Ich habe richtig gut geschlafen. Wir haben gestern um halb 10 die Augen zugemacht und ich wache gegen halb 6 auf. Ich liege aber erstmal noch eine Stunde herum und lausche dem peifenden Wind. Es ist scheinbar trocken, aber der Wind hört sich heftig an. Schön, dass wir diese gemütliche Hütte gefunden haben. Als ich dann doch irgendwann mal raus muss, ist es so nebelig. Das würde schwierig, Steinmännchen zu erkennen. Also erstmal wieder in den Schlafsack kuscheln und einen warmen Kakao trinken.

Wir warten noch eine ganze Weile, ob der Nebel sich vielleicht verzieht. Aber das sieht erstmal nicht so aus. Zwischendurch kann man etwas mehr sehen, dann ist wieder alles weiß. Wir überlegen hin und her und entscheiden uns, einen Tag hierzubleiben. Die nächsten Tage werden zwar auch ungemütlich, aber es ist etwas weniger Regen angesagt. Außerdem mag ich diese kleine Hütte so gerne und muss ja bis Røkland noch ein bisschen trödeln, um nicht am Sonntag vor der geschlossenen Post zu stehen.

Die Corraskoia ist eine Nothütte und eigentlich nur für Tagesbesuche gedacht. Aber wir beschließen, dass das Wetter es uns erlaubt, noch eine Nacht hierzubleiben. Es gibt alles, was man braucht. Kerzen, Wasserkessel, Anzünder, Holz, Axt, Eimer.

Wir teilen die Arbeit auf. Markus hackt Holz und macht den Kamin an. Ich ziehe mir was über und hole Wasser im nächsten Bach. Das ist dann mein Sport für heute. Mit vollem Wassereimer und Gegenwind den Berg hinauf zurück zur Hütte. Im Moment ist der Buckel hinter mir zu sehen, heute morgen konnte ich nur bis da gucken, wo ich gerade stehe.

Wir verbringen den Tag ganz entspannt und kuschelig. Schreiben, in die Karte schauen, essen, Musik hören, träumen. Und später früh schlafen, damit wir morgen früh starten können zur Bolnastua. Die Hütte liegt direkt an der Straße, da haben wir vielleicht mal wieder Empfang. Ich will mir nämlich für den Norden noch wasserdichte Socken besorgen. Auch wenn zum Beispiel SealSkinz nicht lange wasserdicht bleiben sollen, halten sie wohl trotzdem gut warm. Das ist das Wichtigste. An nasse Füße bin ich ja schon gewöhnt, das stört mich nicht. Nur wenn es dann noch viel kälter wird, wird das unangenehm. Ich will mal im Sportladen in Rognan anrufen, ob sie welche da haben und sonst online bestellen. Die beiden Tage an der Küste, in Rognan und Fauske, sind ja die letzte Möglichkeit, wo ich noch Sachen besorgen kann. Danach komme ich durch keine Stadt mehr.

Außerdem aktualisiere ich meine Statistik. Ich bin bisher 89 Tage unterwegs, 76 Geh- und 13 Pausentage. Ich bin 1.739 Kilometer gewandert, was an den Gehtagen einen Schnitt von 22,9 Kilometern pro Tag macht. Das ist zwar nicht ganz mein vorher angepeilter Schnitt von 25 Kilometern pro Tag, aber ich hätte auch vor der Tour nie gedacht, dass das Gelände einen, unter anderem durch den ganzen Sumpf, doch so langsam macht. Das ist aber völlig okay so, ich bin gut in meinem Zeitplan. Auch wenn ich aktuell wohl wirklich erst Mitte Oktober am Kinnarodden ankomme und eventuell schon in der Finnmarksvidda in den Schnee komme. Jedenfalls ist das recht wahrscheinlich, wenn ich die Reaktionen der Norweger richtig deute, denen ich von meinem Plan erzähle.

Nachmittags bekommen wir noch Besuch. Heike und Christoph stehen klitschnass in der Tür. Wir dachten, sie hätten uns schon überholt. Aber sie haben letzte Nacht in der Virvasshytta geschlafen und lange überlegt, ob sie nicht heute dort bleiben bei dem Wetter. Jetzt stehen sie hier und überlegen von neuem. Aber erstmal ein bisschen aufwärmen, wir räumen schnell unsere verstreuten Sachen zusammen. Als etwas später nochmal die Tür aufgeht, kommt eine Norwegerin dazu. Jetzt wird es aber kuschelig in der kleinen Hütte. Hildegun aus der Nähe von Bergen geht 3 Wochen wandern und will bei dem Wetter heute auch nicht im Zelt schlafen. Nachdem wir so selten Leute treffen unterwegs, sind wir echt überrascht, dass wir uns gerade heute in dieser kleinen Nothütte zu fünft tummeln.

Heike und Christoph beschließen später doch noch weiterzugehen. Ich glaube, es ist ihnen zu eng hier. Sie wollen versuchen, beim Abstieg zur Bolnastua einen guten Zeltplatz zu finden. Ich drücke ihnen die Daumen, denn heute Nacht sind Windgeschwindigkeiten von bis zu 16 Metern pro Sekunde angesagt, was nicht ohne ist. Hildegun bleibt und wir verteilen uns zum Schlafen auf die Holzbänke. Das passt super bei 3 Personen. Jetzt könnte höchstens noch jemand auf dem Boden schlafen. Wir unterhalten uns lange, packen schonmal unsere Sachen für morgen früh zusammen und dann geht’s schlafen. Draußen ist es immer noch nebelig und stürmt.