Heute habe ich schon viel besser geschlafen. Meine Hände sind nicht mehr so empfindlich, wenn ich irgendwo dran komme. Die Salbe scheint zu helfen.
Wir sind recht spät dran und gehen erst gegen halb 10 los. Els geht noch einkaufen, daher starten wir zu zweit.
Markus hat vor der Tour eine Liste erstellt mit Punkten, die er gerne sehen würde. Das kommt uns anderen zugute, vielleicht wären wir sonst einfach an diesen schönen Orten vorbeigelaufen. Heute steht nämlich eine alte Stabkirche und die Rabenschlucht auf dem Programm. Ein richtiger Kulturtag.
Aber zuerst kommt noch ein bisschen Oberschenkel-Training. Der Wanderweg führt uns zig Felsstufen hinauf. Irgendwie müssen wir ja wieder aus dem Taleinschnitt hinauskommen. Gestern ging es runter, heute wieder hinauf.
Der Weg ist anstrengend, aber super schön. Am Anfang zählen wir noch die Treppenstufen, haben aber schnell keine Lust mehr. Wahrscheinlich gehen wir fast eine Stunde lang Stufen hinauf bevor es auf einem Pfad weitergeht.
Hier scheint eine beliebte Sport-Strecke zu sein. Uns kommt eine ganze Gruppe in Laufkleidung entgegen. Wahrscheinlich sind sie die Treppen hochgelaufen und gehen jetzt wieder runter. Ich erschrecke mich total als noch ein Mann flott an uns vorbeizieht. Das ist mal ein gutes Workout.
Immer wieder stehen Schilder am Wegesrand mit der Geschichte zweier Schwestern, die weiter oben einen Hof geführt haben. Sie haben ihr ganzes Leben dort gewohnt und gearbeitet, in einer kleinen Holzhütte. Werkzeuge wurden selber gebaut und einen Karren konnten sie sich nicht leisten. Sie haben alles selber diesen Berg hinaufgetragen und sich nie beschwert. Der Hof sei für sie der schönste Ort auf der ganzen Welt gewesen. Und dort werden wir hingeführt, nach Rui. Es ist wirklich wunderschön!
Nach einer kurzen Pause und zig Fotos geht es weiter den Berg hinauf. Das nächste Ziel ist Eidsborg. Dort ist das Vest-Telemark Museum, ein Freilichtmuseum, mit vielen uralten Holzhütten. Irgendjemand hat mir erzählt, dass hier das älteste Haus Europas stehen soll, ich habe es aber noch nicht nachgeschaut.
Unser eigentliches Ziel ist allerdings auch nicht das Museum, sondern die Eidsborg stavkyrkje, eine alte Stabkirche. Sie ist komplett schwarz. Am Eingang entdecken wir ein Schild, dass sie erst kürzlich neu mit Teer gestrichen wurde und es vom Dach noch tropfen könne. Hier auf dem Friedhof wurde in den 1960ern auch die beiden Schwestern aus Rui beerdigt. Sie sind beide über 90 geworden.
Wir machen eine ausgiebige Pause, essen was und schauen uns um. Els kommt auch dazu und wir treffen Andre wieder. Es ist so lustig, an völlig fremden Orten zufällig dann doch bekannte Gesichter wiederzusehen. Andre habe ich vor meinem Start in Lindesnes auf dem Campingplatz kennengelernt. Er ist mit dem Rad unterwegs. Und Els und Markus haben ihn auch unterwegs schon getroffen. Außerdem haben wir uns vorhin beim Aufstieg mit einem norwegischen Pärchen unterhalten, die ganz interessiert an der Tour sind. Auch sie treffen wir nochmal wieder. Sie schauen sich unsere Route an und kommentieren viele Abschnitte mit „Ah, ja, hier ist es sehr schön!“ und geben noch ein paar Tipps.
Dann geht es zu dritt weiter, auf einem Pfad durch den Wald. Den Abschnitt haben wir „Norwegischer Dschungel“ getauft. Erst kann man noch ganz gut gehen, aber irgendwann versperren uns immer mehr umgekippte Bäume den Weg. Um manche kann man einen Bogen machen, manchmal geht es drunter her, manchmal drüber. Viele sind komplett entwurzelt. Zweimal kommen wir nicht durch die Äste hindurch, aber wir haben ja Markus mit seinem Taschenmesser dabei. Er sägt ein paar dünnere Äste ab, damit wir hindurch passen. Wir haben unseren Spaß dabei.
Es ist allerdings auch wieder richtig nass, matschig und rutschig. Wir sind dann doch froh, als wir es geschafft haben und auf der Schotterstraße stehen. Auch wenn das der Ausblick für die nächsten Kilometer ist.
Nach einer halben Stunde gibt es aber schon das nächste Highlight für heute. Ravnejuv, die Rabenschlucht. Von der Straße aus ganz unscheinbar, man muss schon wissen, dass es hier etwas besonderes zu sehen gibt. Es geht ein kurzes Stück durch den Wald, wo eine Warnung hängt, dass man in 100 Metern an einer steilen Kante steht, wo es 350 Meter in den Abgrund geht. Ich habe keine Höhenangst, aber doch ein bisschen ein mulmiges Gefühl, als ich über die Kante nach unten schaue. Die Felswände sind echt steil und es geht tief hinab.
Wir machen noch ein bisschen Pause und ich entdecke eine ganz besondere Wolke über den schneebedeckten Bergen in der Ferne. Ich finde, sie sieht aus wie ein Herz.
Jetzt folgen noch 11 Kilometer Schotterstraße und dann ein Stück Bundesstraße. Der Weg zieht sich und wir haben schon echt müde Füße. Heute sind wir gefühlt ziemlich langsam vorwärts gekommen. Heute morgen mit dem Aufstieg über die Felsstufen und dann die vielen Baum-Hindernisse. Wir überlegen, ob wir auf dem Campingplatz direkt in Vinje bleiben oder noch 2 Kilometer zum nächsten Campingplatz weitergehen, der direkt am Fluss liegt. Da Els sich aber eine andere Route bis Rjukan ausgesucht hat und morgen erst Richtung Osten geht, beschließen wir, mit ihr hierzubleiben. Ein letzter Abend zusammen. Wobei wir uns sowieso in 4 Tagen in Rjukan dann alle wiedertreffen werden. Da wollen alle einen Pausentag einlegen.
Also bleiben wir auf dem überteuerten Campingplatz. 25 € und die Duschen kosten extra. Wir hätten lieber unser Zelt einfach irgendwo im Wald aufgestellt, aber dann hätten wir wahrscheinlich noch ein ganzes Stück weiter und aus dem Ort rausgehen müssen, um ein schönes Plätzchen zu finden.
Wir bauen die Zelte auf, laufen nochmal zum Supermarkt und versuchen die 1.000 Höhenmeter vollzumachen. Als wir zurück sind, fehlen aber immer noch 4 Höhenmeter. Naja, egal, für heute reicht es. Wir essen und später spendiert Els uns allen noch einen Kakao. Sie hat im letzten Supermarkt eine 10er Packung Fertigpulver gekauft. Abends ist es immer ziemlich kalt, da tut ein warmes Getränk vor dem Schlafen gut.
Markus filmt übrigens beim Wandern immer mal kleine Abschnitte und schneidet von jeder seiner Etappen ein Video zusammen. Auf diesem bin ich auch kurz mit drauf (bei 12:23, 15:08 und 15:31 Minuten), schaut mal rein. Dann bekommt ihr auch noch einen besseren Eindruck von unseren Wegen.
Mia
Wie witzig! Letzte Woche habe ich noch das Video von Markus angesehen und gedacht, dass ich diesen Abschnitt auf meiner Route miteinplanen sollte. Und nun lese ich, du warst mit ihm gemeinsam unterwegs.
Sophie
Ja, das war ein schöner Zufall, dass wir uns einen Abend auf der Hütte getroffen haben und dann direkt 2 Wochen zusammen gelaufen sind 🙂