Draußen: 4 Grad, eisiger Wind, Schnee, zugefrorener See. Drinnen: 9 Grad, 2 erfrorene und tropfende Gestalten. Seit 4 Wochen war laut Hüttenprotokoll niemand mehr in der Bjordalsbu Hütte. Und da wahrscheinlich noch mit Skiern. Erstmal den Holzofen anfeuern und Wasser holen. Dann aus den nassen Sachen raus, trockene anziehen, Radio aufdrehen (hier im Nirgendwo gibt es Strom), zum Aufwärmen durch die Stube tanzen und die Speisekammer stürmen. Und das nach nicht mal 16 Kilometern. Was war da los?
Starten wir morgens. In der Lungsdalshytta. Es ist bewölkt, aber mit blauen Löchern, und trocken. Gar nicht so schlecht für den Regen, der schon die ganze Zeit angesagt war. Der Morgen startet mit gewohnter Routine. Anziehen, packen, Hütte fegen, losgehen. Es ist kurz vor 8 Uhr.
Nach ein paar Metern geht es schon über den ersten Wildwasser-Fluss, den Fossebrekka. Aber zum Glück über eine Brücke.
Wir gehen immer am Fluss entlang und an zig kleineren Wasserfällen vorbei. Bis es dann kurz vor dem nächsten See nach oben geht. Der Blick ins Fødalen ist klasse.
Meine Beine müssen sich heute erst warmlaufen und sind morgens noch etwas träge. Bei den ersten Höhenmetern aber bin ich plötzlich wieder voller Energie und spurte den Berg hoch. Oben warte ich auf Markus und im Gänsemarsch geht es über die ersten Schneefelder, um einen großen See herum. Hier abzurutschen würde ein eisiges Bad bedeuten.
Noch ahnen wir nicht, dass wir uns heute auf einer Schnee-Expedition befinden. Allerdings geht es hoch hinaus mit 1.700 Metern – bisher der höchste Punkt – und da wird noch einiges an Schnee liegen, das denken wir uns schon.
Es geht immer wieder hoch und runter, nicht viele Höhenmeter auf einmal, aber da kommen am Ende doch einige zusammen. Schnee und Gras wechseln sich ab, unter uns ein Eis-See nach dem nächsten.
Bis es irgendwann immer weißer wird. Die Schneefelder hören gar nicht mehr auf. Es sind weniger Schneefelder, es ist eher eine Schneedecke mit Grasflecken oder einzelnen Felsen, die herausschauen. Der feste Schnee in der Mitte macht mir nichts, da kann man gut drauf gehen. Aber zum Rand hin sinken wir immer wieder tief ein. Hinunter zum Svartetjørne ist eine hohe Kante im Schnee, die wir umgehen. Nicht, dass sich noch was löst. Und als ich dann auch noch gegenüber, wo wir wieder hoch müssen, einen großen Wasserfall in den Schneelücken entdecke, wird mir ein bisschen mulmig zumute.
Unten am See angekommen, schauen wir, ob es nicht doch eventuell noch eine Alternative gibt. Die gibt es aber nicht, querfeldein möchte ich hier auch nicht gehen. Gut, dass wir zu zweit sind. So können wir uns ein bisschen abwechseln mit Vorangehen und Kerben in den Schnee treten. Das ist nämlich echt anstrengend.
Langsam und vorsichtig stapfen wir also den steilen Schnee am Wasserfall entlang hoch. Von unten konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie wir hier hinauf kommen sollen. Dann geht es aber eigentlich doch ganz gut. Aber das ist ja häufiger so in den Bergen. Der Pfad, den man vorher nicht sieht, schlängelt sich dann doch irgendwie auf den Berg hinauf oder wieder hinunter.
Manchmal sinkt man ein und steht mit den Füßen im Wasser. Wo auf der Karte Bäche eingezeichnet sind, sind wir zwar besonders vorsichtig auf dem Schnee, aber manchmal ist es vielleicht einfach ein Schmelzwasser-See unter dem Schneefeld. Auf jeden Fall ist das ganz schön kalt. Aber die Füße sind sowieso komplett nass vom ganzen Scheewaten.
Naja, und dann ist es einfach nur noch weiß. Zwischendurch schneit es, der Wind pfeift uns um die Ohren und wir stapfen kilometerlang nur durch den Schnee. Es gibt Abschnitte, wo der Schnee so weich ist, dass man jeden Schritt bis zum Knie einsinkt. Noch schlimmer ist aber, wenn man fest steht und dann erst kurze Zeit später ganz plötzlich doch der Schnee unter dem Fuß nachgibt. Dann sitzt man eventuell bis zum Oberschenkel in einem schmalen Loch und muss sich daraus wieder befreien. Einmal muss ich meinen rechten Fuß mit meiner kleinen Schaufel ausbuddeln, weil ich irgendwie zwischen Stein und Eis feststecke und den Fuß nicht mehr nach oben ziehen kann. Ich tue mir nicht weh dabei, aber es wird ganz schön kalt da unten. Ich brauche ein paar Minuten bis ich wieder stehe. Ein anderes Mal sinke ich ein und haue mit dem anderen Schienbein vor einen Stein. Und dann immer das Aufstehen mit dem Rucksack. Die Energie schwindet immer weiter. Und das Stapfen durch den Schnee wird immer anstrengender. Auch die Geröllfelder, die für ein bisschen Abwechslung sorgen, sind keine Entspannung für die Füße. Da ich ja flache Schuhe trage, habe ich um die Sprunggelenke keinen extra Halt, womit ich gut klarkomme. Heute merke ich aber jeden kleinen Muskel.
Nichtsdestotrotz ist es super schön hier oben! Ich war noch nie bei so viel Schnee zu Fuß oben in den Bergen. Es ist ein Erlebnis und großes Abenteuer heute. Ich glaube auch nicht, dass es zu gefährlich ist. Wir haben nur beide irgendwann die Schnauze voll vom Einsinken, Stapfen, Aufrappeln und Frieren.
Die Seen sehen echt lustig aus von oben, sie sind wohl noch gefroren und in Wellenmustern mit Schnee bedeckt.
Voll vermummt trotze ich dem kalten Wind und dem grellen Schnee. Markus leiht mir seinen Buff, damit ich Wangen und Nase bedecken kann. Er hat noch einen in seinem Pulli integriert.
Zum Glück ist der Weg, den man unter dem Schnee nicht sieht, so gut markiert. Einige Markierungen sind hoch genug, dass sie aus dem Schnee herausschauen. Und die Nebelwand hüllt uns zum Glück nicht komplett ein, sondern zieht schnell weiter.
Da unten liegt übrigens der Øvre Bjordalsvatnet, ein großer See. Falls ihr es nicht direkt erkennt in dem ganzen weiß 😉
Und am Ende des Sees liegt auch die Hütte. Allerdings kommt sie erst nach noch einigen Schneehügeln in Sicht. Endlich! Heute morgen war ich noch der Meinung, dass ich direkt nach Breistølen, also zur nächsten Hütte laufen will. Jetzt will ich nur noch in diese Hütte und mich aufwärmen.
Das letzte Hindernis ist nochmal ein Fluss direkt vor der Hütte. Mit Sommerbrücke, die noch nicht aufgebaut ist. Allerdings kann man hier breitbeinig über die Befestigung laufen, das geht ganz gut.
Angekommen! Kein Schritt weiter mehr heute.
Vor dem Umziehen nur noch schnell alles vorbereiten für einen schönen Hüttenabend.
Und dann sind wir wieder oben angekommen. Inzwischen ist es 22:30 Uhr, als ich fertig bin mit Schreiben. Draußen ist es nur noch 1 Grad, der Wind tost, es schneeregnet und ist total nebelig. Ich bin froh, dass ich heute nicht im Zelt schlafen muss hier oben. Drinnen haben wir inzwischen 22 Grad und die Sachen sind fast trocken. Bis auf das Schreiben, habe ich die ganze Zeit nur gegessen und Blaubeertee und Kakao getrunken. Zuhause wäre ich nach der Hälfte der Portion Nudeln satt gewesen, hier habe ich sie als Vorspeise gegessen. Dann gab es Cracker mit Schmierkäse und Pfannkuchen mit Blaubeermarmelade. Die Speisekammer ist gut gefüllt. Und die Hütte sehr viel schöner und gemütlicher als gestern. Obwohl ich inzwischen eine ganze Menge esse, muss ich den Hüftgurt des Rucksacks schon ein bisschen enger ziehen.
So jetzt ist Schlafenszeit, damit der Körper schnell noch ein bisschen regenerieren kann.
Stefan
Hei Sophie,
der Beitrag liest sich ja sehr abenteuerlich. Schön, dass ihr trotzdem gut angekommen seid!
Ich frage mich nur, wie es da in schneereicheren Jahren aussieht. Unsere Route führt natürlich auch da lang. Schaun wir also mal, ob wir nächstes Jahr wirklich da lang kommen. 😉
Vielen Dank, dass du uns so regelmäßig an deiner bzw. eurer Tour teilhaben lässt. Das steigert unsere Vorfreude ungemein! Weiterhin ein schöne Tour!
Viele Grüße,
Stefan / 1zelt4beine.de
Sophie
Hei Stefan,
wann plant ihr denn zu starten nächstes Jahr? Ich würde nach meiner Erfahrung jetzt nicht mehr so früh starten, sondern erst 2 oder 3 Wochen später. Man hat echt nicht viel gewonnen, wenn man so früh startet und im Schnee dann nicht vorwärts kommt. Wobei das ja auch sehr auf den Winter vorher ankommt, aber Mitte Mai ist wahrscheinlich doch meistens zu früh.
Danke und viele Grüße zurück 🙂
Stefan
Wir haben noch kein festes Datum. Wahrscheinlich läuft es auf einen Start zwischen dem 15. oder 22.05. hinaus. Wir haben die Hoffnung, dass wir die üblichen NPL-Start Belastungsprobleme durch kürzere Tagesetappen zu Beginn reduzieren können. Das würde uns dann trotz frühem Start mehr Zeit bis zum Erreichen der Schneegebiete geben. Soviel zumindest zur Theorie… 🙂
Sophie
Das hängt ja auch immer vom Winter ab. Ich habe schon Monate vor meinem Start immer wieder auf das Wetter und die Schneeberichte geschaut, aber das bringt einem eigentlich gar nichts. Richtig vorhersagen kann das niemand. Mir haben inzwischen schon einige Norweger erzählt, dass es letzten Winter nicht so viel Schnee gab. Trotzdem ist er ziemlich lange liegengeblieben und wir standen irgendwann mittendrin.
Einen ähnlichen Plan wie ihr hatte ich auch mal, aber ich wollte dann doch nicht so kurze Tagesetappen gehen.
Mia
Hi Sophie,
es ist ein Genuss deinen Blog zu lesen – es fühlt sich an, als wäre ich mit euch auf Tour. Dieser und der letzte Tag war echt abenteuerlich – aber landschaftlich gerade durch den vielen Schnee extrem schön. Obwohl ich selber in den Alpen in den Monaten März & April bereits viele Bergtouren durch teils verschneite Berge gemacht habe – habe ich großen Respekt vor eurer Leistung!
Nächstes Jahr möchte ich auch NPL gehen und bin für den südl. Teil (den nördl. habe ich schon geplant) noch am Ideen sammeln. Dein Blog hilft da ungemein.
Viele Grüße
Mia
Sophie
Hei Mia,
das freut mich, dass dir meine Berichte gefallen!
Ich finde, dass die Landschaft hier schon ziemlich anders ist als in den Alpen.
Der Süden ist viel schwerer zu planen. Da hat man einfach so viele Möglichkeiten! Das fand ich auch nicht einfach. Und im Endeffekt bin ich dann ja auch ganz schön von meiner Route abgewichen.
Ganz viel Spaß bei der Planung und genieß die Vorfreude 🙂