Die Memminger Hütte ist mal wieder eine Frühaufsteher-Hütte. In den letzten Hütten habe ich mich gewundert, dass alle so lange geschlafen haben. Um viertel nach 5 fangen die meisten an ihre Sachen zu packen und es herrscht Trubel im Lager. Dabei gibt es erst ab 6 Uhr Frühstück. Im Waschraum begegne ich ein paar Damen, die morgens schon duschen und sich dann ausgiebig schminken. Für die Steinböcke unterwegs? Das erlebe ich hier auf der Hütte auch zum ersten Mal. Bestimmt E5lerinnen 😉
Ich gehe ganz entspannt gegen 7 Uhr los. Vor der Hütte steht eine Gruppe im Kreis und macht Aufwärm- und Dehnübungen. Ich bin die einzige, die dem Schild Richtung Ansbacher Hütte folgt. Der E5 und damit die meisten Leute gehen über die Seescharte, wo wir gestern hergekommen sind.
Es geht erstmal die Wiese hinunter bis zu einer Wegkreuzung. Ich habe gestern schon von anderen Wanderern gehört, dass heute ein Bach zu queren ist, wo man etwas nach einer geeigneten Stelle suchen muss. Und hier steht jetzt auch nochmal ein Warnschild.
Es hat ab gestern Nachmittag und wahrscheinlich die halbe Nacht ziemlich stark geregnet. Dann kann ich ja schon mal das Furten für Norwegen nächstes Jahr üben. Da wird das etwas häufiger vorkommen. Ich mache mich also weiter an den Abstieg. Der Pfad führt über die sumpfige Wiese und steht teilweise unter Wasser. Schnell sind meine Schuhe und Beine total schlammig. Aber die Landschaft ist super schön. Gegenüber sind die ersten Sonnenflecken zu sehen und langsam lichtet sich der Nebel über dem Tal.
Der Pfad wird steiler und schlängelt sich in Kehren die Wiese runter. Es ist so rutschig, da muss man echt aufpassen. Ich rutsche einige Male fast aus, kann mich aber immer noch auf den Beinen halten. Dieser Abstieg macht nicht so viel Spaß. Und er zieht sich ziemlich. Ein bisschen tiefer kommen zu dem lehmigen Boden dann auch noch die glitschigen Wurzeln der Latschen.
Auf dem Weg muss ich schon 3 Bäche queren, die den Hang hinunter fließen. Das ist aber noch einfach, sie sind nicht so breit.
Für einen Teil des Weges, der wahrscheinlich beim Hochwasser zerstört wurde, gibt es eine Umleitung. Nach über einer Stunde bin ich dann unten im Parseiertal mit dem Parseierbach angekommen.
Schon von weitem sehe ich, dass es mal eine Holzbrücke gab, die aber jetzt kaputt und unbrauchbar neben dem Bach liegt. Über den ersten Seitenarm des Baches kommt man noch einfach rüber. Da reichen 2 große Schritte über Steine. Jetzt wird es aber knifflig. Auf den Fotos sieht das nicht so schlimm aus, aber das Wasser ist ziemlich reißend. Und in der braunen Brühe kann man auch nicht erkennen, wie tief es ist. Ich gehe flussaufwärts und suche ziemlich lange eine geeignete Stelle zum Queren. Der Bach teilt sich noch ein paar Mal. Aber zum Springen ist es mir doch noch zu breit und zu rutschig. Als ich keine Stelle finde, mache ich es also, wie ich es für Norwegen gelernt habe. Schuhe aus, Sandalen an, alles sicher im Rucksack verstauen, Stöcke raus und Hüft- und Brustgurt am Rucksack nicht schließen. Damit man sich schnell vom Rucksack befreien kann, falls man ausrutscht. Ich nehme eine möglichst breite Stelle, wo das Wasser weniger reißend ist. Dann immer 3 Punkte fest am Boden und nur einen Fuß oder Stock weiter bewegen. Das klappt auch tatsächlich super gut. Die ersten Schritte haben mich ein bisschen Überwindung gekostet, aber das Wasser geht mir nur an einer Stelle bis zum Knie und ist sonst nicht so tief. Und mit dem festen Stand an 3 Punkten fühle ich mich auch recht sicher. Perfekt, das wäre geschafft.
Ich klettere noch ein Stück am Rand vom Bach entlang, um wieder zu der Wegmarkierung zu kommen. Dort setze ich mich und ziehe meine Schuhe an. Auf der anderen Seite sehe ich Henk, er ist wohl kurz nach mir losgegangen. Über das tosende Wasser kann man sich nicht verstehen, aber er geht auch flussaufwärts und findet eine Stelle, wo er springen kann. Ich warte noch ein bisschen, ob Markus und Finn auch gleich kommen. Sie wollten aber erst noch frühstücken und ich weiß nicht, wann sie dann losgegangen sind. Und da sie ja zu zweit sind, mache ich mich dann doch wieder auf den Weg. Es folgt ein langer Anstieg.
Es geht erst durch den Wald und dann über Wiese wieder hinauf. Gerade als der Weg einfacher zu gehen wird, lässt wohl meine Konzentration nach und ich rutsche doch noch aus. Aber außer dass ich jetzt noch schlammiger bin, passiert nichts. Nur ein kurzer Schreck.
Das Parseiertal ist sehr wasserreich. Von weiter oben sieht man zig Wasserfälle und Bäche, die den Berg hinunter strömen und den Parseierbach speisen. Einen Bach müssen wir noch queren. Henk ist ein Stück vor mir und die Wiese runter gelaufen, um eine geeignete Stelle zum Queren zu finden. Ich muss hier nur ein bisschen suchen und gehe nah beim Weg durch das Wasser. Ich lasse die Schuhe an, nur in meinen linken Schuh schwappt ein wenig Wasser. Ich winke Henk zu mir und zeige ihm die Stelle, aber scheinbar möchte er komplett trocken bleiben. Also läuft er wieder die Wiese runter, schmeißt seinen Rucksack auf die andere Seite und springt hinterher. Das wäre mir ja zu heikel, wenn ich dann beim Landen wegrutsche.
Über viele Kehren geht es jetzt die rutschige Wiese weiter hinauf. Hoch ist aber einfacher als runter. Dann um eine Kurve und vor mir liegt das Langkar. Der Name passt, es geht eine Ewigkeit über Geröll weiter hoch. Henk holt mich wieder ein und wir gehen zusammen weiter.
Ich bin ganz erstaunt, dass uns hier so viele Wanderer entgegen kommen. Ganze Gruppen, die den Lechtaler Höhenweg wandern. Wir geben ihnen ein paar Tipps für die anstehenden Bachquerungen, dann geht es weiter. Und zwar in den Nebel hinein. Um uns herum sehen wir bald nichts mehr außer Steine und noch einige Schneefelder.
Dadurch dass es um uns herum weiß ist und wir keine Sicht auf die Berge oder den weiteren Weg haben, zieht sich die Strecke noch mehr. Wir gehen langsam immer höher und unterhalten uns dabei. Mit Henk immer auf Englisch. Zwischendurch hängt jeder seinen eigenen Gedanken nach.
Zwischendurch müssen wir über große Steinblöcke gehen, dann wieder über Schotter. Dann über viele verschiedenfarbige Steine. Zumindest da gibt es ein bisschen Abwechslung.
Die letzten Meter hoch zur Grießlscharte wartet dann noch eine anspruchsvolle und seilgesicherte Stelle. Irgendwie tue ich mich heute ein bisschen schwer damit. Dabei ist es eigentlich nicht schwieriger als die Kletterei der letzten Tage. Aber viele Schritte kosten mich Überwindung und ich habe ziemlich Angst abzurutschen. Ich lasse mir Zeit und halte mich immer schön am dicken Drahtseil fest. Diese schiefen Felsplatten muss man hoch, die wie aneinander gelehnt da stehen.
Noch ein paar Stufen, dann ist es geschafft. Henk wartet oben auf mich.
Wir suchen uns einen windgeschützten Platz und machen oben in der Scharte Pause. Wir quatschen und essen und hoffen, dass die Sonne es schafft, die Wolken zu vertreiben. Zwischendurch wird es ein bisschen heller und man spürt die Wärme der Sonnenstrahlen, aber es bleibt nebelig. Irgendwann hören wir Stimmen und Stöcke auf den Steinen unter uns. Vielleicht sind das ja Markus und Finn. Wir warten noch, hören aber dann gar nichts mehr. Abends erfahren wir, dass sie es wirklich waren, sie haben aber unten vor der Kletterstelle nochmal Pause gemacht.
Weiter geht es ein Stück runter und dann müssen wir ein großes Schneefeld queren. Danke an Henk für das coole Foto mit dem Schnee unter und dem Nebel über mir.
Jetzt folgen nicht mehr viele Höhenmeter. Über Geröll geht es weiter durch den Nebel. Ein paar Meter hoch zum Winterjoch und wieder runter. Nochmal ein paar Meter hoch, auf einfachem Weg durch die Kopfscharte und wieder hinab. Dann bis zur Wegkreuzung am Hang entlang.
Um die nächste Ecke liegt plötzlich die Ansbacher Hütte vor uns. Ziel erreicht, auf 2376 Meter Höhe.
Es ist noch früh und zum Glück gibt es endlich wieder ein bisschen Empfang. Zumindest draußen auf der Terrasse. Das ist gut, dann kann ich mich erstmal um die nächsten Übernachtungen kümmern. Nach ein bisschen hin und her telefonieren und Verfügbarkeiten prüfen, habe ich dann auch eine Idee, wie ich zu meinem Pausentag morgen komme. Ich kann spontan noch eine Nacht hier bleiben und gehe danach dann direkt zur Leutkircher Hütte statt zum Kaiserjochhaus, wo kein Platz mehr ist.
Heute haben wir alle einen Tisch und ein Lager zusammen, Henk, Markus und Finn sagen beim Anmelden alle meine Tisch- und Lagernummer an. Heute ist nämlich unser letzter Abend zusammen. Henk geht morgen weiter zum Kaiserjochhaus und Markus und Finn steigen ab und fahren zurück nach Hause, nach Dinslaken. Wir haben noch einen echt schönen Abend zusammen.