Ich bin, wie immer, früh wach und habe Lust direkt loszugehen. Da ich nicht frühstücke, bin ich morgens auch immer ziemlich schnell fertig. Anziehen, Zähne putzen, packen, los. Im Moment passt das bei Markus und mir nicht mehr so gut zusammen, da er zum Langschläfer wird und sich morgens viel Zeit lässt. Also laufe ich heute alleine los. Wir werden uns später wahrscheinlich wiedersehen. Entweder im Zelt vor Ferslia oder direkt in der Hütte. Das ist zwar dann ein langer Tag heute, aber fast nur auf der Straße. Da machen mir 30 Kilometer nicht so viel aus, da ich weiß, dass ich das in 6 Stunden Gehzeit locker schaffen kann.

Das erste Ziel ist die Post in Meråker. Diese ist auch der Grund, wieso ich meine Route hierher geplant habe und nicht über die Wanderwege weiter östlich. Ich möchte ein paar Wanderkarten zurück nach Hause schicken, die ich nicht mehr brauche. Da ich in Gjefsjøen neue bekomme in meinem Paket und die nächste Post erst wieder Røyrvik ist, hätte ich sonst zu viele Karten zu schleppen. Ich bin allerdings echt gespannt, wie viele von den Briefen auch tatsächlich ankommen. Das ist jetzt der dritte Brief und ich habe bisher jedes Mal irgendetwas zwischen 8 und 18 Euro gezahlt und die Post-Mitarbeiter haben die Zollerklärung immer unterschiedlich ausgefüllt.

Bis Meråker geht es über die Traktorspur durch den Wald und dann auf eine Schotterstraße. Im Wald stehen immer wieder Infotafeln, ich kann aber nicht erraten, worum es geht. Bald kann ich die ersten Häuser sehen und muss mich nur noch an zwei bellenden Hunden auf einem Hof vorbei trauen. Ich sehe zuerst nicht, dass sie angeleint sind. Puh, Glück gehabt. Die Wolkendecke reißt auch kurz auf und ich sehe ein wenig blauen Himmel. Das ist selten im Moment.

Direkt am Ortseingang gibt es einen großen Supermarkt. Nachdem ich meinen Brief abgegeben habe, kaufe ich ein bisschen ein und sehe, dass man um eine Ecke herum auch drinnen sitzen kann. Es gibt ein paar Tische, einen Kaffeeautomaten, Wasserhahn, eine Toilette, Steckdosen und freies W-Lan – der perfekte Pausenplatz! Hier sitze ich dann auch die nächsten 2 Stunden und schaue mir den Regen von drinnen an. Das war gut angepasst, es hat angefangen zu regnen, als ich gerade angekommen bin. Nur einen warmen Kakao gibt es nicht. Der Automat faselt irgendetwas auf norwegisch, was ich nicht verstehe, wenn man seine Kreditkarte an das Bezahl-Terminal hält.

Markus kommt auch irgendwann an und ein Schwede setzt sich an den Nebentisch. Ich erkenne ihn erst gar nicht als Wanderer. Bis er mich anspricht und fragt, ob ich auch zum Nordkap laufe. Daniel ist ultraleicht unterwegs, mit Trailrunnern, so wie ich, und super kleinem Rucksack. Ich frage nicht nach, aber er liegt bestimmt unter 5 Kilogramm mit seinem Basisgewicht. Er ist Zuhause losgelaufen und folgt dem E1 zum Nordkap. Ich frage ihn nach dem ominösen Damm zwischen Busjøen und Nersjøen, vor der Kjølihytta. Da wo ich nicht hergehen wollte. Er ist dort tatsächlich den nicht vorhandenen Markierungen des E1 gefolgt und der Damm ist wirklich sehr schmal und stand unter Wasser. Es wäre schon heikel gewesen und man dürfe nicht das Gleichgewicht verlieren, aber es wäre machbar. Das ist Daniels Kommentar dazu. Vielleicht hilft das ja, falls hier noch jemand mitliest, der sich Gedanken um die Stelle macht.

Ich probiere hier meine nächste norwegische Spezialität, nämlich Lefse. In diesem Fall mit Zimt und Zucker. Zwar nur abgepackt aus dem Supermarkt, aber frisch habe ich sie noch nirgendwo gesehen. Lefse sind dünne Fladen, die herzhaft oder süß gefüllt gegessen werden. Als Wrap mit Lachs oder mit Zimtbutter zwischen 2 Fladen. Ein traditionelles Gebäck, wofür wohl jede Region ihr eigenes Rezept hat. Mir schmeckt es! Sehr viel besser als Rømmegrøt 🙂

Markus‘ Etappe endet hier in Meråker, das heißt, es gibt ein neues Video. Dieses Mal auch wieder mit mir in der Nebenrolle. Ich habe einige Szenen abgestaubt 😉 Hier die Tage 51 bis 56 in bewegten Bildern.

Gestärkt geht es weiter. Es liegen noch über 20 Kilometer Straße vor mir, wenn ich bis zur Hütte möchte. Lange und langweilige 20 Kilometer, die sich echt in die Länge ziehen. An Seen vorbei und Bäumen und Schafen. Ich könnte ja die Schottersteinchen zählen, vielleicht geht die Zeit dann schneller um.

Selbst meine Pause beende ich schon nach 30 Sekunden wieder. Zu viele Mücken! Zwischendurch einen Podcast, ein bisschen Musik, vor mich hinträumen, mit den Schafen reden. Und um kurz vor 18 Uhr stehe ich dann an der Hütte. Ferslia liegt mitten im Wald, umgeben von hohen Tannen.

Achja, kurz vor der Hütte kam mir noch eine Herde Kühe entgegen. Ich habe ihre Glocken schon von weitem gehört und mich gefragt, wie viele Schafe da unterwegs sind. Als ich um die Kurve kam, wurde die Straße aber von bestimmt 30 Kühen versperrt. Als sie mich entdeckt haben, sind sie auch stehen geblieben. Na, und jetzt? Wer hat Vorfahrt? Das Problem löste sich relativ schnell, da hinter mir ein Auto kam und die Kühe in die andere Richtung verscheucht hat. Da hatte ich wieder freie Bahn bis zur Hütte.

Hier bin ich nicht alleine. Lukas ist auch da. Von ihm hatte mir Daniel vorhin im Supermarkt schon erzählt. Ein junger Norweger aus Oslo, der schon seit über 100 Tagen unterwegs ist. Er ist auch in Lindesnes gestartet, hat aber fast doppelt so lange für die Strecke gebraucht. Er will sich so lange wie möglich Zeit lassen, da er keine Verpflichtungen hat, die auf ihn warten. Und er ist einer der Norweger, die gerne einen 30 Kilo Rucksack mit sich herumschleppen. Mit Angel und allem was dazu gehört. Er erzählt mir, dass er in der Hardangervidda auf Skiern und mit Pulka unterwegs war und fast gestorben wäre. Er ist im Schnee eingebrochen und hing mit den Skiern in einem reißenden Fluss. Da hat er wohl nochmal Glück gehabt! Und er hat nach einem Tag herumprobieren herausgefunden, wie die Sauna in Bjørneggen funktioniert – den Temperatur-Regler auf ganz niedrige Hitze stellen, dann wird es warm. Logisch, oder?!

Später kommt Markus dazu und wir sitzen noch eine Weile gemütlich auf der Couch, bevor es ins Bett geht. Ich will eigentlich schon seit der Ramsjøhytta einen Pausentag machen, aber auch hier gefällt es mir nicht so gut, dass ich einen ganzen Tag bleiben möchte. Luxus ist aber, dass man zur Toilette nicht durch den Regen muss.


34,0 km
6:25 h
608 hm
607 hm
503 m