Ich habe echt gut geschlafen für eine Nacht unter dem Sternenhimmel. Ich bin zwischendurch mal wach, schlafe aber auch schnell wieder ein. Die Nacht ist total ruhig und mild. Kein Wind und morgens ist auch nichts feucht oder klamm. Nicht mal der Schlafsack außen. Es war ziemlich warm die ganze Nacht.

Ich bin wie immer früh wach und schaue noch ein bisschen in die Sterne. Über den Bergen in der Ferne wird es schon hell und der Himmel verfärbt sich rot. Sonnenaufgang ist aber erst um 5:36 Uhr. Also bleibe ich noch ein bisschen liegen und träume vor mich hin. Dann nehme ich die Kamera mit und setze mich auf einen Felsen am Gipfelkreuz. Von dort habe ich einen guten Blick nach Osten. Wenn der Himmel so klar ist, sind Sonnenauf- und untergang nicht so spektakulär, finde ich. Mit ein paar Wolken, die in orange und rot angestrahlt werden, sieht das noch besser aus. Aber es ist trotzdem wunderschön.

Die beiden Kerle, die auch hier oben geschlafen haben, verbreiten Kaffeeduft auf dem Gipfel und es kommen noch drei Frühaufsteher den Berg hinauf. Die Sonne taucht passenderweise direkt hinter den Sonnenköpfen auf. Vielleicht werden die drei Berge ja deswegen so genannt.

Ich ziehe mich an und packe meine Sachen zusammen. Ich versuche möglichst wenig Wasser fürs Zähneputzen zu nehmen, damit ich noch mehr zu trinken habe. Dabei noch ein paar Faxen machen. Waschen kann ich mich heute Abend am Bach. Ich mag das Leben draußen. Es ist so schön einfach in vielen Dingen.

Heute möchte ich über den Piesenkopf in Richtung Gottesackerwände gehen. Zwei kurze Tage zum Start. Dort fängt das Naturschutzgebiet Hoher Ifen an. Also werde ich mir vorher einen Schlafplatz am Rubach suchen. Ich bin gespannt, ob ich einen guten Platz finde, die Stelle kenne ich noch nicht. Da ich dort aber wahrscheinlich erst spät mein Lager aufschlagen kann, um nicht aufzufallen, lasse ich mir Zeit mit dem Losgehen. Ich nehme meinen gepackten Rucksack mit und suche mir einen gemütlichen Felsen am Gipfel.

Ich esse ein paar Salzbrezeln. Nach dem vielen Schwitzen und meinem leeren Magen gestern, ist ein bisschen Salz vielleicht ganz gut. Dabei schreibe ich und lese dann mein Buch weiter. Es ist so ruhig hier oben. Das genieße ich. Gestern Abend haben mich zwei Gämsen besucht und jetzt schaut auch eine durch die Bäume und beobachtet mich eine Weile, bevor sie wieder abhaut.

Ich sitze im Schatten und habe mich ja auch kaum bewegt bisher, aber mir wird schon wieder übel. Was ein Mist, das nervt. Vielleicht geht es ja wieder weg, wenn ich noch ein bisschen ruhig sitzen bleibe. Das kann doch nicht alles von den paar Höhenmetern gestern kommen.

Als die Sonne höher steigt, wird es schnell wieder richtig warm. Der Wetterbericht kündigt heute 31 bis 38 Grad an. Ich suche mir einen neuen Schattenplatz. An eine Tanne gelehnt, sitze ich da und beobachte die Leute, die sich freuen, den Gipfel erreicht zu haben. Um kurz nach 10 Uhr mache ich mich dann aber doch mal auf den Weg. Übel ist mir die ganze Zeit. Wenn ich den Bach früh erreiche, kann ich mich ja dort den ganzen Nachmittag noch ausruhen und habe auch genug Wasser.

Ich habe keine Lust, den Klettersteig zu nehmen, den wir gestern hochgekommen sind. Also folge ich dem Pfad auf der anderen Seite und steige Richtung Freiburger Alpe ab. Wenn die Übelkeit doch mal nachlassen würde. Und auch meine Tritte fühlen sich heute nicht so sicher an. Es ist ein schmaler Pfad über Wiesen und durch den Wald. Steinig und mit vielen Wurzeln. Zwischendurch etwas höhere Tritte. Da würde ich normalerweise so sicher wie ein Steinbock herunterlaufen.

Eigentlich wollte ich noch dem Beslerkopf und eventuell dem Schafkopf einen Besuch abstatten. Die beiden Gipfel liegen quasi auf dem Weg. Aber dazu kann ich die Kraft nicht aufbringen. So langsam fange ich auch an, mir Gedanken über morgen zu machen. Heute ist der Weg nicht so anspruchsvoll, recht kurz und wenig Höhenmeter. Ich würde es schon schaffen, mich zu meinem Schlafplatz zu schleppen. Aber morgen wollte ich hoch aufs Gottesackerplateau, auf den Hohen Ifen und dann weiter zur Schwarzwasserhütte. Das sind über 1.000 Höhenmeter hinauf und 1.500 Höhenmeter runter. Und auf dem Weg muss man trittsicher sein. Wenn es mir so geht wie heute, traue ich mir das nicht zu. Abkürzen kann ich da auch nicht, weil es keine weitere Hütte gibt und ich nicht mitten im Naturschutzgebiet übernachten möchte.

Langsam geht es weiter hinab. Ich freue mich über den vielen Schatten unter den Bäumen. Zwischendurch habe ich mal einen schönen Blick auf die Gottesackerwände. Sie sehen von weitem häufig wie gemalt aus.

Ich würde mich gerne einfach wieder in den Schatten setzen und nicht weitergehen. Vielleicht sollte ich zurück nach Hause gehen und weitergehen, wenn es mir wieder besser geht. Ich müsste nur der Straße durchs Lochbachtal bis zum Ende folgen, die Serpentinen runter und dann wäre ich schon wieder in Tiefenbach. Ein einfacher Weg, ungefähr 2 Stunden wahrscheinlich.

Kurz bevor ich auf die asphaltierte Straße komme, mache ich dann doch nochmal Pause. Gleich gibt es keinen Schatten mehr. Ich sitze da und starre die Tanne vor mir an. Überlege, was ich jetzt mache. Wahrscheinlich wäre es vernünftig erstmal nach Hause zu gehen. Wenn ich schon so einfach die Möglichkeit habe hier. So hatte ich mir das allerdings nicht vorgestellt. Ich möchte lieber weiter wandern und meine Tour genießen. Aber so ist das echt blöd.

Also schultere ich meinen Rucksack wieder und biege auf der Straße angekommen nach links Richtung Tiefenbach ab. Nach rechts habe ich einen guten Blick auf den Piesenkopf und die Gottesackerwände, wo ich eigentlich heute hergehen wollte.

Ich lege mir mein Shirt über Nacken und Schultern, die Sonne knallt ganz schön. Dann trinke ich einen kleinen Schluck. Aber ich kann das Wasser nicht mal eine Minute bei mir halten. Okay, dann war es die richtige Entscheidung. Wenn ich bei dem Wetter nicht mal was trinken kann, ist das ziemlich schlecht. Ich trotte die Straße entlang und rufe Mama an, dass ich auf dem Rückweg bin.

Die Straße zieht sich. Ich komme an zwei bewirtschafteten Alpen vorbei und an dem Abzweig zum Gaisberg, wo wir gestern hergekommen sind. Dann fangen irgendwann die Serpentinen an und es geht steiler hinab. Mich überholen zig Radfahrer auf E-Bikes. Autos dürfen hier nicht fahren, nur die Leute auf den wenigen Alpen im Lochbachtal haben wahrscheinlich eine Sondergenehmigung.

Irgendwann kommt mir Papa auf dem Rad entgegen. Schweißgebadet, er ist die Serpentinen natürlich ohne Motor am Rad hochgefahren. Und das bei der Hitze. Er nimmt mir meinen Rucksack ab und will dann nochmal hochkommen.  Ohne Rucksack läuft es sich schon leichter und ein paar Kurven weiter kommt mir Mama zu Fuß entgegen. Ich habe einfach die besten Eltern. Das Auto haben sie unten vor der Schranke geparkt. Als Papa wieder da ist, lasse ich mich auf dem Rad den restlichen Berg herunterrollen und warte unten im Schatten auf die beiden. Dann fahren Mama und ich die paar Minuten mit dem Auto nach Hause und Papa mit dem Rad.

Ich genieße die kühle Luft in der Wohnung. Dusche mich kalt ab und lege mich ins Bett. Die Übelkeit verschwindet langsam und ich trinke Tee in kleinen Schlucken. Hoffentlich kann ich bald weitergehen. Morgen bleibe ich aber erstmal hier und gönne meinem Körper Ruhe.


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