Ich bin früh wach und beobachte aus meinem Bett heraus den Sonnenaufgang. Der Himmel ist ganz wolkenfrei. Am Horizont ist ein breiter orangener Streifen zu sehen. Ich bleibe noch eine Weile liegen, bevor ich nochmal das tolle Frühstücksbuffet auskoste. Als ich wenig später aus dem Bad komme, erschrecke ich fast ein bisschen. Nun ist gar nichts mehr zu sehen von dem schönen blauen Himmel. Nur noch weißer, dichter Nebel.

Es ist 10:30 Uhr bis ich los komme. Ich checke aus und gehe noch kurz zur Post, die gestern Abend schon geschlossen hatte. Das ist das letzte Päckchen, das ich zurück schicke. Nicht mehr benötigte Wanderkarten und ein paar andere Kleinigkeiten. Mein Mückennetz brauche ich jetzt auch nicht mehr.

Ich glaube diese kleine Auszeit war genau richtig. Ich fühle mich sehr viel besser. Ich mache zwar keine Freudensprünge, dass ich jetzt weitergehen darf, aber es ist okay. Das herrliche Wetter macht auch echt viel aus. Der Nebel hat sich in den letzten Stunden langsam wieder verzogen. Ich genieße die kalte Luft auf meiner Haut und dazu die Sonne im Gesicht. Es sind knapp über 0 Grad. Da ich auf dem Weg nochmal am Supermarkt vorbeikomme, kaufe ich mir ein Eis, zwei Pflaumen und eine Birne und vernasche alles auf dem ersten Kilometer. Es ist ja nicht so, dass ich gerade ausgiebig gefrühstückt hätte. Auf so einer langen Wanderung ist alles erlaubt. So fängt der Tag gut an.

Das erste Stück aus Kautokeino raus laufe ich an der wenig befahrenen Straße entlang. Dann geht es auf eine Quad-Spur, die mehr oder weniger parallel zur Straße verläuft. An kahlen Birken und krüppeligen Büschen vorbei.

Ich bin irgendwie schon ganz aufgeregt. Vielleicht wird das heute Nacht ja mal endlich was und ich sehe meine ersten Polarlichter. Ich hoffe, dass der Himmel klar bleibt. Bisher sieht es gut aus. Hinter mir bilden sich immer mehr Wolken, aber vor mir ist es fast wolkenfrei.

Der Weg ist unspektakulär und recht langweilig. Aber ich komme schnell vorwärts. Zwischendurch kann ich die Spur auch schon auf den nächsten beiden Hügeln vor mir sehen. Nur unterbrochen von den Senken dazwischen. Irgendwann entdecke ich ziemlich weit weg zwei Gestalten. Erst sieht es so aus, als würden sie in meine Richtung kommen. Sie gehen aber in dieselbe Richtung wie ich. Vielleicht sind es Jäger. Wanderer trifft man eigentlich keine mehr jetzt. Oder es könnten Miri und Flo sein. Ich weiß, dass sie auch in Kautokeino waren gestern.

Es dauert bestimmt noch eine Stunde, bis ich sie eingeholt habe. Zwischendurch verschwinden sie hinter einem Hügel und langsam hole ich auf. Es sind tatsächlich Miri und Flo. Als ich schon ziemlich nah dran bin, bleiben sie stehen und warten auf mich. Das ist ja eine schöne Überraschung. Wir haben uns in Lindesnes getroffen, als sie 2 Tage vor mir gerade losgewandert sind. Und in Rjukan, wo wir zusammen Pizza essen waren. Ich freue mich sehr über die Gesellschaft. Beim Quatschen geht die Zeit gerade auf so einem öden Weg doch viel schneller um.

Die nächsten 15 Kilometer gehen wir zusammen. Die beiden hatten auch vor Kautokeino ein kleines Tief und haben dort zwei Tage Pause gemacht. Ihr Weg führt sie jetzt nach Alta und dann weiter zum Nordkap. Wir gehen noch zweimal ein kurzes Stück am Straßenrand und folgen dann wieder einer kleinen Nebenstraße. Sie ist mit dem roten Kreuz als Winterroute markiert und für Schneemobile, Fahrräder und Wanderer ausgeschildert.

Miri und Flo wollen eine Pause machen und sich dann so langsam einen Zeltplatz suchen. Ich gehe lieber noch ein Stück weiter. Ich möchte gerne morgen Abend in Masi sein, dazu muss ich an beiden Tagen um die 30 Kilometer laufen. Also verabschieden wir uns schon wieder. God tur videre! Es war schön, euch nochmal zu treffen.

Dann trotte ich alleine den Fahrweg weiter entlang. Immer weiter. Um kurz nach 17 Uhr steht die Sonne schon ziemlich tief.

Der Weg ist sogar mit roten Ts markiert. Damit man sich auch ja nicht verläuft beim Geradeausgehen.

Mein Ziel sind zwei kleine Seen. Ich habe schon eine Weile kein Wasser mehr und ziemlichen Durst. Die letzten beiden Bächen waren an beiden Seiten steil und zugewuchert. Zwischen den beiden Seen führt eine Quad-Spur auf einen Hügel rauf. Ich folge ihr ein Stück und finde dann einen ebenen Platz für mein Zelt. Mit dem richtigen Standort kann man auch Feuchtigkeit vermeiden. Das weiß ich zwar, habe mich aber nie wirklich daran gehalten. Heute werde ich es mal ausprobieren, nicht direkt am See, sondern ein Stück entfernt und höher zu zelten. Da sollte die Luft weniger feucht und kalt sein, als direkt am Wasser.

Ich baue mein Zelt beim Sonnenuntergang auf. Der Blick ist perfekt. Direkt Richtung Sonne und mit toller Spiegelung im See. Inzwischen ist vor 18 Uhr schon Sonnenuntergang.

Ich beeile mich, meine Luftmatte aufzupusten und Wasser im See zu holen. So kann ich nämlich beim Essen, eingekuschelt in meinen Schlafsack, noch die schönen Verfärbungen am Himmel beobachten. Erst knallig orange, dann eher pink.

Ich dachte erst schon, dass die Wolken am südlichen Horizont zu mir herüberkommen, aber es bleibt klar. Bald sind die ersten Sterne zu sehen und ich schaue immer wieder raus und hoffe auf grüne Schleier. Aber auch der Sternenhimmel ist schon fantastisch. Ich sehe sogar eine Sternschnuppe.

Vor 20 Uhr ist das Außenzelt schon mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Das wird wohl wieder eine kalte Nacht. Wobei es mir gar nicht so eisig vorkommt. Meine Schuhe sind heute trocken geblieben, also lasse ich sie einfach draußen stehen.

Gegen Viertel nach 9 ist es dann soweit. Ich bin mir erst gar nicht sicher. Aber doch, das ist definitiv ein grüner Schleier. Wenn auch nur ganz schwach. Ich nehme meine Stirnlampe und meine Kamera mit und gehe ein Stück den Hügel hoch, um besser sehen zu können. Die Schleier sind in nordwestlicher Richtung zu sehen, genau hinter dem Hügel. Ich mache ein paar Fotos und spiele mit den Einstellungen herum. Vor allem in so einer Situation bin ich froh über meine Kamera, wo ich alles manuell einstellen kann. Ich bin ziemlich erstaunt. Auf den Fotos sind die Farben viel kräftiger und die Ränder der Schleier sogar rötlich. Ohne Kamera kann ich nur schwaches Grün sehen.

Es sieht schon toll aus, aber ich bin ein bisschen enttäuscht. Sind die Nordlichter nur auf Fotos so farbenfroh? Oder habe ich einfach nur noch nicht genug Glück?

Da die Schleier so schwach bleiben und es mir dann doch zu kalt wird, will ich mich lieber schlafen legen. Aber ich muss im Dunkeln erstmal mein Zelt wiederfinden. Ich bin wohl ein ganz schönes Stück den Hügel hinaufgegangen. Gut, dass die Leinen im Schein meiner Stirnlampe leuchten, sonst hätte ich bestimmt noch länger gesucht. Hoffentlich gibt es nochmal eine so schön sternklare Nacht, wo die Nordlichter stärker zu sehen sind. Der KP Index ist auch in den folgenden drei Nächten ziemlich hoch. Das ist eine globale Kennziffer für die geomagnetische Aktivität. Je höher der Index, desto wahrscheinlicher ist es, Polarlichter zu sehen.


29,6 km
6:00 h
373 hm
244 hm
477 m