Die Nacht war ruhig, kein Unwetter. Heute geht es auf dem Via Romea weiter nach Osterwieck. Ich habe nochmal Begleitung von Olaf. Es geht hinab in den Ort, am Fuß der Hornburg vorbei. Die kleinen Örtchen hier sind alle total süß mit ihren alten Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflastergassen.

Die erste Pause machen wir schon nach 15 Minuten, am Summstein. Kopf reinstecken und dem Echo des eigenen Summens lauschen – tiefe Töne klingen am schönsten.

Ich bin total begeistert von unserem Weg heute. Sobald wir aus dem Ort raus sind, geht es über Feld- und Waldwege. Endlich mal richtige Wanderwege und dazu noch mit Ausblick. Nicht mehr nur plattes Land. Man merkt deutlich, dass ich schon im Vorharz angekommen bin. Sogar den Brocken können wir schon sehen, allerdings nur im Dunst.

Und die Begeisterung steigt noch mehr. Wir gehen auf einem richtigen Schlemmerweg. Brombeeren satt, an beiden Seiten, dick und süß. Ein Paradies! Dazu noch Pflaumen in lila, rot und gelb.

Hier verlaufen auch einige regionale Wanderwege. Wir gehen heute entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Hier ein alter Grenzturm.

Nach dem ersten Brombeer-Frühstück gibt es noch eine Zweites-Frühstück-Pause. Zwischen Heidekraut gibt es Avocado-Tomaten-Brote, Kohlrabi und Gurke.

Ich genieße es sehr, endlich mal ein bisschen weiter gucken zu können. Die Landschaft ist doch gleich viel schöner mit ein paar Bergen!

Die Mittagssonne bietet sich sehr für ein kleines Nickerchen am Feldrand an. Eine Fahrradfahrerin fragt uns im Vorbeifahren, ob wir eine Umwelt-Sitzblockade machen.

Das letzte Stück hinab nach Osterwieck geht es durch eine wunderschöne Kastanienallee. Hier sieht es fast schon ein bisschen herbstlich aus durch die braunen Blätter auf dem Boden.

Osterwieck ist auch wieder so ein kleines altes Fachwerk-Dorf. Allerdings richtig ausgestorben. Mir kommt es immer so komisch vor, wenn ich durch ein so schönes Örtchen gehe und keinen einzigen Menschen treffe. Wir sind auf der Suche nach einem Café, finden aber in der Innenstadt nichts. Die Läden, die wir sehen, schließen samstags um 12 Uhr.

Am Ortsrand, beim Einkaufszentrum mit Edeka und Rossmann, finden wir dann aber doch noch eine Eisdiele. Wir gönnen uns einen großen Eisbecher, schließlich haben wir heute wieder eine Bundeslandesgrenze überquert – von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt. Ein Grund zum Feiern.

Olaf macht sich auf den Rückweg zu seinem Auto und ich gehe noch 1,5 Stunden weiter zu meinem Schlafplatz. Ich freue mich sehr, heute liegt der erste und wahrscheinlich (leider) auch einzige 1NiteTent Schlafplatz auf meiner Route. Auf der Internetseite findet man eine Deutschlandkarte, wo Leute ihr Grundstück markieren und für eine Nacht als Übernachtungsmöglichkeit mit Zelt anbieten können. Wie Couchsurfing, nur draußen. Die Gründer wollen damit ein Stück weit das Jedermannsrecht aus Skandinavien nach Deutschland

holen. Leider ist die Seite aber noch relativ unbekannt.

Ich melde mich per Mail an, nachdem am Telefon keiner rangeht. Ich solle einfach reinkommen, nur die Hunde nicht rauslassen. Laut Beschreibung handelt es sich um ein 2 Hektar Wiesengrundstück in Alleinlage mit Brunnen und Toilette. Mitbewohner sind Hunde, Pferde und Bienen.

Das Grundstück liegt zwischen Feldern und Wald, sonst ist hier nichts. Ich gehe durch das Tor und stehe vor einer Backstein-Ruine. Um die Ecke höre ich Lärm und im Innenhof sind ein paar Leute am Werkeln. Ich werde von Frank, Alma und den 5 Hunden herzlich begrüßt. Der Rest ist Familie – die 3 Töchter, der Mann einer Tochter und die beiden Enkelkinder, Felix (1) und Oskar (4). Sie sind dabei Bänke zu schleifen und zu streichen, da der Sohn in 2 Wochen hier seine Hochzeit feiern möchte.

Ich kann mein Zelt auf der Wiese aufstellen, die Pferde stehen im Moment auf der anderen Seite. Am Haus gibt es Trinkwasser aus dem Brunnen und ich kann das Bad in der oberen Etage nutzen. Die Türen werden hier nicht abgeschlossen.

Als ich mein Zelt aufgebaut habe, kommen die jüngste Tochter (13) und Oskar, um mich zum Abendessen einzuladen. Es ist ein sehr gemütlicher und lustiger Abend. Im großzügigen Bauernhaus sitzen wir zu neunt um den alten Holztisch herum. Es gibt Tomatensalat mit eigenen Tomaten. Ganz viele unterschiedliche Sorten in allen Farben – gelb, rot, lila, gestreift.

Ich finde diese Lebensweise sehr, sehr schön. Frank und Alma arbeiten freiberuflich, um ein bisschen Geld zu verdienen, nur so viel, dass sie sich versorgen können. Die meiste Zeit verbringen sie hier mit ihrer Familie und im Garten und sind mit wenig glücklich.

Ich darf mir noch ein paar Gurken mitnehmen, die gerade geerntet wurden. Was ein perfekter Tag mit tollen Wegen, leckerem Essen und supernetten Leuten.


19,4 km
4:30 h
200 hm
156 hm
185 m