Es war wieder eine ruhige Nacht. Das Jedermannsrecht ist schon echt klasse. Einfach irgendwo das Zelt aufbauen ohne Angst haben zu müssen, dass man erwischt wird. Nur ein bisschen Abstand zu Straßen und Häusern sollte man halten, ich glaube mindestens 150 Meter.

Ich gehe nochmal zurück zum Bach, um ein paar Sachen zu waschen und mein Wasser aufzufüllen. Unterwegs wird es heute laut Karte aber noch genug Wasserquellen geben, da brauche ich nichts extra mitnehmen.

Dann geht es die Schotterstraße hoch. Vorbei an Seen und vereinzelten Häusern. Ich frage mich kurz, was ich hier eigentlich mache. Bis ich dann wieder in meinen Trott komme. Ich muss mir die lange Zeit bis zum ersten Versorgungspaket mal noch unterteilen in 2 oder 3 Abschnitte. So lange Strecken oder gar die ganze Tour kann ich gar nicht überblicken. Das stresst nur und ist noch so weit weg und alles so ungewiss. Die nächsten 2 Wochen reichen immer erstmal für den Kopf.

Ich begegne nur einem Auto. Die Beifahrerin winkt mir zu und reckt den Daumen nach oben. Ich gehe mit einem Grinsen weiter. Wie viel Freude und Motivation solche kleinen Gesten doch bringen können.

Irgendwo im Nirgendwo steht dann plötzlich ein Straßenschild.

Kurz komme ich mal von dem Fahrweg weg und kürze über einen Wiesenweg vorbei an ein paar Bauernhöfen ab.

Mir kommt ein Postauto entgegen. Als es 10 Minuten später wieder zurückkommt, hält der Fahrer an. Er spricht nicht ganz so gut Englisch, aber wir können uns verständigen. Er bietet mir an, ich könne ein Stück mitfahren, was ich natürlich dankend ablehne. Ich möchte ja den ganzen Weg aus eigener Kraft schaffen. Er wünscht mir eine gute Tour, hält aber ein paar Meter weiter nochmal an. Ich müsse da vorne links gehen, rechts käme ich nicht durch, da sei zu viel Wasser im Moment. Na toll, genau da wollte ich hergehen, um nicht an der Hauptstraße entlang zu müssen. Ich bin dankbar für den Hinweis, frage mich allerdings schon, wo das ganze Wasser herkommt, was da passiert ist. Naja, auf jeden Fall gehe ich dann halt links. Und folge den Serpentinen runter bis nach Moi.

Ich komme an einem kleinen Supermarkt vorbei, der erste seit meinem Start. Wobei ich es ja auch nicht darauf angelegt habe. Leider gibt es kein frisches Obst, also muss eine Packung Cracker herhalten, die ich beim Weitergehen futtere. Die ersten Kilometer bis nach Kvås kann ich der Straße noch über einen parallel verlaufenden Wanderweg ausweichen. Dann gibt es zum Glück wenigstens einen Bürgersteig. Ich komme an einer Schule vorbei. Auf dem Schulhof herrscht Partystimmung und als ich vorbeigehe, werde ich laut angefeuert. Das erinnert mich an unseren Abisturm, vielleicht wird hier auch gerade der Abschluss gefeiert.

In Kvås komme ich an einem kleinen SB-Campingplatz vorbei. Der ist echt schön gelegen, direkt am Fluss Lygna.

Ich überlege kurz hierzubleiben, aber ich habe noch nicht einmal 15 Kilometer hinter mir. Ich könnte zwar dann in Ruhe die Karte studieren und mir einen neuen Weg zurechtlegen, aber ich möchte lieber das Straßenstück hinter mich bringen. Sonst habe ich die ganze Zeit im Kopf, dass das morgen früh als erstes ansteht. Also geht’s weiter, am nationalen Wildlachscenter vorbei. Hier scheint ein Anglerparadies zu sein. Den Wasserfall, der etwas weiter ausgeschildert ist, schaue ich mir auch gleich noch an. In der feinen Gischt ist ein schöner Regenbogen zu sehen.

Nun geht es aber wirklich an der Straße entlang. Ich habe mir die ganze Zeit schon echt Gedanken um dieses Stück gemacht. So schlimm ist es dann aber doch nicht. Ich gehe dicht an der Leitplanke oder auf dem Rasen neben der Fahrbahn. Nach links habe ich einen schönen Blick auf den Fluss und die Bergkette dahinter. Und so viel Verkehr ist gar nicht, zwischendurch kommt mal ein paar Minuten kein Auto, dann wieder ein einzelnes. Die meisten fahren einen weiten Bogen um mich herum, dass ich genug Platz habe. Hoffentlich rennt mich nur kein Elch um, der über die Straße möchte.

So lege ich die nächsten 2 Stunden eine flotte Sohle den Straßenrand entlang hin. Bis die Füße qualmen. Das Wetter ist echt traumhaft, aber im Moment bin ich dankbar für den kühlenden Wind zwischendurch.

Am Ortseingang von Snartemo fängt wieder ein Bürgersteig an. Ich freue mich, dass die Straße geschafft ist. Neben mir hält auch gleich ein Auto. Der Mann fragt mich direkt, ob ich zum Nordkap gehe. Der Einfachheit halber bejahe ich, da Kinnarodden vielen kein Begriff ist. Noch 7 Kilometer weiter die Straße entlang, käme ich zu einem Unterstand mit Feuerstelle, hinter einem Museum. Da könne ich heute Nacht schlafen, meint er. Mal schauen, so weit wollte ich jetzt eigentlich nicht mehr laufen, dann wäre ich schon bei über 30 Kilometern. Und ich wollte die ersten Tage ja noch locker angehen lassen.

Auf einer Infotafel ist ein Wanderweg auf der anderen Flussseite bis nach Birkeland beschrieben. Das klingt gut. Den nehme ich und finde bestimmt irgendwo auch einen Zeltplatz. Dann kann ich mir immer noch Gedanken machen, wie ich ab Birkeland weitergehe.

Mein Quartier beziehe ich dann heute auf einer Halbinsel im Fluss. Über ein paar Steine komme ich trockenen Fußes dorthin und stelle mein Zelt auf der Wiese auf. Rechts und links rauscht der Fluss an mir vorbei und ein paar Bäume schützen mich vor den Blicken anderer Spaziergänger, falls doch noch jemand vorbeikommen sollte.

Mein Zelt steht in die andere Richtung. Hier kühle ich in dem kalten Wasser meine Füße ab, das tut gut!


25,9 km
5:25 h
407 hm
395 hm
279 m