Auf geht’s zu meiner letzten Etappe. Ich freue mich. Ich habe meine Schuhe geklebt und mit Zahnseide genäht. Hoffentlich halten sie noch die letzten 250 Kilometer.

Ich habe gestern im Supermarkt Frühstück für heute mitgenommen. Es gibt nämlich eine Gemeinschaftsküche am Campingplatz. Es gibt ein Aufback-Baguette mit Frischkäse und Tomaten und einen großen Smoothie. Noch einen Apfel und eine Birne und dann bin ich bereit für den Tag. Ich putze das Bad, beziehe das Bett neu und wische den Boden. Es ist schon halb 11, als ich losgehe.

Allerdings überlege ich schon den ganzen Morgen, dass ich eigentlich meine liegengebliebene Schreibarbeit gerne noch erledigen würde, bevor ich wieder aufbreche. Und das am besten irgendwo, wo ich danach nochmal mein Handy laden kann. Die Möglichkeit werde ich die nächsten 1,5 Wochen nämlich nicht mehr haben und da ich keine Papierkarten mehr habe, werde ich häufiger aufs Handy schauen müssen. Ich entscheide mich dafür, nochmal zurück ins Zentrum zu gehen und mich ins Café zu setzen. Dann kann ich in Ruhe schreiben, bestimmt auch laden und dann ohne Ballast losgehen.

Das Café hat leider sonntags geschlossen. Aber die Tankstelle hat geöffnet, da gibt es auch Sitzplätze. Und ich entdecke sogar eine Steckdose direkt unter meinem Tisch. Ich trinke Kakao und schreibe. Die Zeit vergeht wie im Flug, wie immer, wenn ich einmal drin bin. Ich kann meinen Kakao am Automaten kostenlos nachfüllen. Ich brauche viel länger als geplant zum Schreiben. Aber es ist mir wichtig, dass heute noch zu erledigen. Ich ermahne mich selber, dass ich die Zeit habe und mich nicht stressen brauche. Als es dann allerdings schon 16 Uhr ist, als ich fertig bin, dämmert es draußen. Ich bin froh, dass der Blog jetzt wieder auf dem aktuellen Stand ist, aber was mache ich jetzt?

Ich beschließe hier noch etwas zu Essen, während ich mein Handy lade. Dann werde ich wenigstens die 13 Kilometer Straße noch hinter mich bringen und mir am Anfang der Quad-Spur einen Zeltplatz suchen. Das sollte auch im Dunkeln klappen. Statt Wandertag war das dann eben heute eher noch ein Schreibtag.

Es ist kurz nach 17 Uhr, als ich endlich aufbreche. Zuerst gibt es noch einen breiten Gehweg neben der Straße. So komfortabel wird es wohl nicht die ganze Zeit bleiben.

Ich fühle mich gut und bin irgendwie froh über die Bewegung. Davon hatte ich die letzten beiden Tage so wenig. Ich genieße den Abendspaziergang. Es wird langsam immer dunkler, aber ich sehe auch ohne Stirnlampe noch ganz gut. Es ist Vollmond und dadurch relativ hell.

Ich gehe am Straßenrand, komme an einzelnen Häusern und hell erleuchteten Fenstern vorbei. Wenn ein Auto das grelle Fernlicht nicht ausschaltet, sehe ich noch eine Weile Lichtpunkte vor meinen Augen. Ich mache meine Stirnlampe jedes Mal an, wenn ein Auto auf mich zu kommt und vor einer Kurve, damit ich besser gesehen werde. Aber mit der Zeit werden es immer weniger Autos.

Ich genieße die Meter ohne Licht. Nachdem ich erst noch ein paar wenige Regentropfen abbekommen habe, klart es ein bisschen auf. Über mir tauchen immer mehr Sterne auf. Und es ist richtig mild, ich bin schon fast zu warm angezogen. Richtig angenehm ist es. Schön, wenn es nicht so eisig ist.

Links von mir kann ich den dunklen Fjord sehen. Irgendwann kommt dann rechts mein Abzweig. Es ist sogar ein Wanderweg ausgeschildert. Perletur Routen gibt es in der gesamten Finnmark. Es ist eine Initiative von Freiwilligen in Zusammenarbeit mit den Gemeinden, um Leute zum Wandern zu animieren. Man kann sich online ein Profil erstellen und dann von Mai bis Oktober möglichst viele Touren sammeln. Die Schilder habe ich hier oben nun schon häufiger gesehen.

Jetzt fängt wieder das Suchspiel nach einem Zeltplatz an. Ich schalte meine Stirnlampe auf die hellste Stufe und suche die Umgebung ab. Etwas weiter ist neben der Straße eine relativ ebene Wiese mit ein paar einzelnen Bäumen. Das sieht doch gut aus. Ich prüfe nochmal das Wetter, aber ganz so windig soll es heute Nacht nicht werden. Um kurz nach 20 Uhr habe ich mein Zelt aufgebaut und mein Lager eingerichtet.

Über mir sehe ich ein paar grüne Schleier, aber nur ganz schwach. Wahrscheinlich ist es auch viel zu hell durch den Vollmond. Sogar zum Zeltaufbau brauche ich kein Licht, das funktioniert fast blind inzwischen. Ich genieße es richtig, dass es so mild ist und ich mich nicht beeilen und schnell im Schlafsack verschwinden muss. Da liege ich dann auch nur drauf, sonst ist mir zu warm.

Auf der Schotterstraße ist ein ganz schöner Verkehr. Da bin ich morgen mal gespannt, wo die alle hinfahren. Eigentlich führt die Straße nur 3 Kilometer bis zu ein paar Hütten und hört dann auf. Mit meiner neu geplanten Route gehe ich jetzt zwar wieder ein bisschen Zickzack und morgen erstmal nach Süden, aber dafür umgehe ich so die großen Flüsse.

Ich freue mich, dass ich aktuell bin mit Schreiben und lade auch gleich den heutigen Tag noch hoch. Dann will ich ein neues Hörbuch anfangen. Ein ganz besonderes. Meine Freunde und Familie haben mir als Überraschung und Unterhaltung auf den letzten Kilometern ein Hörbuch selbst aufgenommen. Ich freue mich riesig darüber, das ist das perfekte Geschenk! Sie lesen mir Kapitel aus dem Buch „Als ein Virus Napoleon besiegte: Wie Natur Geschichte macht“ von Sebastian Jutzi vor. Ganz, ganz lieben Dank an euch alle! Vor allem an Margit, meine beste Freundin, die das alles organisiert hat. Und an Lisa R., Tobi, Jenny, Papa, Lisa, Felix, Marco, Bibi, Olaf und Mama – in der Reihenfolge habe ich beim Durchzappen eure Stimmen erkannt. Eine geniale Aktion!


13,3 km
2:30 h
116 hm
92 hm
38 m