Heute ist ein Jubiläumstag. 150 Tage bin ich jetzt schon unterwegs. Unvorstellbar – die Zeit geht so schnell um. Und gleichzeitig fühlt sich der Beginn meiner Wanderung schon so lange her an.
Es ist bewölkt, aber mit ein paar Löchern, wo blauer Himmel zu sehen ist. Das sieht nach einem schönen Tag aus. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Tage. Auf die Landschaft und ob alles problemlos klappt. Heute kann ich noch einer Quad-Spur folgen, bevor es dann morgen weglos weitergeht.
Die ersten paar Kilometer gehe ich über die Schotterstraße, wo gestern Abend und auch heute Morgen so viel Verkehr war. Es geht direkt recht steil nach oben. Hinter mir der Porsangerfjord.
Meine Beine sind ein bisschen schwer. Ich merke schon, dass der Rucksack jetzt wieder schwerer ist. Vor allem wenn es bergauf geht. Ich muss mich erstmal warmlaufen heute.
Nach einer Weile kommt die Sonne raus. Schön! So kann es gerne bleiben. In den nächsten Tagen soll es auch weitestgehend trocken bleiben. Bei einer nasseren Vorhersage, hätte ich mir das nicht angetan und wäre doch Straße gegangen.
Am Ende der Schotterstraße komme ich auf einen großen Platz mit ein paar Hütten, Zelten und vielen Zäunen. Anscheinend Rentiergehege. Dahinter ist ein ganz schöner Lärm, das müssen viele Quads sein. Vielleicht ist es eine kleine Sami-Siedlung. Ich gehe weiter und höre hinter mir jemanden rufen. Ich drehe mich um und ein Mann winkt mir aus seinem Van zu. Er ruft irgendetwas, das ich nicht verstehe. Ich gehe zu ihm und er meint, dass ich hier nicht hergehen könne, da kämen gleich die Rentiere. Ich solle hinter den Hütten hergehen. Daher also der Lärm. Ich gehe zu den Hütten und beobachte aus sicherem Abstand, wie die Leute auf den Quads laut rufend eine große Herde Rentiere vor sich hertreiben. Als alle in dem großen Gehege sind, gehe ich weiter und finde die Quad-Spur, der ich nun folgen will.
Es geht die ganze Zeit leicht nach oben. Die Spur ist gut zu erkennen und ich muss mich nicht damit aufhalten, den Weg zu suchen. Es klart immer mehr auf und ich freue mich sehr über das schöne Wetter.
Ich gehe noch ein paar Mal an Rentierzäunen entlang. Bis ich plötzlich vor diesem Zaun stehe. Normalerweise gibt es immer einen Durchgang oder einen Teil, den man öffnen kann. Hier sieht es nicht so aus. Aber die Quad-Spur führt doch da her. Können die Quads fliegen? Gut, dass der unterste Draht hoch genug ist. Ich schiebe meinen Rucksack auf die andere Seite und robbe dann selber auf dem Bauch liegend hinterher.
Zwischendurch teilt sich die breite Spur. Meistens kommen beide Wege etwas weiter aber wieder zusammen. Am Beginn des Časkiljohka muss ich ein kleines Stück über sumpfige Wiese. Große Teile des Wassers zwischen den Gräsern ist gefroren.
Inzwischen sind meine Beine warmgelaufen und das Gehen fällt mir wieder leichter. Das Rucksackgewicht merke ich gar nicht mehr. Der Rucksack gehört eben zu mir nach so vielen Kilometern. Ich gehe ein bisschen runter und über den nächsten Hügel. Der Boden ist steinig, zwischendurch mit kahlen Ästen und Flechten bedeckt.
Die Aussicht ist ganz schön. Rechts und links von mir sind ein paar höhere, felsige Berge.
Zwischendurch kann ich meinen Weg schon ziemlich weit vor mir sehen. Ich höre zweimal Motorengeräusche und rechne damit, von einem Quad überholt zu werden. Es ist aber beide Male ein Flugzeug.
Ob die Landschaft die nächsten Tage so bleibt? Flechten, Sumpf, Steine, kleine Schluchten und felsige Berge?
Jetzt geht es da unten über die Ebene. Durch Sumpf und Matsch. Gut, dass es danach hinaufgeht und der Boden wieder trocken ist. Rechts hinten ist der Luostegáisá zu sehen. Wenn ich von Skoganvarre aus direkt querfeldein Richtung Osten gegangen wäre, dann wäre ich auf der Südseite des Berges hergegangen. Ich bin gespannt, ob ich gleich noch einen Blick auf den Luostejohka habe. Den Fluss, den ich dann zweimal hätte queren müssen.
Als die Sonne herauskommt, beschließe ich an einem kleinen Bach Pause zu machen. Herrlich. Ich esse ein paar Nüsse und Müslikekse und genieße das Wetter. Aber die Sonne bleibt nicht lange. Nach ein paar Minuten schiebt sich schon die nächste Wolke davor.
Weiter geht’s Richtung Luostegáisá.
Und dann steht plötzlich ein Wegweiser hier mitten im Nirgendwo. Nach Børselv scheint es auch eine Quad-Spur zu geben. Die ist gar nicht eingezeichnet in den Karten. Ich folge aber weiter der Spur Richtung Suolojávri. Vorher kommt der See, den ich anpeile als Ziel für heute.
Mir ist jetzt schon häufiger aufgefallen, dass der Himmel mitten am Tag schon einen orangenen Streifen am Horizont hat. Erst dachte ich immer, dass es dort gewittrig wäre, dann verfärbt der Himmel sich ja auch manchmal. Allerdings steht wohl eher die Sonne den ganzen Tag so tief hier oben. Es ist gerade einmal kurz nach 14 Uhr und da hinten sieht es so aus, als würde die Sonne schon untergehen.
Es geht nochmal leicht hinauf. Steil ist es nirgendwo. Ich gehe zwischen Vapmaoaivi und Luostegáisá über den breiten Bergrücken und an ein paar Seen vorbei. Den Fluss habe ich leider nicht sehen können. Hier irgendwo wäre ich auch bei meiner ursprünglichen Planung rausgekommen. Dafür hätte ich von Skoganvarre zwei Tage gebraucht. Jetzt waren es eben vier Tage über Lakselv.
Hier oben ist es ganz schön windig. Gegen halb vier habe ich endlich einen ersten Blick auf mein Ziel. Da unten am See Geaidnojávri will ich mir einen Zeltplatz suchen. Ab da geht es dann morgen weglos weiter. Die Quad-Spur führt weiter nach Süden, aber ich muss ja noch ein ganzes Stück nach Osten.
Es geht hinab und über viele kleine Hügel. Am See angekommen, schaue ich mich um und gehe auf die Suche nach einem windgeschützten Platz. Das ist aber schwierig. Zudem ist der Boden uneben oder sumpfig. Nicht so einfach. Ich rufe das Wetter ab und baue mein Zelt mit dem First in Windrichtung auf. Hoffentlich geht das gut.
Ich habe mir vorgenommen, die nächsten Tage früh loszugehen und spätestens um 16 Uhr anzufangen, nach einem Zeltplatz Ausschau zu halten. Dann habe ich bei Tageslicht vielleicht noch eine gute Chance einen etwas windgeschützten Platz zu finden.
Jetzt rüttelt der Wind so an meinem Zelt, dass ich nicht schlafen kann. Ich liege da, starre die Zeltwand an und höre mein Hörspiel. Hoffentlich kann ich doch irgendwann einschlafen.