Ich muss sagen, der Kinnarodden ist echt ein würdiger Abschluss einer Norge på langs Wanderung. So wild, abgelegen und einsam. Einfach perfekt als großes Finale.

Ich habe gut geschlafen in der kleinen Hütte. Ich lasse mir morgens Zeit, stöbere im Hüttenbuch und schreibe natürlich auch noch einen Eintrag. Draußen regnet es. Zurück nach Mehamn sind es etwas über 20 Kilometer. In normalem Gelände locker an einem Tag machbar. Aber nicht bei Geröll, Schnee und nur ein paar Stunden Tageslicht. Da werde ich mir 2 Tage für Zeit nehmen. Das passt auch super, dann bin ich am Donnerstag zurück und kann noch eine Nacht in Mehammn schlafen. Duschen und meine Klamotten waschen, damit ich auch an Bord des Schiffes gelassen werde. Ich habe nämlich endlich eine Rückfahrt gebucht.

Vorgestern, als ich gerade oben am Rundhaugen war, habe ich auf mein Handy geschaut und einen verpassten Anruf von einer norwegischen Nummer gesehen. Als ich zurückrufe, habe ich Lasse, den Marketing Chef von Havila Voyages am Ohr. Meine E-Mail von letztem Freitag ist angekommen und er fragt mich ein paar Sachen zu meinem Blog. Besucherzahlen, welche Nationalitäten und Altersgruppen meine Leser haben. Das meiste kann ich nicht beantworten, da ich kein Analysetool benutze, um euch auszuspionieren. Ich erzähle ihm, dass ich mit dem Blog kein Geld verdiene und selbst erstaunt bin, wie viele Leute inzwischen mitlesen. Er würde das kurz mit seinen Kollegen besprechen und mir eine E-Mail schreiben, wie sie mir entgegenkommen.

Weil ich es nicht abwarten kann und später wahrscheinlich keinen Empfang mehr habe, rufe ich schon ein paar Minuten später meine E-Mails ab und bin ganz erstaunt über die schnelle Rückmeldung. Und völlig aus dem Häuschen, als ich den Text lese. Ich bekomme einen super Rabatt, 3 Mahlzeiten am Tag und ein Upgrade auf eine Kabine mit Meerblick. Das ist echt der Wahnsinn, mit so einem großzügigen Angebot habe ich niemals gerechnet. Im Gegensatz zu dem Preis mit Hurtigruten spare ich jetzt mal locker 1.500 € und auch vom Normalpreis bei Havila zahle ich nicht einmal die Hälfte. Ich bedanke mich und schicke meine fehlenden Daten. Lasse leitet alles in die Wege und ich muss mich um nichts mehr kümmern. Ich freue mich! Über das nette Gespräch, all die lieben Menschen, die mich unterstützen und dass es in der Nacht von Freitag auf Samstag aufs Schiff geht.

Um Viertel vor 10 habe ich alles zusammengepackt und mache mich auf den Weg. Erstmal geht es auf dem schmalen Streifen zwischen Meer und dem steilen, hohen Geröllhang her. Ich lasse die Sandfjordgammen hinter mir und gehe über Felsen und Gräser.

Auch hier wird leider eine ganze Menge Müll angespült von den Wellen. Unmengen an Holz, Plastikflaschen, Seile und bunte Bojen. Ich entdecke einen roten Neoprenanzug, Gummistiefel, einen Autositz, ein Waschbecken, eine Klobürste und einen Anker. Und dieses Schiffswrack. Später erzählt mir Vidar die Geschichte dazu. Das war mal ein wunderschönes 20 Meter langes Holzboot. Er hat vor 2 Jahren eine Truppe Soldaten hergebracht, die ein paar Tage hier waren und den ganzen Müll aufgesammelt haben. Dann sollten sie von diesem Boot wieder abgeholt werden. Der Kapitän hatte aber wohl nicht genug Erfahrung. Das Wasser ist ziemlich niedrig und es gibt viele gefährliche Felsen. Denen ist er zu nah gekommen und das Schiff ist gesunken. Bei einem Sturm wurden die Überreste vom Wasser angehoben und nun liegen sie hier.

Ich gehe weiter am Fjord entlang, auf das Ende der Bucht zu. Irgendwann kommt dann auch der Strand in Sicht.

Auf wem Weg komme ich an mehr Müll vorbei und frage mich, was das riesige Metallteil wohl mal war. Der rostige Zylinder hat bestimmt einen Durchmesser von 3 Metern.

Jetzt werden die Felsen runder und glatter. Das sieht ja von hier aus schon traumhaft aus. Der riesige, unberührte Sandstrand und das türkisblaue Wasser.

Ein Stück Karibik im hohen Norden. Nur die Palmen fehlen. Stattdesen ragen hinter dem Strand schneebedeckte Berge auf.

Dieser nördlichste Teil Norwegens ist echt ein Paradies. Wie schön es erst bei Sonnenschein sein muss. So eine Landschaft ist eine tolle Belohnung nach fünfeinhalb Monaten wandern.

Der Strand ist geschützt und liegt mitten im kleinen Kinnaroddsandfjorden Naturreservat.

Laut Karte gibt es einen Trampelpfad zurück zu den roten Markierungen. Dort, wo das Infoschild zum Kinnarodden steht, sollte ich rauskommen. Da ich aber keine Spur entdecke, klettere ich einfach direkt den steilen Hang hinter dem Strand hoch. Von oben habe ich nochmal einen tollen Blick über die Bucht.

Es geht am See Sandfjordvannet vorbei. Dahinter kann ich mich am Bach orientieren. Wenn ich dem Wasserlauf folge, komme ich wieder am Infoschild raus.

Auf zurück in den Schnee. So langsam wird der Boden wieder weiß.

Ich entdecke die roten Markierungen und gehe nun denselben Weg zurück, den ich gestern gekommen bin. Hinter mir kann ich nicht mehr viel sehen, die Bucht wurde vom Nebel verschluckt. Es ist auch echt ungemütlich. Es regnet die ganze Zeit leicht und ist windig.

Auf dem Infoschild steht übrigens, dass Sandfjord mal bewohnt war. Ende des 19. Jahrhunderts war dies der nördlichste Handelsplatz und Fischmarkt. Davon ist aber nichts mehr zu sehen.

Ich entdecke jetzt einige Markierungen, die ich auf dem Hinweg von der anderen Seite nicht gesehen hatte und gehe zwischendurch eine etwas andere Route.

Hinter dem See ist es ganz schön grau und dunkel. Ein bisschen unheimlich.

Es regnet nur leicht, aber trotzdem bin ich schnell bis auf die Haut nass. Meine Regenjacke bringt irgendwie gar nichts mehr. Da ich sowieso auch nichts sehe außer weißen Himmel und weißen Boden, beschließe ich, an der Stelle, die ich gestern gefunden habe, mein Zelt aufzustellen. Dann kann ich noch eine letzte Nacht im Zelt schlafen und morgen den restlichen Weg bei schönerem Wetter gehen. Das ist zumindest angesagt.

Mir ist ziemlich kalt und ich kann es gar nicht erwarten, in meinen Schlafsack zu kriechen. Auch wenn es erst Viertel nach 2 ist. Ich trample den Schnee in einem großen Rechteck platt, damit ich sehe, ob spitze Steine im Weg sind. Mit kalten Fingern versuche ich mein Zelt möglichst schnell abzuspannen. Hoffentlich wird es nicht so windig. Ich hole Wasser im See, wozu ich wieder 300 Meter über blödes Geröll steigen muss. Dann endlich kann ich aus meinen nassen Sachen raus. Die Sicht draußen wird immer schlechter, also war das wohl die richtige Entscheidung hierzubleiben.

Es schneit und ich rüttle zwischendurch an meinem Zelt, um es vom Schnee zu befreien. Als mir endlich warm ist, freue ich mich, noch eine Nacht hier draußen zu schlafen. Ich liebe es. Das Auf- und Abbauen und die erste halbe Stunde sind echt blöd, wenn mir so kalt ist. Aber ich weiß ja, dass mein Schlafsack mich zuverlässig wärmt.


10,9 km
3:25 h
418 hm
189 hm
281 m