Heute ist es so weit. Es geht auf zu meinem letzten Ziel. Und zwar bei traumhaftem Wetter. Das Warten hat sich anscheinend gelohnt. Um kurz nach 8 Uhr verlasse ich diese schöne Bucht am Mehamnfjorden.

Ich hatte schon auf meinem Weg hierher eine rote Markierung kurz hinter dem See gesehen. Da geht es hin und dann die Landzunge entlang zurück zur Straße. Mir wird schnell warm, es geht nämlich sofort steil hoch. Ich hatte mir den Weg auf der Karte vorher gar nicht so genau angeschaut, aber anscheinend geht es auf direktem Weg über die Berge rüber und nicht daran vorbei. Schon nach dem ersten kurzen Anstieg habe ich eine tolle Sicht zurück auf den Skittenfjorden.

Ich verliere die Markierungen und schaue auf die Karte. Der Weg liegt irgendwo rechts von mir. Also klettere ich die Grasflanke hinauf. Oben finde ich die roten Ts wieder.

Die Sonne geht langsam auf und strahlt die Wolken von hinten an. Das sieht gut aus.

Die Markierungen führen mich weiter hinauf und es wird felsiger. Es ist ein richtig schöner Weg. Es geht runter, durch eine Senke, und dann auf die nächste Spitze hinauf. Immer wieder.

Vor mir kommt der höchste Punkt in Sicht, da geht es rüber.

Der Blick zurück wird immer besser und ich kann die Fjorde zu beiden Seiten der Landzunge sehen. Dahinter das offene Meer.

Und ganz da hinten liegt mein Ziel. Den Kinnarodden kann ich aber, glaube ich, nicht sehen. Davor liegt noch Magkeilspira. Die Ecke verdeckt mir von hier aus die Sicht.

Hier oben liegt ein bisschen Schnee und die Felsen sind rutschig, also gehe ich vorsichtig. Es kommt noch eine Senke in Sicht. Das ist ja ein ganz schönes Auf und Ab. Irgendwie hatte ich gedacht, dass ich viel schneller wieder in Mehamn bin. Aber ich genieße das Wetter und die Aussicht.

Nachdem ich zwischendurch etwas länger nach der nächsten roten Markierunge suchen musste, kann ich mir hier nicht verlaufen. Da hat jemand sehr großzügig große Ts auf den Felsen verteilt.

Um kurz nach 9 Uhr kommt die Sonne hinter den Wolken hervor und taucht alles in ein goldenes Licht. Es ist einfach magisch.

Ich erreiche den höchsten Punkt und bin so früh am Morgen schon überglücklich. Mit so einem schönen Weg und dann noch einem Gipfel hatte ich nicht gerechnet. Jippieh, es ist wunderbar hier auf dem Skipsviktuva auf 221 Meter Höhe.

Dann geht es runter und ist nicht mehr weit bis zur Straße.

Um kurz nach 10 Uhr bin ich wieder in Mehamn. Inzwischen ist mein Proviant aufgefuttert, also gehe ich zum Supermarkt. Als ich bezahlen möchte, funktioniert allerdings meine Karte nicht. Was soll das denn jetzt? Ich prüfe zur Sicherheit den Kontostand und meine PIN. Alles in Ordnung. Wir probieren es an der anderen Kasse, aber auch dort funktioniert es nicht. Also muss ich meine Einkäufe erstmal dalassen. Ich gehe die paar Meter rüber zu Vidars Werkstatt, wo er gerade ein Auto auf Vordermann bringt, um es zu verleihen. Er bietet an, dass wir es an seinem Kartenlesegerät probieren und dort funktioniert meine Karte ohne Probleme. Also gehe ich nochmal zurück zum Supermarkt und schon als ich reinkomme, meint die Kassiererin, dass es jetzt funktionieren wird. Sie hätten ein Problem mit den Kassen gehabt. Dann muss ich ja doch nicht hungern. Aber ich habe mir kurz schon echt Sorgen gemacht, da ich nur die eine Karte dabei habe.

Ich probiere Vidars Bergschuhe an, die perfekt passen. Und er gibt mir noch 2 große Mülltüten mit, in die ich für die beiden Furten auf dem Weg einfach hineinsteigen soll. Bei den Temperaturen jetzt ist es umso wichtiger, dass meine Sachen trocken bleiben. Er meint, dass bisher Sommer war, jetzt wäre der Winter da. Und da würden andere Regeln gelten. Wobei es jetzt ja schon eine Weile immer wieder ziemlich kalt ist. Außerdem gibt er mir eine Karte mit, wo alle großen Steinmännchen auf dem Weg eingezeichnet sind. Nummeriert und mit Koordinaten. So kann ich ihm schnell mitteilen, wo ich bin, falls etwas passiert. Aber das wird es nicht. Ich bin echt gespannt, wie es wird. Um den Weg wird ja irgendwie ziemlich viel Wind gemacht.

Bis ich dann wieder losgehe, ist es fast halb 12. Das ist viel später als geplant. Viel Zeit habe ich jetzt nicht mehr. Inzwischen dämmert es schon gegen halb 3 und eine Stunde später ist die Sonne weg. Aber ein paar Kilometer schaffe ich noch bei Tageslicht. Vielleicht kann ich zumindest die beiden Furten hinter mich bringen. Danach wird es dann auch steinig und geht weiter hoch, da wird es schwierig mit Zelten.

Ich gehe die Straße entlang bis zum Flughafen. Zwischen dem kleinen Terminal und der Polizeiwache steht das Tor zum Kinnarodden. Auf dem Infoschild steht auch nochmal, dass die Tour selbst für erfahrene Wanderer sehr anspruchsvoll sei.

Die erste Schwierigkeit ist, den richtigen Markierungen zu folgen. Da scheitere ich schon. Ich folge einfach dem Trampelpfad und wundere mich, dass es so steil nach oben geht. Das sah auf der Karte gar nicht so aus. Etwas weiter oben sehe ich eine Gipfelmarkierung. Dann gehe ich da jetzt auch ganz hoch. So komme ich ganz unerwartet zu meinem zweiten Gipfel heute, dem Rundhaugen auf 98 Metern. Was für eine schwindelerregende Höhe!

Mein kleiner Umweg hat sich gelohnt. Die Aussicht auf Mehamn ist genial. Sogar ein Flugzeug ist mit drauf, das gerade eben gelandet ist und jetzt dreht.

Ich nehme mein Handy zur Hilfe und gehe querfeldein zum nächsten Steinmännchen. Eigentlich ist der Weg auch ganz gut markiert. Jedenfalls überwiegend. Manchmal passen die Steinmännchen nicht zu den roten T-Markierungen. Deswegen gehe ich ein paar unnötige Schlenker.

Ich gehe über eine weite Ebene mit sanften Hügeln. Zwischendrin ein bisschen Sumpf, der mit einer dünnen Eisschicht überzogen ist. Der Schnee wird langsam mehr.

Um die Sonne ist ein leichter Halo zu sehen. Das sieht zwar toll aus, kann aber ein Zeichen für einen Wetterumschwung sein. Deswegen bin ich gar nicht so begeistert.

Ich komme über einen Buckel und sehe den ersten Fluss vor mir, von dem Vidar geredet hatte. Die Sørfjordelva ist aber recht flach und es gibt viele Steine, die aus dem Wasser schauen.


Ich gehe vorsichtig über das Geröll am Hang und suche mir eine Stelle zum Queren. Dann ziehe ich die schicken roten Mülltüten über meine Füße und Beine und wate durch das Wasser. Die Idee ist ja gut, aber die Tüten haben schnell kleine Löcher von den Steinen und es kommt doch Wasser hinein. Zumindest meine Hose bleibt trocken. Und bisher habe ich noch meine Schuhe an, die können ruhig nass werden. Würden sie sowieso vom Schnee. Morgen wechsle ich dann zu Vidars Schuhen, die jetzt noch am Rucksack baumeln.

Ich gehe an ein paar Seen vorbei. Unter dem Schnee vermute ich größtenteils Flechten. Es geht aber die ganze Zeit leicht hinauf und wird mit der Zeit steiniger. Die Landschaft zeigt mir immer mehr, dass der Winter hier oben nun Einzug gehalten hat.

Zum Glück ist der Schnee stumpf und nicht nass und rutschig. So kann ich über die Steine ganz gut gehen.

Allerdings wird es schwieriger, die roten Wegmarkierungen zu erkennen. Nur die großen Steinmännchen sind auch von weitem gut sichtbar.

Irgendwie finde ich es super, den Winteranfang jetzt noch mitzuerleben. Hier oben ist es schließlich, bis auf ein paar Monate, die meiste Zeit des Jahres über weiß. Wobei das Klima durch den Golfstrom sehr viel milder ist, als zum Beispiel im Norden Sibiriens oder Alaskas. Ich befinde mich hier auf demselben Breitengrad.

Ich gehe noch über einen Bergrücken und hoffe, dass ich in der nächsten Senke einen Zeltplatz finde. Es ist jetzt schon ziemlich steinig überall. Ich quere den zweiten kleinen Fluss über ein paar Steine und schaue mich dahinter um. Inmitten eines Dreickes aus kleinen Flüssen gibt es ein Stückchen ebenen, weichen Boden. Direkt neben einem Steinmännchen stelle ich das Zelt auf.

Wenn es trocken ist, kann man die Kälte viel besser aushalten, als wenn alles nass ist. Hoffentlich bleibt es auch die nächsten Tage trocken. Morgen soll der schönste Tag werden. Zwar windig, aber wieder mit ein bisschen Sonne. Das klingt doch gut für mein Finale.


16,4 km
4:05 h
695 hm
548 hm
227 m