Jetzt ist schon Oktober. Wahnsinn. Der fünfte Monat draußen, bei Wind und Wetter. Und in diesen Monaten von Mai bis Oktober habe ich schon alle vier Jahreszeiten erlebt.

Heute bin ich spät dran. Ich mag nicht aus meinem warmen Schlafsack raus. Anziehen, Tee trinken, packen, Zähne putzen. Dann geht es um halb 10 los. Bis auf mein Außenzelt ist nichts eingefroren. Und auch mein Schlafsack ist nur ganz leicht feucht außen. Mein Zeltplatz war also gut. Es war nämlich windstill und das heißt immer, mehr Kondensation.

Als ich mich gerade auf den Weg zurück auf den Fahrweg mache, sehe ich Miri und Flo. Ich bin so spät dran, dass sie schon die ersten 5 Kilometer hinter sich haben. Das ist ja mal ein passendes Timing, dann können wir doch noch ein Stück zusammen gehen. Erstmal geht es nämlich genauso langweilig weiter wie gestern.

Wir quatschen, gehen nebeneinander, dann hintereinander in einer Reihe, wenn der Weg in der Mitte so steinig und blöd zu gehen ist, und wieder nebeneinander. Nach etwa 10 Kilometern wollen Miri und Flo Mittagspause machen. Ich habe kein Wasser mehr und möchte auch erst noch ein bisschen gehen. Ich mag es, vor meiner Pause schon die Hälfte geschafft zu haben. So hat jeder seinen eigenen Rhythmus. Also verabschieden wir uns wieder. Jetzt werden wir uns nicht mehr treffen, da ich gleich nach rechts abbiege Richtung Masi. Nur noch bis zum Anfang des Sees da hinten bleibe ich auf diesem Weg.

Gegenüber vom See Biggejávri folge ich einer Quad-Spur, um über den Berg Biggevárri zu gehen. Ganze 150 Höhenmeter geht es dafür nach oben. Aber es reicht, um eine etwas bessere Aussicht zu haben.

Da geht es in einer weiten Kurve hoch. Da hätte ich auch einfach querfeldein abkürzen können.

Oben geht es dann über den Muvravárri und über den breiten Bergrücken rüber zum Biggevárri. Natürlich ist es hier oben wieder sehr viel windiger.

Eigentlich hatte ich den See da hinten angepeilt für meine Pause. Aber dafür ist es mir jetzt zu windig. Also wird die Pause mal wieder gestrichen und ich esse nur beim Gehen ein paar Nüsse.

Bis zur Straße nach Masi geht es jetzt bergab. Begleitet von zig Rentieren. Wenn sie mich hören, halten sie inne, starren mich an und erst wenn ich nur noch 10 Meter entfernt bin, rennen sie weg. Es ist eine riesige Herde.

Es geht wieder zwischen kahlen Bäumen und Sträuchern her. Immer wieder scheuche ich Rentiere auf, die sich dazwischen tummeln.

Eine Stunde später habe ich dann, glaube ich, den ersten Blick auf Masi. Zwar noch ganz weit weg, aber da hinten, wo der Sonnenfleck ist, sollte der Ort sein.

Ich muss noch über ein paar große, ziemlich sumpfige Wiesen rüber. Meine Füße sind schnell nass, da ich heute meine neuen Socken anhabe und nicht die wasserdichten. Dunkelgrüne, wie sie auch Jäger tragen. Das stand jedenfalls auf dem Schild und der Verkäufer meinte, das wären die besten.

Der Weg ist die ganze Zeit ganz gut markiert. Oben auf dem Berg hört die Quad-Spur auf und es gibt eine Weile nur einen undeutlichen Pfad. Dafür aber viele Steinmännchen. Auf dem Weg runter kann ich dann wieder Quad-Spuren folgen. Noch durch einen Durchgang im Rentierzaun und dann stehe ich an der Straße.

Gegenüber ist ein kleiner Parkplatz mit Mülleimer. Da entsorge ich meinen Müll. Ich bin mir nie sicher, wie ich leere Gaskartuschen ordentlich entsorge. Das ist etwas schwierig unterwegs. Und die Norweger, die ich zwischendurch gefragt habe, hatten auch keine eindeutige Antwort. Wenn man an einem Laden vorbeikommt, wo Gas verkauft wird, kann man die alte Kartusche dort abgeben. Aber dann müsste ich sie bis nach Mehamn mitschleppen. Da sie komplett leer ist, schmeiße ich sie jetzt einfach hier in den Mülleimer. Eine neue Gaskartusche hatte ich in Kautokeino schon gekauft.

Die nächsten 3 Kilometer gehe ich am Straßenrand entlang, dicht an der Leitplanke. Die Autos rasen an mir vorbei, die meisten aber mit großem Abstand. Beim Masi Turistsenter soll es einen Imbiss und Campingplatz geben. Der Imbiss hat allerdings geschlossen und ist zu verkaufen. Auch sonst ist hier niemand, es hängt nur eine Telefonnummer an der Tür, die man anrufen soll, wenn man eine Hütte mieten möchte. Ne, da habe ich jetzt keine Lust anzurufen. Dann kann ich auch noch den Ort und die restliche Straße hinter mich bringen und mir etwas weiter am Fluss einen Zeltplatz suchen. Ein Stündchen Tageslicht kann ich noch nutzen.

Der Ort ist klein, aber ziemlich langgezogen. Immer wieder komme ich an vereinzelten Häusern und Höfen vorbei. Am Dorfladen, der samstags schon mittags schließt, kommen mir zwei Hunde auf der Straße entgegen. Aber sie bellen nicht, schnuppern nur mal an mir und laufen weiter. Da habe ich auch keine Angst. Nach 4 Kilometern Straße und einer gefühlten Ewigkeit, komme ich endlich zur Brücke über den breiten Fluss Kautokeinoelva. Ich schaue mich um und gehe etwas die Böschung runter. Ich könnte mein Zelt direkt unter der Brücke aufstellen, entscheide mich aber für einen ebenen Streifen daneben. Oben sind zwar zwei Wohnhäuser, aber hier unten bin ich weit genug entfernt und wahrscheinlich gar nicht zu sehen.

Um halb 6 steht mein Zelt und ich hole Wasser unten im Fluss. Zwischendurch fährt mal ein Auto vorbei oder es bellt ein Hund, aber ansonsten ist es hier wie ausgestorben.

Heute probiere ich zum Nachtisch eine Mousse au Chocolat. Ich habe wahrscheinlich ein bisschen zu viel Wasser genommen, es hat eher die Konsistenz von dickflüssiger Schokosauce. Aber es ist nicht zu süß und echt lecker. Dann schaue ich mir doch nochmal meine letzte Etappe an. Auch wenn ich mich in Skoganvarre entscheiden wollte, lässt es mir keine Ruhe. Ich freunde mich immer mehr mit dem Gedanken an, von Skoganvarre bis Mehamn einfach Straße zu laufen. Das wird echt öde, aber ich brauche mich nicht mehr um das Gelände querfeldein zu sorgen. Mir ist es wichtiger, am Schluss dann noch genug Kraft für den Weg zum Kinnarodden zu haben. Der soll nicht ohne und ziemlich anstrengend sein, überwiegend über Geröllfelder. Da freue ich mich auch schon richtig drauf, auf den Weg zum Finale. Dort komme ich noch am nördlichsten Sandstrand vorbei und die Bilder sahen echt super aus. Wenn ich mich an die Straße halte, sind das ungefähr 250 Kilometer, die ich locker in maximal 8 Tagen schaffen kann. Damit wäre ich sogar noch 2 Tage eher als meine Deadline am Startpunkt zum Kinnarodden und hätte somit mehr Puffer, um meine Wanderung bei gutem Wetter beenden zu können. Das klingt doch gut. Ich glaube, so mache ich es.


34,3 km
6:50 h
380 hm
588 hm
552 m