Ich war letzte Nacht ziemlich dick angezogen. Meine langen Schlafsachen, Fleece-Pulli, Daunenjacke und dicke Socken. Dazu hatte ich die Kapuze auf. Gefroren habe ich nicht, ich hatte es schön warm. Als ich gegen 4 Uhr das erste Mal aufwache und meine Beine anziehe, klebt der Schlafsack am Zelt. Ist wohl festgefroren, aber nur leicht. Ich schlafe nochmal ein und bleibe dann noch eine Weile liegen. Obwohl mein Schlafsack das Außenzelt nicht berührt, ist er ziemlich nass außen, vor allem am Fußende. Reicht wohl, dass er das Innenzelt berührt. Dadurch, dass es komplett windstill ist und das gefrorene Kondenswasser langsam wieder schmilzt, tropft es eben auch auf das Innenzelt. So nass einpacken ist ja blöd. Eigentlich trocknet das Material immer richtig schnell. Also koche ich erstmal einen Tee. Das Sommergas, was ich aus der Hütte mitgenommen hatte, scheint auch an seine Grenzen zu kommen, aber es reicht noch für warmes Wasser. Leider ist der Berg gegenüber so hoch, dass er die Sonne noch versteckt. Mir fällt ein, dass die Peak Finder App anhand des Standortes ziemlich genau den Sonnenverlauf anzeigt und auch die Uhrzeit, wann sie hinter einem Berg hervorkommt oder verschwindet. Sie zeigt an, dass die Sonne hier erst um 9:22 Uhr zum Vorschein kommt. So lange wollte ich jetzt nicht warten, um meine Sachen zu trocknen. Dann eben heute Abend, Ziel ist ja eine Hütte.

Ich sitze trotzdem noch bis 8 Uhr im Zelt, schaue auf das weiß gefrorene Gras und trinke Tee. Die Delle in meinem Topf ist übrigens auch vom Absturz gestern, aber das ist nicht schlimm. Nur über die Kamera ärgere ich mich immer noch.

Als ich gerade das Zelt einpacke, kommen die ersten Sonnenstrahlen über den Berg. Ich schaue auf die Uhr – 9:19 Uhr. Da passt die Vorhersage ziemlich genau. Dann wird mir jetzt beim Gehen wenigstens schnell warm. Ein Stückchen kann ich noch dem Wanderweg folgen, bevor es wieder querfeldein geht. Allzu schwierig sollte das nicht werden heute. Keine steilen Auf- oder Abstiege bis auf 100 Höhenmeter am Ende.

Unter der Hochspannungsleitung geht es leicht bergauf über die Wiese.

Bis ich den großen See Middagsvatnet sehen kann. Der Wanderweg führt westlich daran vorbei und weiter hinab. Ich verlasse den Weg und gehe am Südufer des Sees entlang. Von oben sieht es nicht so steil aus, das sollte gut funktionieren.

Erstmal muss ich aber runter zum Wasser kommen, da sind einige große Felsen im Weg. Ich klettere über die Felsterrassen hinab und gehe auf sumpfiger Wiese weiter.

Der Bach ist breit, aber einfach über Steine zu queren. Dann ist erstmal Pause angesagt. Ich habe nämlich Empfang. Das erste Mal seit dem Morgen vor der Paurohytta. Jetzt kann ich mich endlich um die Kamera kümmern. Jedes Mal, wenn ich meine Handschuhe ausziehen muss, um mit dem Handy ein Foto zu machen, ärgere ich mich. Vorrätig ist sie in Narvik nicht, also bleibt nur, sie zu bestellen. Hoffentlich passt das dann genau, dass ich nicht noch darauf warten muss. Ob ich den Umweg zu Fuß mache oder an meinem Pausentag von Katterat mit dem Zug fahre, kann ich immer noch entscheiden. Außerdem habe ich eine Antwort von Ketil in Katterat, wo ich für Donnerstag und Freitag ein Bett reserviert hatte. Mit Abendessen und Frühstück, wo ich mich sehr drauf freue. Ich habe Glück, da er am Samstag für die Saison schließt. Das ist die einzige bewirtschaftete Hütte auf diesem Abschnitt, jedenfalls wenn man in Norwegen bleibt. Und Essen gibt es nur auf Anfrage, man muss sich schon vorher anmelden. Schön, dass das alles geklärt ist, das macht gleich gute Laune. Den Preis für die Kamera verdränge ich lieber direkt wieder.

Als meine Hände schon fast erfroren sind, gehe ich dann mal weiter. Oder balanciere und klettere weiter. Aber schwer ist es nicht. Über Wiese und Geröll geht es den See entlang.

Beim Blick zurück sehe ich ganz hinten eine weiße und vergletscherte Spitze herausragen. Es ist der Frostisen, einer der größten Gletscher in Norwegen. Der Gletscher links vorne hat auf meiner Karte gar keinen Namen.

Es geht ein bisschen runter und weiter zum nächsten See.

Etwa auf halber Strecke komme ich an eine kleine Staumauer, wo eine Traktorspur beginnt. Dieser folge ich und komme auf eine Schotterstraße. Es geht hinter der langen Staumauer am Tjårdvatnet entlang. Ein komisches Gefühl, wenn ich mir vorstelle, dass auf der anderen Seite die Wassermassen gegen den Damm drücken. Man geht nämlich nicht auf der Staumauer, sondern dahinter her und sie ragt nechts neben mir auf. Ich beschleunige meine Schritte, bis ich daran vorbei bin.

Der Wanderweg führt südlich am See vorbei, aber eben wieder ein kleines Stückchen durch Schweden. Also folge ich der Schotterstraße nördlich um den See herum. Bis etwa zur Hälfte. Dann hört die Straße auf und ich klettere die restlichen 1,5 Kilometer über diese Steine.

Dann komme ich wieder auf die Schotterstraße, die auch der offizielle Wanderweg ist. Einen Kilometer folge ich der Straße und biege erneut ab. Das ist jetzt erstmal das letzte Stück, wo ich die Grenze umgehen muss. Dann kann ich bis Katterat einfach den Wanderwegen folgen, sie bleiben alle schön in Norwegen.

Es geht leicht hoch, das Gelände ist ziemlich einfach. Ich schlängele mich zwischen den Felsen hindurch und schaue, dass ich nicht rüber nach Schweden komme.

Erst ein ganzes Stück weiter sehe ich 3 gelbe Grenzmarkierungen. Eine große und mit Abstand noch 2 kleine Steinhaufen rechts und links davon.

Noch ein Stück weiter und ich kann die Straße schon wieder sehen. Direkt unter den Strommasten.

Runter zur Straße ist es zwar ein bisschen steiler, aber ich finde einen guten Weg. Kein Problem. Jetzt geht es die nächsten Tage nur noch Wanderwege entlang, da freue ich mich drauf. Keine abenteuerlichen Grenzumgehungen mehr. Jedenfalls diese Woche nicht mehr.

Nachdem ich ein kleines Stück der Straße gefolgt bin, sehe ich rechts die ersten roten Markierungen. Jetzt geht es weg von der Straße und steil hinauf. Etwa 400 Höhenmeter, die Hälfte ziemlich steil und anstrengend, bevor es etwas flacher wird.

Da geht es hinauf.

Über Felsen, Geröll und zwischendurch mit kleinen, leichten Klettereinlagen und über einen schmalen Pfad den Hang hoch. Ein schöner Wanderweg.

Oben geht es dann weiter über große Felsplatten und dazwischen sumpfige Wiese. Es ist gleich wieder eine ganze Ecke kälter. Vor allem der Wind ist eisig.

Dann ist das Ziel fast erreicht. Da hinten kann ich schon den See Skoaddejávri sehen. Und dahinter die Hütte. Inzwischen ist es auch schon fast halb 7 und ich freue mich auf die warme Stube.

Die Hütte Skoaddejávre hat eine schöne Lage oberhalb des Sees. Das andere Seeufer liegt schon in Schweden. Der Wanderweg hat die ganze Zeit mit etwas Abstand an der Grenze entlang geführt.

Schon von weitem sehe ich aus den Schornsteinen beider Hütten Rauch aufsteigen. Dann ist es wenigstens schon schön warm drinnen. In der Haupthütte sehe ich durch das Fenster einen Mann und eine Frau, die gerade beim Essen sind. Ich gehe hinein und sie stellen sich als Randi und Ivar vor. Sie sind die ganze Woche hier, Ivar baut eine neue Terrasse um die Hütte herum. Und hat seine Freundin Randi als Begleitung und persönliche Köchin mitgenommen. Die beiden sind richtig herzlich und wir verstehen uns gut. Sie sind so alt wie meine Großeltern, Ivar ist eigentlich Rentner, möchte aber gar nicht aufhören zu arbeiten. Sie haben nicht mehr viel über, bieten mir aber den Rest vom Abendessen an. Es gibt Bacalao, einen portugiesischen Fischeintopf mit Klippfisch, also gesalzenem und luftgetrocknetem Kabeljau, Kartoffeln und Tomatensauce. Das Gericht kam Mitte des 17. Jahrhunderts nach Norwegen, als Klippfisch nach Südeuropa exportiert wurde.

Wir quatschen den ganzen Abend, die beiden können richtig gut Englisch. Randi fragt mich, wieso mein Englisch so gut sei, sie könne gar keinen deutschen Akzent hören. Das freut mich immer sehr, wenn Leute das sagen. Wir reden über meine Wanderung und die beiden erzählen ein paar Geschichten, wie sie hier aufgewachsen sind. Es ist echt interessant. Wir wechseln auf die Couch und Randi stellt ein paar Chips auf den Tisch. Das ist ja ein Traum. Sie haben wohl mehr als genug zu Essen, da sie eine ganze Menge selbst mitgebracht haben und der DNT mit dem Helikopter auch noch Essen raufgeflogen hat, als sie das Werkzeug gebracht haben.

In der Nebenhütte ist ein junges deutsches Ehepaar. Lisa und Julian aus der Nähe von Dortmund. Julian ist heute böse umgeknickt und kann seinen Fuß nicht belasten, er geht früh schlafen. Aber Lisa setzt sich zu uns und so quatschen wir noch bis halb 11 weiter, bevor es dann mal ins Bett geht. Das war ein richtig schöner Hüttenabend.


22,8 km
6:05 h
942 hm
698 hm
1.060 m