Wir haben schon Donnerstagmorgen, ich konnte gestern nicht mehr schreiben. Es war der längste Tag seit ich unterwegs bin. Die längste Strecke, die ich jemals am Stück gegangen bin. Danach war nur noch essen und schlafen angesagt. Aber fangen wir morgens an.

Wir gehen gegen 8 Uhr los. Die Sonne scheint und verspricht einen wunderschönen, warmen Tag. Da der E1 einen ziemlichen Umweg macht bis nach Kiel, suchen wir uns einen eigenen Weg. Zum Glück müssen wir nicht an der Bundesstraße entlang, wie zuerst vermutet. Wir finden kleine Nebenstraßen und Fahrradwege, zwar viel Asphalt, aber ruhig. Es geht vorbei am Flughafen Kiel-Holtenau, rein in die Stadt. Der offizielle Verlauf des E1 beinhaltet heute zweimal eine Überfahrt mit der Fähre. Aber nicht mit mir! Ich möchte bei meinem Plan bleiben, alles zu Fuß zu machen. Schnell ist klar, dass es dann über 30 Kilometer werden heute. Aber daran denke ich noch gar nicht so viel, einfach erstmal gehen.

Den Nord-Ostsee-Kanal überqueren wir über die Hochbrücke.

Danach geht es über Spazierwege durch Wald bis wir wieder auf den E1 treffen, wo die Fähre anlegt. Richtung Kieler Innenstadt geht es direkt am Hafen entlang. Wir haben schon 15 Kilometer hinter uns, in der prallen Sonne. Schatten oder Wolken sind heute Fehlanzeige. Es ist wunderschön, aber ich merke meine Füße schon und der Weg am Hafen entlang zieht sich.

Zeit für eine Mittagspause. Nachdem wir auf dem Weg schon einen Snack aus Möhre, Apfel und Nüssen hatten, suchen wir uns jetzt doch ein kleines Restaurant. Wir müssen uns ja schließlich für die nächsten 20 Kilometer oder so stärken.

Aktuell liegen 2 riesige Kreuzfahrtschiffe im Hafen, unter anderem die AIDA. Die Schiffe sind so gigantisch groß, wenn man unten an ihnen vorbeiläuft. Schwimmende Hotelanlagen, die die Umwelt verpesten.

Ansonsten ist die Hafenpromenade in Kiel echt schön, von der Innenstadt sehen wir nicht so viel. Wir kommen am Hauptbahnhof vorbei und überqueren den Hafen dann über die Hörnbrücke, eine Klappbrücke.

Jetzt geht es nochmal etwa eine Stunde an großen Straßen entlang, bis wir wieder auf den E1 treffen. Und ihr glaubt gar nicht, wie froh ich bin, dass wir die Großstadt hinter uns gelassen haben.

Es geht bis zum Ziel am Fluss Schwentine entlang. Viel durch Wald, durch ein paar Felder, immer hoch und runter. Ein sehr schöner Weg. Auf dem Fluss sind eine ganze Menge Kanus unterwegs. Um die Füße auszuruhen, suchen wir uns ein schönes Plätzchen am Ufer. Den Vögeln zu lauschen und zuzusehen, wie der Wind durch das Schilf streift und die Sonnenstrahlen auf dem Wasser funkeln, ist doch tausendmal schöner als jede Stadt.

Ich muss allerdings schon richtig kämpfen mit meinen Füßen. Jeder Schritt tut weh inzwischen. Gegen Ende eiere ich eher durch den Wald. Auf dem letzten Waldabschnitt werden wir noch von ziemlich großen Mücken angegriffen, das mobilisiert ein paar Kräfte um zu fliehen.

Endlich kommt ein Schild, dass es bis zum nächsten Ort, Preetz, nur noch 3,5 Kilometer sind. Dort kaufen wir eben noch ein. Ansprechbar bin ich bis zum Essen aber schon nicht mehr so richtig. Ich bin völlig geschafft und habe Hunger. Ich möchte allerdings unbedingt noch zum Campingplatz, vorher sind wir an keiner Schlafmöglichkeit vorbeigekommen.

Als ich mir dann im Supermarkt aus Versehen noch den Rucksack auf meinen Fuß fallen lasse, schießen mir ein paar Tränen in die Augen. Aber den letzten Kilometer zum Campingplatz schaffe ich jetzt auch noch.

Preetz scheint ein richtig schnuckeliges Örtchen zu sein, wir kommen an alten Fachwerkhäusern und einer Klosteranlage vorbei. Schade, dass ich so fertig bin, hier hätte ich mich gerne ein bisschen genauer umgeschaut.

Als heutiges Extra gibt es jetzt noch einen Gastbeitrag vom meinem heutigen Wandergefährten Olaf:

Zunächst einmal möchte ich Sophie für ihre Gastfreundschaft und die Bereitschaft danken, sie auf einer Etappe ihrer langen Wanderung durch Deutschland begleiten zu dürfen. Als ich mich gestern Morgen im Ruhrgebiet auf den Weg nach Kiel begeben habe, hatte ich gut 5 Stunden Zeit, um über ihr Projekt nachzudenken und zu überlegen, was mich wohl erwarten würde. Nun habe ich die Antworten auf meine Fragen. Nach nur einem Tag bin ich absolut entschleunigt und merke, dass Uhrzeit und Wochentag absolut egal sind und weiß, was sie meint, wenn sie von netten Begegnungen mit hilfsbereiten Menschen und traumhaft schönen Orten berichtet.

Mir wurde aber auch nach nur einem Tag mit gut 40 Kilometern klar, wie sportlich ihre Leistung ist, denn sie wandert bis September nun jeden Tag…

Auch wurde mir noch einmal klar vor Augen gehalten, dass oftmals WENIGER MEHR IST und man nicht viel braucht, um glücklich zu sein – Glück ist die Summe schöner Momente.

Nach dem Essen habe ich auch wieder ein bisschen mehr Energie und kann noch eine lange Dusche genießen.

Ich freue mich über die Überraschung Norbert und Mattes hier noch ein drittes Mal zu treffen. Norbert bringt uns vom Einkaufen noch was zu trinken mit, so dass wir auf unsere heutige Leistung anstoßen können. Wir sitzen noch ein bisschen zu Dritt zusammen und lassen den Abend ausklingen.

Die Augen fallen dann aber zu sobald ich im Schlafsack liege. Überglücklich, es geschafft zu haben! Trotz Anstrengung und Schmerzen war es ein richtig schöner Tag.

P.S.: Die Angabe der Dauer ist immer die reine Gehzeit. Pausen kommen noch dazu. Insgesamt waren wir heute etwas über 12 Stunden unterwegs.


40,2 km
8:50 h
250 hm
254 hm
47 m