Unseren Gesichtsausdruck für das Startfoto passen wir heute dem Wetter an. Ausgeruht und wieder in Wanderlaune geht es um halb 8 los. Allerdings verheißt der Nebel nichts gutes. Ich hatte mich so auf den Gipfel des Skjækerhatten gefreut. Den können wir bei dem Wetter aktuell wohl knicken, um uns nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Aussicht hätten wir sowieso nicht.

Naja, schauen wir mal. Richtung Gipfel geht es so oder so, wir müssen über den Gebirgszug des Skjækerfjella drüber. Wenn wir oben am Sattel sind, können wir aber den Gipfel auslassen und stattdessen auf der anderen Seite direkt wieder absteigen.

Gehen wir erstmal los. Das gestaltet sich schon nicht so einfach. Auf jeder Karte sind die Wege hier unterschiedliche eingezeichnet, wenn sie überhaupt da sind. Wir entscheiden uns, Richtung Skjækerhytta zu gehen und hoffen, dass es dahinter eine Brücke über den Fluss gibt. Der Pfad verliert sich bald und wir stapfen so über die nasse Wiese, gehen einen unnötigen Bogen, entdecken dann doch die Hütte, aber natürlich keine Brücke. Bis dahin sind unsere Füße schon wieder klitschnass.

Da macht auch diese Überquerung nicht mehr viel aus. Der Fluss ist breit, hat aber dafür keine so starke Strömung.

Nachdem wir uns durch das Gestrüpp am anderen Ufer gekämpft haben und weiter durch den Sumpf laufen, entdecken wir zwischendurch auch mal eine einzelne Markierung. Es ist aber viel mühsamer dem nur gelegentlich sichtbaren Pfad folgen zu wollen, als einfach direkt querfeldein zu gehen. Bald darauf endet der Wanderweg sowieso laut den Karten.

Wir stellen unsere Kompasse ein und peilen zuerst eine Hütte auf der anderen Seite des Flusses Storbrenta an. Kurz davor haben wir auf einer Karte eine Brücke gefunden.

Den Gebirgszug muss man sich denken da hinten unter den Wolken. Die Frage ist nur, wie wir so den Durchgang finden sollen. Da müssen wir uns auf den Kompass verlassen.

Es ist kalt, windig und regnet immer wieder. Zum Glück gibt es die Brücke wirklich. Da ist die Freude groß! An der Hütte angekommen gibt es die erste Stärkung mit ein paar Nüssen und wir ermitteln die neue Marschzahl. Das nächste Ziel ist ein kleiner See nördlich unterhalb des Grønhaugen. Wir kommen ganz gut voran, der Wald ist zum Glück nicht so dicht. Als wir um den Berg herum sind, haben wir direkt vor uns die hohen Berge – theoretisch. Also praktisch auch, nur eben hinter dem weißen Vorhang.

Nach der letzten sumpfigen Ebene geht es an den Anstieg. Oben im Sattel ist ein See, genau zwischen Sukkertoppen und Skjækerhatten. Von Martin haben wir den Tipp bekommen, uns bis dahin rechts vom Bach zu halten, das wäre einfacher. Den sehen wir bisher nur zwischendurch mal ganz schwach, wenn der Wind den Nebel weiterpustet.

Wir kommen an Scheiben-Felsen vorbei, die mich an die Pancake Rocks in Neuseeland erinnern.

Als wir in die Wolken eintauchen, haben wir vielleicht noch 100 Meter Sicht. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man über sich gar nichts sieht. Inzwischen haben wir Handschuhe an und es wird immer windiger. Zumindest sind wir auf der richtigen Seite vom Bach mit seinen Wasserfällen.

Es wird steiler und wir müssen echt aufpassen, nicht auszurutschen auf der nassen Wiese. Es wird noch steiler und felsiger. Wir versuchen so viel glatten Fels wie möglich zu umgehen, da ist doch die Wiese sicherer. Ein paar Mal gehen wir näher zum Bach, nur um festzustellen, dass wir die Felsen da nicht hochkommen. Also doch einen Bogen zurück und auf der nächsten hohen Stufe angekommen, wieder neu orientieren. Hier ist es bald geschafft und laut GPS sind wir fast am See. Den man natürlich nicht sieht. Hier oben reduziert sich die Sicht eher auf 50 Meter oder weniger.

Aber die erste Hürde ist gemeistert, wir sind auf dem Sattel angekommen. Rechts und links von uns ein Gipfel, hinter uns der See, in die andere Richtung der Blick zurück ins Tal. Schöne Vorstellung, es wäre sicher traumhaft hier oben bei blauem Himmel. Wir sehen nur weiß in jede Richtung. Der Gipfel ist damit gestrichen. Erstmal hinter ein paar Felsen vor dem Wind verstecken und nochmal stärken. Dann gibt es unsere Gipfel-Pfannkuchen mit Blaubeermarmelade, die wir gestern tatsächlich nicht geschafft haben, eben hier. Es gab nämlich wieder nur Familienpackungen, da haben wir den Rest einfach eingepackt als Proviant.

Als ich zur Damentoilette ein Stück weitergehe und aus dem Windschatten raus, wehe ich fast weg. Das kann ja heiter werden. Die Pause dauert auch nicht lange. Wir müssen uns schnell wieder bewegen, bevor wir völlig auskühlen. Da wir absolut nichts sehen können auf der anderen Seite des Baches, die Felsen viel zu rutschig sind und die Überquerung zu heikel, beschließen wir, auf dieser Seite weiterzugehen. Das Gelände sieht okay aus. Also die nächsten paar Meter jedenfalls. Also geht es südlich um den Hattjønna herum, der sich dann doch mal zeigt.

Es ist wirklich schön hier und das Wetter so ärgerlich! Es geht in Wellen weiter durch den Einschnitt zwischen den Gipfeln. Auf eine Felszunge hoch, wieder runter, durchs Gras und wieder hoch. Wir schauen ein paar Mal mehr aufs Handy, um nicht zu weit um den See herumzugehen. Ohne weitere Fixpunkte merkt man ja nicht, wenn man im Kreis läuft. Dann geht’s auf der Nordseite des Flusses das Sukkertopskardet hinab.

Über uns liegt doch noch einiges an Schnee, da sind wir froh, den Gipfel ausgelassen zu haben. Über ein paar feste Schneefelder müssen wir auch rüber.

Bis wir auf diese von viel Wasser durchzogene Ebene herabblicken. Da müssen wir einmal quer drüber und über den Hügel am anderen Ende. Na gut, bleibt uns ja nichts anderes übrig.

Wir bahnen uns einen Weg zwischen Bächen und Tümpeln durch die nasse Wiese. Also eigentlich gehen wir auch im Wasser und versuchen nur die tiefen Stellen zu umgehen. Und die, die so aussehen, als würde man im Schlamm versinken.

Um das Grønlifjellet herum gehen wir am Hang entlang, immer wieder durch dichte Bäume. Hinab ins Tal und wieder durch den Sumpf zum Grønlivatnet.

Wir gehen östlich am See entlang, aber etwas höher am Hang durch den Wald. Da ist es nicht so sumpfig. Ursprünglich hatten wir mal gedacht, hier am See irgendwo einen Zeltplatz zu suchen. Aber das ist schwierig. Außerdem ist es jetzt auch nicht mehr so weit bis Gaundalen und ein Dach über dem Kopf sehr verlockend. Es ist nass und uns ist kalt. Etwas hinter einem kleinen Staudamm geht es nochmal durch einen Fluss und dann mehr oder weniger an der Stromleitung entlang. Ein Stück weiter fängt auch eine Traktorspur an. Ein Stück halten wir uns daran, dann gehen wir einfach wieder querfeldein und orientieren uns an den Strommasten. Die führen auf direktem Weg zum Hof.

Die Häuser können wir schon von weitem sehen. Und wahrscheinlich sind wir schon lange auf Gaundalens Grund und Boden. Es ist einer von 4 Bergbauernhöfen ohne Straßenanbindung in Snåsa. Und außerdem mit 28.300 Hektar bzw. 283 Quadratkilometern das größte Anwesen in dieser Region. Steinar Gaundal, der vor ein paar Jahren gestorben ist, hat den Hof geführt und sogar Landebahn und Hangar gebaut und sich ein Flugzeug angeschafft. So läuft das hier auf den einsamen Höfen ohne Zivilisation in der Nähe. Von ehemaligen NPLern weiß ich, dass Steinar über jeden Bescheid wusste, der seine Norge på langs Tour veröffentlicht hat im Internet und immer schon auf einen gewartet hat. Es gehörte zur NPL Tradition in Gaundalen vorbeizugehen und von hier der alten Telegraphenleitung nach Holden und eventuell Gjefsjøen zu folgen. 2 von den anderen Bergbauernhöfen. Jetzt führt Steinars Schwester den Hof. Und die Telegraphenleitung wurde im Frühjahr abgebaut.

Hier ist einfach alles nach der Familie Gaundal benannt – oder andersherum? Der Hof Gaundalen, das Tal Gaundalen, der Fluss Gauna, einer der Berge Gaundalklumpen und auf schwedischer Seite das Gaundalsfjället. Außerdem die Gaunbrua, die uns über den letzten Fluss führt.

Wir machen uns schon Gedanken, ob jemand Zuhause ist oder ob wir sonst doch unser Zelt aufstellen müssen bei dem ungemütlichen Wetter. Wobei uns inzwischen alles Recht ist, hauptsache aus den nassen Sachen raus und hinlegen. Wir haben die ganze Zeit keinen Empfang und konnten uns nicht ankündigen. Wir haben aber richtig Glück. Gerade als wir beim Haupthaus ankommen, geht eine Frau in den Schuppen, sieht uns und kommt direkt wieder raus. Sie fragt uns auf Englisch, ob wir halt ein bisschen durch den Regen wandern. Ja klar, was soll man auch sonst machen 🙂 Sie meint, dass in der Hütte gleich nebenan schon ein Pärchen sei, aber klopft direkt und fragt, ob wir das zweite Zimmer haben können. Und für Internet sollen wir einfach zu ihr ins Haus kommen. Damit habe ich hier nicht gerechnet. Mobilfunknetz gibt es nicht, aber W-Lan.

Wir sind super glücklich und ziemlich erstaunt über die luxuriösen Trockenmöglichkeiten. Sieht so aus, als würden hier selten Leute trocken ankommen. Es gibt einen Schuhtrockner mit Schläuchen, die man in die Schuhe reinsteckt und einen großen Trockenschrank, wo wir unsere Klamotten reinhängen. Schon nach 2 Stunden ist alles trocken. Wir sitzen mit den anderen beiden in der Küche zusammen, essen erstmal was und quatschen dabei. Sie leben in Malmö, er ist aber Amerikaner und sie aus Ungarn. Sie laufen den E1 in Etappen nordwärts. Jedes Jahr ein bisschen.

Dann gehen wir rüber ins Haupthaus, schreiben ins Gästebuch, bekommen Kaffee angeboten und sitzen über eine Stunde dort und nutzen das Internet zum Telefonieren und Nachrichten beantworten. Allerdings muss ich sagen, dass ich die Tage ohne Empfang auch sehr genieße. Heute stresst es mich schon fast, weil ich ewig brauchen würde, alle Nachrichten zu beantworten. Da haben aktuell die Vorrang, die mir mit Tipps für die nächsten Tage helfen.


24,8 km
7:40 h
728 hm
783 hm
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