Heute wird erstmal noch ausgiebig gefrühstückt. Bei den Preisen hier muss man das voll ausnutzen. Und dabei hat Anne mir schon einen großzügigen Rabatt gegeben und ich musste die erste Nacht nicht den Einzelzimmer-Preis bezahlen. Trotzdem waren es zwei extrem teure Nächte. Bei uns hätte man dafür wahrscheinlich die Hälfte gezahlt. Aber das ist eben Norwegen.

Meinen Rucksack habe ich gestern Abend schon wieder gepackt. Gegen halb 10 geht’s dann weiter. Mit neuer Energie, schwerem Rucksack und vollem Bauch. Die Straße ein Stück weiter und dann biegt auch schon ein kleiner Pfad auf die Wiese ab für die ersten, steilen Höhenmeter. Aber ich fühle mich super, trotz Frühstück vorher. Und der Rucksack stört mich auch nicht. Der Blick zurück wird immer besser, die Häuser unter uns immer kleiner. Und es wird immer windiger.

Bald müssen wir über die ersten Schneefelder rüber. Was seht ihr auf diesem Bild? Ein riesiges Schneefeld, oder? Eigentlich geht es nur bis da, wo die Wiese auch aufhört – darüber ist der wolkenverhangene Himmel, der genauso weiß aussieht.

Als der erste Anstieg geschafft ist, wird es richtig ungemütlich. Der Wind bläst uns um die Ohren und ist eisig kalt. Ich tausche schnell meine Windjacke gegen die etwas wärmere Regenjacke und ziehe Handschuhe über. Aber ich friere weiter. Bei manchen plötzlichen Böen, werde ich ein paar Schritte vom Pfad abgedrängt, man muss sich richtig gegen den Wind lehnen. Wir gehen über eine große Ebene mit Eis-Seen und vielen riesigen Schneefeldern.

Dann steht die erste Flussquerung an. Der Flyåni hat aber wirklich wenig Wasser im Moment, zum Glück. Die Strömung ist auch nicht zu stark. Nur breit ist der Fluss und das Wasser eiskalt. Auf der anderen Seite angekommen, sind meine Zehen gefühlt erfroren. Und auch sonst friere ich am ganzen Körper. Ich ziehe noch Fleecepulli, Regenhose und meine dicken Wollhandschuhe über. Schon besser! Und es folgt auch wieder ein kleiner Anstieg, wo ich mich sehr drüber freue. Gut zum Aufwärmen.

Fluss 1 von 3 heute ist schonmal geschafft. Das war einfacher als gedacht.

Über mehr Schnee und sumpfige Wiesen geht es zum nächsten Fluss. Zwischendurch regnet es ein bisschen, aber nicht viel. Ein ganzes Stück vor uns ragen dunkle Felswände auf, da geht es hinter dem Fluss hoch, durch eine Scharte.

Ich schaue immer schon, wann der Fluss endlich in Sicht kommt. Er versteckt sich lange hinter Hügeln in einer Senke. Als der Stolsåne dann vor uns liegt, bin ich ganz überrascht. Sehr viel schmaler als der erste Fluss und auch wenig Wasser. Zwar mit Stromschnellen und etwas tiefer, aber wir finden eine relativ ruhige Stelle ohne lange zu suchen. Da haben wir wirklich riesiges Glück mit den niedrigen Wasserständen. Fluss 2 von 3 ist also auch kein Problem.

Der Wind hat ein bisschen nachgelassen und zwischendurch kommt sogar die Sonne raus. Mir ist wieder warm, so ist es angenehmer. Heute morgen habe ich mich einfach direkt zur nächsten Hütte gewünscht, als mir so kalt war. Aber ich mag Scharten! Und da geht es jetzt hoch. Rechts von uns der Grevskardnuten.

Zuerst über ein Geröllfeld. Hier hat bestimmt ein Troll gewütet und mit Felsen um sich geschmissen. Die Stöcke stören mich hier ziemlich, über die Steine komme ich ohne viel sicherer.

Und dann stehen wir vor diesem riesigen Schneefeld. Es ist super steil und irgendwo darunter ist unser Weg verborgen. Bis ganz nach oben. Ich stehe erst ein bisschen unschlüssig davor. Nach unten wird es flacher und wenn ich abrutschen würde, wäre das nicht lebensgefährlich hier. Okay, na gut, dann mal los. Schön vorsichtig, Kerben mit den Schuhen reinhauen und nicht so viel umschauen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. So stapfen wir hintereinander den Schnee schräg hinauf. Markus geht voraus, ich habe es also ein bisschen einfacher gerade, da ich seine Tritte nutzen kann.

Wir schaffen es ohne Probleme zu einem schneefreien Stück. Hier ist es allerdings rutschig, Gras und Moos. Da war es ja fast einfacher auf dem Schnee zu gehen. Es ist so steil, dass die Wadenmuskeln anfangen zu brennen. Weiter oben taucht dann der Weg aus dem Schnee auf und wir finden auch wieder Markierungen. Nochmal über ein nicht mehr ganz so steiles Schneefeld und dann sind wir oben. Mit einer grandiosen Aussicht zurück.

Als es heute Vormittag so kalt und ungemütlich war, haben wir uns schon ausgedacht, dass wir später auf der Hütte die doppelte Portion Pfannkuchen machen. Die Hütte ist noch nicht bewirtschaftet, hat aber ein Vorratsregal. Aber obwohl es heute von der Strecke kein langer Tag ist, brauchen wir doch ziemlich lange. Also legen wir oben in der Scharte, von ein paar Felsen geschützt, doch noch eine Pause ein. Ein bisschen stärken und den Ausblick genießen. Wenn ich jetzt nach unten auf den Schnee schaue, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass wir da gerade hochgegangen sind. Es fängt an zu tröpfeln, aber das stört mich nicht. Wir bleiben trotzdem sitzen.

Dann geht es an den Abstieg. Zum Glück an dem großen Schneefeld mit hohen Kanten und Verwehungen vorbei. Über Geröll und dann über Wiese, durch Sumpf und über kleinere Schneefelder. Weiter unten sieht man schon Djupsvatnet und die Lungsdalshytta. Da geht’s hin. Wir kommen über ein Schneefeld, das sich super zum Herunterrutschen eignet. Zwar etwas ungeplant, aber dann laut lachend, rutschen und rollen wir hinunter. Das macht Spaß! Irgendwann rutsche ich auf dem Bauch weiter, die Füße voran und muss mich danach erstmal vom ganzen Schnee unter meiner Jacke befreien. Die anderen Schneefelder sind ziemlich weich und gehen über wilde Bäche rüber. Da sind wir vorsichtiger und umgehen auch viel Schnee, wo es geht. An einem Bach mit vielen Wasserfällen entlang, der zwischendurch unter Schneefeldern verschwindet und dann wieder auftaucht, geht es immer weiter hinunter. Mit Blick auf den Regenbogen.

Unten angekommen, wartet der dritte Fluss auf uns. Mit einer Sommerbrücke, die aber noch nicht präpariert ist. Es gibt keine Leiter oder Stufen, um hinauf zu kommen und die Holzbretter liegen oben drauf auf einem Stapel. Da mit dem schweren Rucksack hochzuklettern und über die Stahlträger zu balancieren wäre wahrscheinlich gefährlicher als den Fluss zu furten. Da sind wir uns recht schnell einig.

Etwas weiter finden wir eine ruhige Stelle, ohne so viele Stromschnellen. Es ist zwar ziemlich tief und wir werden bis zu den Oberschenkeln nass, aber auch das funktioniert gut. Nachdem ich mir gestern schon ziemlich Gedanken um die Flüsse heute gemacht habe, war das eigentlich kein Problem. Für viel mehr Nervenkitzel hat das steile Schneefeld die Scharte hoch gesorgt.

Auf dem Weg herunter wurde mir immer wärmer und ich habe mich wieder ausgezogen. Meinen Buff habe ich nur schnell am Brustgurt festgemacht. Den öffne ich aber als ich im Fluss stehe. Das gehört schließlich zu den Vorsichtsmaßnahmen beim Furten. Hätte ich doch glatt fast vergessen. Dabei fällt natürlich der Buff ins Wasser und ist schnell verschwunden mit der Strömung. Na toll! Erstmal weiter, hier mitten im Fluss kann ich nicht stehenbleiben. Markus läuft noch ein Stück am Rand hinterher, aber keine Chance dranzukommen. Als ich wieder im Trockenen stehe, laufe ich auch noch ein ganzes Stück den Fluss entlang, aber ich sehe nichts mehr.

Also trotte ich traurig das letzte Stück zur Hütte. Natürlich gibt es schlimmeres, aber das war mein Lieblings-Buff aus reiner Merinowolle. So ist das, wenn man sowieso minimalistisch lebt und nicht so viele Teile hat. Dann ist jedes Teil ein Lieblingsteil. Dann muss ich wohl im nächsten Sportgeschäft erstmal einkaufen – Gas und einen neuen Buff. Das dauert aber noch eine ganze Weile, bis ich da bin. Das nächste Geschäft finde ich wahrscheinlich erst in Otta.

Als ich auf dem Weg zur Hütte diese winzige Brücke sehe, muss ich schmunzeln. Die ist ja enorm hilfreich nachdem man sowieso schon komplett nass ist vom Furten 🙂

Gegen halb 7 sind wir an der Hütte. Nachdem wir sie umrundet haben, finden wir dann auch den Eingang zu den Schlafräumen und der Stube. Den DNT Schlüssel braucht man gar nicht, die Tür ist offen.

Noch nicht mal ganz ausgezogen, werfe ich direkt einen Blick ins Speiseregal. Keine Pfannkuchen-Mischung! Kein Buff, keine Pfannkuchen – ich gucke die Welt kurz böse an.

Na gut, erstmal den Ofen anfeuern und nochmal zum See runter laufen, um Wasser zu holen. Den Gasherd bekommen wir auch nicht zum Laufen, also stellen wir den Wasserkessel auf den Holzofen. Das dauert zwar etwas länger, aber dann gibt es erstmal eine Tasse Kakao.

So sieht es aus, so ein Hüttenabend. Die Sachen trocknen über dem Ofen und wir sitzen gemütlich mit Kerzen und warmen Getränken am Tisch.

Ich esse noch meine Nudeln von mittags auf und mache mir Kartoffelpüree mit Lauch und Kindeybohnen. Das ist doch leckerer als die ganzen anderen Fertiggerichte und Konserven, die ich mir aus dem Regal nehmen könnte. Dann gibt es Blaubeer-Tee und – das hebt meine Laune auch noch – ich finde ganz hinten im Regal, in einer Kiste Kekse.


16,6 km
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