Es geht wieder los. Wurde auch Zeit. Die Berge haben mir ganz schön gefehlt die letzten Monate. Ich habe zwar im Winter eine Nacht auf einer Berghütte eingeschoben, aber ansonsten war erstmal Pause mit Wandern nach Norwegen. Überwiegend habe ich die Zeit in Dortmund verbracht und viel gearbeitet. Habe für meinen ersten Triathlon trainiert und bin glücklich durchs Ziel gekommen. Bin aus der WG umgezogen in eine eigene kleine Wohnung und frage mich trotzdem immer wieder, wieso ich eigentlich noch in der Stadt wohne. Aber zur Zeit halten mich Familie, Freunde und die Nähe zum Büro dort. Also verschiebe ich die Frage, wo ich eventuell mal dauerhaft wohnen möchte, mal wieder auf die Heimkehr nach der nächsten großen Wanderung.

Dieses Jahr wird es nur eine kleine Bergtour. Aber die musste sein. Ein Jahr ganz ohne ein neues Abenteuer geht doch nicht. Ich habe einen Monat frei und werde davon ein paar Wochen die Allgäuer Alpen erkunden. Meine erste Idee war zwar die Himmelsstürmer Route der Allgäuer Wandertrilogie, da habe ich mich aber dann doch gegen entschieden. Das fühlte sich nicht nach mir an. Zu wenig hohe Gipfel, zu wenig Fels, zu viele Täler und Orte, die man durchquert. Also habe ich ziemlich spontan eine eigene Route geplant. Da meine Eltern in der Nähe von Oberstdorf wohnen und ich während meiner wohnungslosen Zeit auch immer mal wieder ein paar Monate dort verbracht habe, kenne ich mich ganz gut aus und habe schon einige Gipfel erklommen. Es fehlen allerdings auch noch eine ganze Menge und ich kenne bei weitem noch nicht alle Wege und Hütten. Also wieso nicht die wunderschöne Gegend um Zuhause weiter erkunden.

Die Planung war nicht ganz so einfach. Ich wollte mich auf die Allgäuer Alpen beschränken. Habe dann erstmal die höchsten Gipfel herausgesucht. Das hätte doch was, diese zu besteigen. Von den 14 höchsten Gipfeln werde ich aber nur ein paar einbauen können. Die anderen erfordern Kletterausrüstung oder sind mir einfach alleine zu gefährlich. Die Trettachspitze und eine Überschreitung der Hochfrottspitze rüber zur Mädlegabel hat mich nach dem Lesen einer Beschreibung schon gereizt. Nachdem ich aber ein Video gefunden und gesehen habe wie schmal und ausgesetzt der Grat ist, wurde mir ein bisschen schlecht und ich habe die Idee schnell verworfen. Also lasst euch überraschen, welche der höchsten Gipfel der Allgäuer Alpen ich erklimmen werde.

Ein bisschen Sorge macht mir, dass die beliebten Höhenwege, wie zum Beispiel der Heilbronner Weg, sehr voll sein werden. Solche Routen meide ich normalerweise gerne. Außerdem sind die Hütten vor allem an den Wochenenden ausgebucht. Für reines Biwakieren sind zu viele Gewitter angesagt und ich gehe überwiegend durch Naturschutzgebiete. Dort möchte ich mich schon an die Regeln halten und nicht draußen schlafen. Da bin ich durch Norwegen etwas verwöhnt, wo ich mein Lager überall aufschlagen konnte. Das ist in Deutschland und Österreich leider so viel komplizierter. Im Endeffekt wird es jetzt eine Mischung aus Hüttenübernachtungen und hoffentlich gewitterfreien Nächten unter freiem Sternenhimmel.

Losgehen wollte ich eigentlich schon Anfang der Woche. Ich bin aber sehr froh, dass ich doch erst heute gestartet bin. Die letzten beiden Tage hat es gewittert, geregnet und nachts so stark gestürmt, dass einige Bäume umgestürzt sind. Zum Glück habe ich die Nacht nicht draußen verbringen müssen. Das schöne ist auch, dass meine Eltern heute frei haben und mich auf den ersten Gipfel begleiten. Darüber freue ich mir sehr. Mir fehlen unsere Familien-Wanderungen und jährlichen Hüttentouren.

Los geht es ganz gemütlich, es ist schon fast Mittag. Die Strecke heute ist aber auch nicht so lang. Und das Ziel bekannt. Auf dem Besler waren wir schon recht häufig. Jetzt soll der Gipfel der Auftakt meiner Tour werden. Aber natürlich nicht ohne Startfoto.

An der Kirche in Tiefenbach geht es los. Also eigentlich ganz in der Nähe von Zuhause. Aber es muss ja nicht jeder wissen, wo genau wir wohnen. Ich bin sehr froh, dass das Wetter besser ist als die letzten Tage und die Sonne wieder da ist.

Wir gehen durch das Dorf und machen uns an den Anstieg Richtung Gaisberg. Das ist der Hausberg Tiefenbachs. Ich war schon so oft da oben, am Gipfelkreuz oder auch nur zum Blaubeeren sammeln. Fotos habe ich aber wahrscheinlich nur bei der ersten Tour mal gemacht. Es ist ganz lustig, ich nehme die Umgebung heute ein bisschen anders wahr. Das ist mir schon mal aufgefallen, wenn ich mir bekannte Wege gehe, darüber dann aber einen Beitrag für meinen Blog schreiben will. Heute mache ich Fotos, wo ich sonst nur noch schnell vorbeilaufe.

Nach dem ersten steilen Anstieg über Asphalt geht es in den Wald. Und endlich in den Schatten. Es ist ganz schön warm und mir läuft schnell der Schweiß an Armen und Beinen hinunter. Wir nehmen den Tobelweg und folgen einem schmalen Pfad über Steine und Wurzeln aufwärts.

Es fühlte sich übrigens gut an, vorhin meinen großen Rucksack wieder zu schultern. Irgendwie so normal. Nur die dicken Bergstiefel sind sehr ungewohnt. Die letzte Tour bin ich ja nur in leichten Trailrunnern gegangen. Die Bergstiefel fühlen sich an wie Holzklötze an meinen Beinen. Ich habe kein Gefühl für den Boden unter mir. Wie auch mit der dicken, steifen Sohle. Aber zumindest sind die Schuhe schon eingelaufen und an meine Füße angepasst. Blasen sollte es also nicht geben. Dieselben Schuhe hatte ich nämlich bei meiner Österreich-Durchquerung an. Ich habe sie nur neu besohlen und das Leder an den Fersen ausbessern lassen, da es durchgelaufen war.

Es geht über eine Kuhweide, wo der Wald einen schönen Blick auf Oberstdorf freigibt. Vor dem Schattenberg sieht man die Skisprungschanzen. Und im Vordergrund Tiefenbach und die Kirche, wo wir gestartet sind.

Nun geht es einen breiten Forstweg entlang, weiter nach oben. Am Rand finden wir wilde Erdbeeren und Blaubeeren. So süß und lecker. Da wandern einige in den Mund.

Am Abzweig zum Gaisberg folgen wir heute dem Weg weiter ins Lochbachtal. Erstmal wieder ein bisschen hinab. Das ist ganz angenehm. Mir ist so warm und es fühlt sich schon ziemlich anstrengend an heute. Im Tal angekommen, geht es wieder hoch. Erstmal weiter auf einem breiten asphaltierten Weg. Hier treffen wir auch die ersten anderen Wanderer und Radfahrer für heute. Den Gipfel des Besler kann man nun schon sehen. Da links geht es hinauf.

Wir machen im Schatten eine kurze Pause. Eigentlich war der Plan, zusammen auf den Gipfel zu steigen und danach auf der Freiburger Alpe noch ein Stück Kuchen zu essen. Den Abstieg dorthin und danach wieder hoch auf den Gipfel möchte ich mir aber nun doch sparen. Den Anstieg brauche ich heute nicht zweimal.

Ich krieche den Berg langsam weiter nach oben. Mir ist so heiß und ein bisschen übel. Das kenne ich schon von den ersten Anstiegen nach langer Pause von meinem Körper. Vielleicht ist es die wieder ungewohnte Anstrengung bergauf. Auf zu viel Anstrengung reagiert mein Körper immer mit Übelkeit, ob beim Laufen oder beim Wandern. Das ist nicht angenehm, aber ich bin es gewohnt inzwischen. Es wird auch nicht besser, egal wie viel Sport ich mache.

Trotzdem ist der Weg schön und zwischendurch haben wir immer wieder eine tolle Aussicht auf die höheren Berge. Hier sieht man den Schneck gut, der sieht von der Form aus wie ein Turnschuh von der Seite. Und links daneben sieht man den Hochvogel. Nummer 13 der höchsten Gipfel in den Allgäuer Alpen. Den werde ich allerdings auch nicht besteigen. Die Pyramide droht zu zerfallen. Der südliche Aufstieg ist wegen Felssturzgefahr schon lange gesperrt. Der Riss am Gipfelplateau ist inzwischen über 30 Meter lang und klafft mehrere Meter auseinander.

Es geht auf einem breiten Schotterweg weiter hinauf. Zwischen Kühen her, die am Wegesrand grasen oder uns anstarren. Von hier aus erkennt man das Gipfelkreuz schon deutlich. Aus dieser Perspektive fragt man sich allerdings, wie man die steilen Felsen da oben hochkommen soll.

Wir machen noch eine kurze Rast im Schatten an der Oberen Gundalpe, wo wir auch was zu trinken bekommen. Die Pause sorgt allerdings nur dafür, dass mir noch übler wird und ich mich übergeben muss. Normalerweise geht es mir danach super und ich kann locker flockig weiter wandern. Jetzt schleppe ich mich aber trotzdem ziemlich schlapp weiter und die Übelkeit kommt schnell wieder. Vielleicht wegen der Hitze.

An der Alpe endet der breite Schotterweg und wir steigen einen schönen, schmalen Pfad durch den Wald auf zum Grat. Gratwege sind immer toll, wenn man zu beiden Seiten so eine schöne Aussicht hat. Und der Gipfel kommt schnell näher.

Auf den letzten Metern gibt es noch ein kleines Abenteuer, nämlich einen leichten Klettersteig die Felsrinne hinauf. Es ist ganz schön steil, aber gibt eine Seilsicherung und genug Tritte und Griffe. Über die Felsblöcke geht es langsam nach oben. Hier ist mein dicker Rucksack allerdings sehr hinderlich. An einer schmalen Stelle brauche ich ein paar Anläufe und muss ziemlich puzzeln, bis ich sicher auf der nächsten Stufe bin. Und bei den hohen Tritten merke ich dann doch das zusätzliche Gewicht des Rucksacks. Es ist anstrengend sich immer wieder auf einem Bein von unten hochzudrücken. Ohne den Rucksack habe ich diesen Teil sehr viel einfacher in Erinnerung.


Dann ist es aber geschafft und wir schlagen alle drei am Gipfelkreuz an. Auch wenn ich mich noch 2 mal übergeben musste, ich das ein gutes Gefühl. Und jetzt kann ich ausruhen.

Es gibt Gipfelbrote, Möhren, Paprika, Tomaten und Kirschen. Das Essen hebe ich mir aber lieber für später auf, wenn mein Magen sich beruhigt hat.

Wir suchen mir einen ebenen Schlafplatz und werden etwas unterhalb vom Gipfel fündig. Der Platz ist perfekt, geschützt durch hohe Tannen und etwas ab vom Hauptpfad zum Gipfel. Dann machen Mama und Papa sich auf den Heimweg. Schön, dass ihr mit mir gegangen seid!

Ich richte mein Lager her und ziehe mich um. Erstmal aus den verschwitzten Klamotten raus. Trotzdem friere ich noch und ziehe eine lange Hose, Langarmshirt, Pulli und Daunenjacke über. Schon besser.

Da mir immer noch flau im Magen ist, lege ich mich erstmal hin. Wenn ich aufstehe, wird es schlimmer. Ich trinke kleine Schlucke und hoffe, dass ich das Wasser bei mir behalte. An neues komme ich erst morgen nach dem Abstieg. Ich schaue mir das Bergpanorama an und genieße es, wieder draußen zu sein. Hier oben ist gleich alles so entschleunigt. Kein Stress, man muss sich um nichts kümmern. Ich lese, schreibe vom Tag heute und hänge einfach meinen Gedanken nach. So gehen die 4 Stunden bis es kurz nach 20 Uhr ist, doch ganz schnell um.

Die paar Leute, die noch auf den Gipfel kommen, bemerken mich hier gar nicht. Das gibt mir ein gutes Gefühl und ich traue mich schon früh meinen Schlafsack rauszuholen. Da das Draußenschlafen nicht so richtig legal ist, mache ich das sonst eigentlich erst, wenn es schon dunkel wird. Hier bin ich aber auch nicht alleine heute Nacht. Es kommen noch 2 junge Kerle hinauf, die es sich direkt am Gipfel bequem machen. Erst denke ich, dass sie nach dem Sonnenuntergang wieder absteigen, aber sie haben auch eine Matte und Schlafsäcke ausgebreitet. Ich habe trotzdem meine Ruhe zwischen den Bäumen.

Es geht mir besser und ich mache mich auf die Suche nach einem schönen Platz, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Ich finde einen schmalen Grasbuckel, wo ich aber genug Abstand zur senkrechten Felswand halten kann. Hier mache ich es mir gemütlich und genieße jetzt endlich auch die Gipfelverpflegung.

Nachdem die Sonne verschwunden ist, krieche ich in meinen Schlafsack. Und ziehe erstmal ein paar Lagen wieder aus. Jetzt ist mir warm. Der Himmel ist sternklar und ein paar Sterne leuchten hell durch die Baumkronen. Es ist so schön. Ich fühle mich wohl. Und morgen bin ich bestimmt auch wieder ganz fit.


9,1 km
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