist ist. Nach ein paar Schritten ist es mir aber schon zu steil und ich gehe rückwärts wieder runter. Dann klettere ich eben links von mir die von kleinen Felsen durchzogene Wiese hoch und umgehe das Schneefeld. Das klappt zum Glück auch ohne Probleme. Ich brauche vielleicht eine halbe Stunde länger für das kleine Stück, aber das ist definitiv der sicherere Weg.

Als ich drüben wieder auf den eigentlichen Weg komme, treffe ich ein Pärchen, die es über das Schneefeld gewagt haben. Sie meinen aber, dass ich es richtig gemacht habe, das zu umgehen.

Der weitere Weg bis zur Bodenalm führt weiter über Wiesen mit Latschen, dann über eine Forststraße durch den Wald. Es ist erst 7 Uhr und der Weg heute ist gar nicht so lang. Um 18 Uhr bin ich aber erst an meiner Unterkunft unten im Ort verabredet. Deswegen lege ich mich noch zwei Stunden in die Sonne bevor ich weitergehe und höre den Anfang von „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens.

Die Forststraße führt mich über Kuhweiden weiter bis zur Waxenegghütte.

Dann folgt ein sehr schöner Wiesenweg oberhalb der Klobenwände, nah an der Abbruchkante entlang.

Um noch ein bisschen Zeit zu schinden, trinke ich in Hinteralm in der Ochsenhalterhütte eine große Schorle. Und dann geht es endgültig an den Abstieg ins Tal. Es folgen knapp 3 Stunden Schotterstraße, die in Serpentinen den Berg hinabführt. Das macht keinen Spaß. Vor allem, wenn zwischendurch noch ein Geländewagen oder mit Baumstämmen vollbeladener Lastwagen vorbei donnert und eine ganze Menge Staub aufwirbelt. Und es wird immer heißer je tiefer ich komme. Ich stecke mir meine Ohrstöpsel wieder in die Ohren, damit ich wenigstens ein bisschen Unterhaltung habe und der Weg nicht so langweilig ist.

Da ich schon gegen 16 Uhr in Krampen ankomme, wo ich morgen meinen Pausentag verbringe, gehe ich noch eine halbe Stunde weiter bis in die Ortsmitte von Neuberg an der Mürz. Krampen ist ein Ortsteil mit ein paar wenigen Häusern.

Es geht an der Straße entlang, aber das stört mich jetzt auch nicht mehr. Ich finde einen Supermarkt und hole mir ein Eis. Als ich da so im Schatten auf einer Mauer sitze, hält ein Auto neben mir.

„Bist du die Weitwanderin?“

„Ähm… Ja.“

„Und hast du schon eine Unterkunft?“

„Ja, da hinten in Krampen. Bei Reinhard.“

„Das bin ich.“

Was ein Zufall. Dann muss ich ja gar nicht mehr bis 18 Uhr warten. Er nimmt meinen Rucksack schon im Auto mit und ich laufe – bzw. schwebe ohne den Rucksack – ganz in Ruhe zu Fuß zurück.


29,3 km
7:15 h
515 hm
1647 hm
1876 m