Ich habe gestern Abend schon angefangen zu schreiben, war aber dann zu müde. Also schreibe ich heute Morgen noch den Bericht zu gestern fertig. Ich trinke einen Kakao, packe zusammen und gehe erst um 10 Uhr los. Ich wollte eigentlich schon viel eher gehen, aber habe mir auch vorgenommen, die Tagesberichte nicht aufzuschieben. Die Sonne scheint und der Himmel ist wolkenfrei.
Ich folge etwa einen Kilometer dem Wanderweg und biege dann ab, um querfeldein weiterzugehen. Der Wanderweg führt hinunter zum See Storskogvatnet und dann wieder hinauf zur Ragohytta. Da bleibe ich doch lieber gleich oben und spare mir diesen Schlenker.
Von meinem Schlafplatz geht es ein paar hohe Felsstufen hinauf. Das geht direkt wieder in die Oberschenkel. Ich glaube, so ganz regeneriert sind sie auch noch nicht von gestern. Dann laufe ich über lange Felsen und dazwischen über nasse und sumpfige Wiese.
Schon nach 500 Meter mache ich die erste kleine Pause. Es ist viel zu warm. Ich ziehe Windjacke und Langarmshirt aus und gehe nur im Top weiter.
Ich stelle meinen Kompass ein, aber die Orientierung ist recht einfach, da ich weit gucken kann. Da suche ich mir einfach einen großen Felsen oder einen einzelnen Baum, den ich anpeile. Überall auf der Wiese sind Felsblöcke und Steine verstreut.
Hier sieht man unten im Tal den großen See, zu dem der Wanderweg führt.
Ich gehe ein Stück hinab und muss dann auf den Berg vor mir rauf. Die Felswand vorne ist zu steil, aber etwas weiter rechts haben die Höhenlinien auf der Karte einen größeren Abstand. Dort führt eine schmale Rampe auf den Bergrücken.
Das erste Stück ist trotzdem ganz schön anstrengend. Erst durch ein paar Birken und dann hohe Felsen hinauf. Hier braucht man seine Hände und muss ein bisschen klettern. Wo die Stufe zu hoch ist, ziehe ich mich erst auf ein Knie hinauf und stehe dann umständlich auf mit dem schweren Rucksack. Da brennen die Oberschenkel jedes Mal. Das letzte Stück hoch zum Grat ist dann wieder einfacher und ich kann den langgezogenen Felsen folgen.
Wobei die glatt geschliffenen Felsplatten zwischendurch ziemlich steil sind. Wie gut, dass es trocken ist. Hier der Blick zurück. Wie steil der Fels unter mir ist, erkennt man auf dem Foto gar nicht.
Jetzt geht es eine ganze Weile über den breiten Grat bis zum namenlosen Gipfel auf 656 Meter Höhe. Dahinten sieht man links den Rago und rechts den Litlrago. Beide sind über 1.200 Meter hoch und zum Teil vergletschert.
Ich komme an einem kleinen See vorbei. Ich bin zwar erst 4 Kilometer gegangen, aber hier mache ich eine kurze Pause. Bei dem Wetter trinke ich viel mehr als sonst, aber es gibt hier oben nicht viele Möglichkeiten, das Wasser aufzufüllen. Also trinke ich aus dem klaren Bergsee. Normalerweise bevorzuge ich fließende Gewässer. Aber hier wird es schon sauber sein.
Dann geht es wieder hinab, bis ich auf den Wanderweg stoße. Das war mal eine schöne Abkürzung.
Hier ist der Weg mit gelben Punkten und Strichen markiert. Es geht über einen kleinen Bach und die Felsstufe dahinten hoch. Eine kleine Klettereinlage eine schmale Rinne hinauf.
Als ich nach oben schaue, steht dort jemand. Ich klettere ganz hinauf und treffe 2 Norweger. Sie hätten letzte Nacht in der Ragohytta geschlafen, es wäre echt schön dort. Jetzt wollen sie zu einem See und angeln. Sie sind total baff, als ich von meiner Wanderung erzähle und sind ganz verwundert, dass ich alles in meinem Rucksack habe, was ich brauche. Der sehe so klein aus.
Ein Stück weiter treffe ich 2 Österreicher mit großen Rucksäcken. Hier ist ja was los. Sie kommen aus dem Padjelanta, also von Schweden herüber und fragen, ob ich auch dahin gehen würde. Sie wünschen mir viel Glück bei meinem Versuch, in Norwegen zu bleiben.
Der Wanderweg von Lakshol zur Ragohytta und dann weiter nach Schweden rüber oder als Rundtour wieder zurück zur Straße ist wohl ziemlich beliebt. Das ist ja auch der einzige markierte Weg im Rago Nationalpark.
Es geht weiter über glatte Felsen, mal flach, mal steil, über Geröllfelder und Wiese. Zwischen manchen Felsen sind richtig tiefe Spalten.
Dann entdecke ich die Ragohytta. Ganz unscheinbar steht die kleine dreieckige Hütte zwischen ein paar Felsen und Bäumen. Es ist eine offene Statskog Hütte mit 2 Betten, Tisch und Stühlen, Kochmöglichkeit und Kamin. Alles, was man braucht, in einem winzigen Raum. Und noch dazu kostenlos. Jedenfalls kann ich kein Schild entdecken mit dem Preis, wie das sonst der Fall ist.
Ich würde liebend gerne über Nacht bleiben, aber ich sollte noch weitergehen. Am besten heute und morgen so weit wie möglich. Ich habe nämlich nur ein trockenes Zeitfenster bis Freitag. In der Zeit möchte ich möglichst viele der glatten und steilen Felsen hinter mich bringen. Dann soll es schon wieder regnen. Ich mache trotzdem eine lange Pause, koche, esse und sitze vor der Hütte in der Sonne. Ich stöbere im Hüttenbuch und trage mich natürlich auch ein. Ich suche nach Einträgen von Leuten, die von Norden gekommen sind und auf der norwegischen Seite waren, finde aber nur 2, die von hier einen Ausflug zum Ragovatnan gemacht haben. Weiter nicht.
Von der Ragohytta kann ich einem unmarkierten Pfad zur Ragojaurehytta folgen. Ich finde den Pfad erst nicht, sehe dann aber vereinzelt Steinmännchen und dazwischen auch immer mal den Pfad. Noch genieße ich es, einfach dem Pfad folgen zu können. Es geht ein Stück hinauf und dann über eine weite Ebene. Begrenzt durch die graue Bergkette. Noch ist das Gelände recht einfach.
Dann geht’s steil hinab zum See, um den Wasserfall zu queren, wo er in den See fließt. Im Endeffekt sind es 5 oder 6 Bäche, auch breitere, die ich aber fast alle über große Steine überqueren kann. Nur beim Letzten bekomme ich nasse Füße.
Nachdem alle Bäche gequert sind, geht es um den See herum. Nah am Ufer und über eine ganze Menge großer Felsen, die mir durcheinander gewürfelt den Weg versperren.
Dafür werde ich mit einer schönen Spiegelung belohnt.
Zur Ragojaurehytta muss ich mich durch dichtes Gestrüpp schlagen. Der schmale Pfad ist aber zum Glück gut sichtbar. Die Hütte ist verschlossen, wahrscheinlich eine private Hütte. Ganz unerwartet führt in meine Richtung noch ein Pfad weiter. Ich mache kurz Pause und folge ihm dann. Er führt mich über eine Kuppe und verliert sich irgendwo am See Snøtoppvatnan. Hier geht es wieder über eine schöne Ebene über Felsen und Wiese und zwischen kleineren Seen entlang. Jetzt navigiere ich wieder mit Kompass. Das war es mit Wanderwegen und Pfaden für die nächsten Tage.
Über den nächsten Bach komme ich wieder über Steine. Das ist echt komfortabel heute. Da hätte ich mir gar keine Sorgen machen brauchen. Es sieht auch hier nirgendwo nach besonders hohen Wasserständen aus. Das hatte ich eigentlich erwartet nach den ganzen Vorhersagen und dem vielen Regen in letzter Zeit. Umso besser.
Jetzt geht es westlich um das Massiv des Snøtoppen herum. Die Bergkette sieht gewaltig und so schön aus.
Ich hatte es etwas felsiger erwartet, aber nach den ersten steilen Felsen geht es durch dichtes Gestrüpp. Die Bäume und Sträucher überragen mich und ich tue mich etwas schwer, einen Weg zu finden. Zwischendurch dann immer wieder ziemlich steile und glatte Felsplatten.
Ich versuche meine Höhe beizubehalten. Weiter oben sieht es noch steiler aus mit hohen Kanten in den Felsen. Und weiter runter zwischen die Bäume möchte ich auch nicht. Der Hang ist echt steil und ich komme nur im Schneckentempo voran. Das versteht man dann wohl unter der „Ragomila“, der Rago-Meile. Wenn man nach Informationen zur Durchquerung des Rago sucht, stößt man auf dieses Wort. Die Norweger haben diesen Begriff speziell für dieses Gebiet erfunden, da hier jeder Kilometer doppelt so anstrengend sei. Das kann ich jetzt bestätigen.
Dieser Teil gefällt mir gar nicht. Ich mag weder das Gestrüpp, noch den steilen und rutschigen Hang. Hier komme ich auf meiner Höhe nicht weiter und muss die moosigen Felsen hinabklettern. Dabei setze ich mich oft auf den Hintern, um den nächsten Felsen oder Tritt besser zu erreichen. Außerdem kann ich mich dann besser halten, falls ich abrutschen sollte.
Jetzt geht es wieder nordwärts. Im Gegensatz zu dem Teil gerade wird das Gelände ein kleines bisschen einfacher. Aber es bleibt ziemlich anspruchsvoll. An einem großen Blockfeld komme ich nicht weiter. Die Felsen sind einfach zu groß und hoch. Also wieder ein Stück zurück und darunter durch den Wald. Wo auch eine ganze Menge Steine unter Moos und Farn versteckt sind. Einmal rutsche ich auf dem Moos ab und kann mich gerade noch festhalten. Ein anderes Mal lande ich unsaft auf dem Hintern, als ich auf der nassen Wiese wegrutsche. Ich nutze die vielen dünnen Baumstämme und Äste, um mich festzuhalten. Klettere zwischen Felsen hindurch, hinauf, hinab, über querliegendene Äste und das alles immer mit Blick auf den Kompass, dass ich nicht zu weit abkomme vom Kurs.
Es ist fast geschafft, nur noch über eine Kuppe rüber. Oben angekommen sehe ich schon den See auf der anderen Seite, aus dem der Trolldalselva entspringt. Ich könnte Freudensprünge machen. Aber erst nochmal konzentrieren, es geht nämlich richtig steil hinab zum See. Oben frage ich mich, wie ich da heile runterkommen soll. Irgendwie finde ich aber doch einen Weg hinab, zwischen Felsblöcken her und an Bäumen festhaltend die nasse Wiese runter.
Jetzt noch über den Fluss. Das sieht ja einfach aus. Das Wasser direkt am Ausfluss geht mir gerade mal bis zu den Knöcheln und hat keine starke Strömung. Bis zur Mitte jedenfalls. Dienzweite Hälfte konnte ich noch nicht erkennen. Hier ist es doch plötzlich ziemlich tief und die Felsen am Grund sehen rutschig aus. Also hole ich doch meine Stöcke raus und wate vorsichtig durch das Wasser.
Inzwischen ist es halb 8 und hier soll es den einzigen Zeltplatz weit und breit geben. Das kann ich mir auch gut vorstellen, ich habe bisher keine geeigneten Plätze gesehen. Etwas oberhalb des Sees gibt es ein kleines Stück ebene Wiese mit niedrigen Flechten. Perfekt, hier bleibe ich. Bevor ich jetzt noch eine Stunde weiterlaufe und dann nichts mehr finde, nehme ich den Platz hier. Mit kleinem Kiesstrand und tollem Ausblick.
Was für ein Tag. Das war echt anstrengend, vor allem das letzte Stück. Vorher war das Gelände dagegen richtig einfach und man konnte sich gut orientieren. Das sollte aber ganz gut passen jetzt. Morgen soll es nochmal trocken sein, da kann ich die ganzen steilen und glatten Felsen, die noch kommen sollen, hinter mich bringen. Danach wird es wieder flacher und einfacher nach der Beschreibung auf dem Utentur-Blog. Da ist es nicht ganz so schlimm, wenn es regnet.