Letzte Nacht haben meine Hände wieder so sehr gejuckt. Schrecklich! Ich dachte, dass es besser wird, aber heute morgen spannt die Haut wieder so und ich habe das Gefühl, dass einige Stellen noch dicker geworden sind. Ich versuche meine Hände so gut es geht zu ignorieren, aber ganz schaffe ich es doch nicht. Markus merkt auch, dass irgendwas nicht stimmt und fragt mich ein paar mal ganz besorgt, ob alles in Ordnung sei. Erstmal zusammenpacken und losgehen, dann wird das schon.

Heute ist ein richtig schöner Tag! Es ist ziemlich kühl, aber die Temperatur ist mir im Moment am liebsten. Ansonsten mache ich Freudensprünge, wenn die Sonne sich zeigt, aktuell soll sie lieber hinter den Wolken bleiben. Dann schmerzen meine Hände weniger.

Die Landschaft ist genial und meine Glückshormon-Produktion läuft auf Hochtouren. Wir folgen dem unmarkierten Pfad, gehen zwischendurch querfeldein und queren unseren bislang breitesten Bach. Aber der ist recht flach und die Strömung nicht stark.

Am Rand einer weiten Ebene steht diese einsame Hütte. Echt idyllisch!

Dann geht es über sumpfige Wiesen mit Grasbüschel-Flecken und über buntes Moos. Zwischendurch sieht es aus, als ob man auf dem Meeresgrund gehen würde, hier wachsen so viele algenartige Pflanzen. Darüber zu laufen fühlt sich an, als würde man über einen weichen, nassen Schwamm gehen.

Zweimal hat der Weg heute eine Spitze, wo wir einfach querfeldein gehen, um einen Kilometer zu sparen. Von einem Hügel haben wir eine gute Sicht, prüfen mit dem Kompass die Richtung und suchen uns ein paar Fixpunkte zum Orientieren. Das klappt super. Nicht mal 10 Minuten später stehen wir wieder auf dem Pfad.

Ab hier finden wir auf den Schneefeldern Fußabdrücke. Eine Person, kleine Schuhe und Stöcke, das ist bestimmt Els, die vor uns geht. Und tatsächlich – eine Stunde später haben wir sie eingeholt. Wir kommen wieder auf einen markierten Wanderweg des DNT und suchen uns einen schönen windgeschützten Platz an einem Bach, um zu dritt Mittagspause zu machen.

Es ist so schön hier oben, dass ich alle paar Meter meine Kamera zücke. Ich schwebe mal wieder im „Hoch-Glück“.

Ein paar lustige Wolken gibt es heute auch wieder.

Da hinten sieht man übrigens den Gaustatoppen. Mit 1883 Meter Höhe der höchste Berg der Provinz Vestfold og Telemark. Und der zieht mich jetzt schon seit ein paar Tagen magisch an. Das ist so mit mir und so schön felsigen Gipfeln. Einen Abend habe ich den Berg auf der Karte entdeckt und mir einen Weg auf den Gipfel und einen Rundweg weiter bis nach Rjukan zurechtgelegt. Solange nicht mehr so viel Schnee oben ist, wäre das echt cool. Und von weitem sieht es oben gar nicht mehr so weiß aus. Ich muss nur später nochmal das Wetter nachgucken. Heute möchte ich schon am Fuß des Berges zelten, um morgen ganz früh aufzusteigen. Das wären dann nämlich 18 Kilometer mit 900 Höhenmetern hoch und 1.800 Höhenmetern runter. Hoch wäre kein Problem, runter würde schon ziemlich anstrengend, ich weiß ja nicht wie der Weg ist. Aber von den Zahlen und Beschreibungen, die ich gefunden habe, machbar für mich. Nur der Gratweg oben zum Gipfel soll ein bisschen ausgesetzt sein.

Super Spiegelungen sind wieder dabei. Solche Bilder finde ich sowieso immer gut.

Und da ist nochmal der Gaustatoppen. Das einzige Mal heute komplett ohne Wolken und Nebel. Ich finde, dass das Bild schon fast aussieht, als wäre es zusammengeschnitten worden, weil die Farben so unterschiedlich sind. Vorne der braune Sumpf und hinten der graue Fels.

Kurz danach regnet es schon wieder da hinten. Und bei uns wird es auch nass von oben. Die letzten 2 oder 3 Stunden gehen wir im Regen heute.

Links von uns ist der Taleinschnitt, dort unten liegt Rjukan. Ganz runter können wir aber nicht schauen, dazu gehen wir zu weit weg vom Hang. Auf der anderen Seite, der große Wasserfall, ist vielleicht der Rjukanfossen. Jedenfalls würde es von der Richtung passen.

Ich weiß zwar nicht, ob und auf welchem Gipfel ich hier stehe. Aber im Umkreis ist es gerade die höchste Stelle und es steht ein riesiges Steinmännchen da, also gibt es einfach mal ein Gipfelfoto.

So sieht unser Weg dann zwischendurch aus. Da wo die Markierung ist, geht auch der Weg her. Also im Moment mitten durch den See von Schmelzwasser. Hier kann man ganz gut außen herum gehen, das geht nicht an allen Stellen. Aber die Füße sind sowieso den ganzen Tag nass. Irgendwann macht man sich da nicht mehr so viele Gedanken und geht einfach mitten durch. Ganz nach Els‘ Motto auf den Schneefeldern. Einfach drauf und schnell rüber, man bricht sowieso zufällig ein, ob man jetzt schnell oder langsam geht.

An dem Abzweig, wo man direkt ins Tal absteigen kann, geht Els heute schon runter. Sie macht morgen ihren Pausentag. Markus geht noch mit mir und will morgen früh absteigen. Und ich möchte gerne morgen auf den Gipfel und dann runter nach Rjukan. Auf den Tag Pause freue ich mich auch schon riesig.

Wir gehen also weiter, inzwischen gibt es keine Markierungen mehr. Unsere Füße sind langsam müde, es war bis hier schon ein langer Tag. Inzwischen ist es nach 8 Uhr. Runter zum See, wo wir die Zelte aufstellen wollen, ist es eigentlich nicht mehr weit. Ich wundere mich allerdings, dass wir wieder weiter aufsteigen und der Weg nicht runter führt. Komisch! Nach einem Blick in die Karte sind wir ein Stück zu weit gelaufen. Aber einen Abzweig haben wir nirgendwo gesehen. Da ist nur ein steiler Hang mit hohen Tannen. So richtig sehen kann man also auch nicht viel. Wir müssen aber irgendwie runter hier, also geht es quer durch die Bäume. Immer mal prüfend, ob die Richtung stimmt, versuchen wir in kleinen Kehren den Hang abzusteigen ohne irgendwo abzurutschen. Auch wenn es von oben überhaupt nicht so aussah, findet man schon irgendwie einen Weg. Allerdings stehen wir dann vor einer Felswand. Laut Karte sind wir angeblich direkt auf dem Pfad. Das kann ja nicht sein. Wir versuchen es rechts herum, der Hügel ist aber ziemlich lang. Also klettern wir ein paar große Felsblöcke hoch, um uns wenigstens einen Überblick zu verschaffen. Auf der anderen Seite geht es zum Glück nicht so steil über die Wiese wieder runter. Noch ein paar Meter am Bach entlang und dann stehen wir tatsächlich wieder am markierten Wanderweg, der von Rjukan auf den Gipfel des Gaustatoppen führt. Das letzte Stück hätte jetzt nicht noch sein müssen heute. Aber wir haben es gut geschafft.

Wir stellen auf dem erstbesten Platz im Wald, direkt neben dem Wanderweg, unsere Zelte auf. Es ist alles nass und ziemlich ungemütlich. Jeder verschwindet schnell in seiner Unterkunft. Erstmal aus den nassen Sachen raus, in den Schlafsack kuscheln, aufwärmen, was essen und dann schlafen. Der Regen prasselt auf das Zelt, aber drinnen fühle ich mich wohl.

Empfang gibt es auch, also schaue ich mir nochmal den Weg für morgen und den Wetterbericht an. Allerdings bin ich mir ziemlich unsicher, ob das wirklich eine gute Idee ist. Oben soll es morgen früh nebelig sein und dann Schneeregen geben, den ganzen Tag so um die 0 Grad. Um den Aufstieg mache ich mir nicht so viele Gedanken, aber 1.800 Höhenmeter Abstieg auf wahrscheinlich dann rutschigen Felsen könnten gefährlich werden. Ich überlege noch recht lange hin und her, ich würde so gerne. Ich glaube aber, dass das unvernünftig wäre bei den Bedingungen. Und entscheide mich dagegen! Wie heißt es in den Bergen: Stärke zeigt, wer den Mut hat, sich gegen einen unsicheren Weg zu entscheiden oder eine Wanderung abzubrechen. Dann bin ich mal stark… Aber träumen kann ich ja von dem Gipfel, der heute Nacht über mir thront.


28,9 km
9:30 h
944 hm
1.103 hm
1.239 m