Es schüttet. Und es hat die ganze Nacht geschüttet. Der Regen prasselt unaufhörlich auf das Dachfenster über mir. Ich lag häufiger wach letzte Nacht, das war ganz schön laut. Als die anderen neben mir aufstehen und zum Frühstück gehen, mache ich die Augen nochmal zu. Nur noch ein bisschen. Bei dem Wetter ist ein gemütliches Bett genau der richtige Ort. Ich döse noch eine Weile vor mich hin. Mir wird gesagt, dass es heute Nachmittag trocken sein soll. Okay, dann bleibe ich einfach im Bett sitzen und nutze die Zeit zum Schreiben. Da habe ich noch einiges aufzuholen. Um mich herum wird das Lager geputzt und für die nächsten Wanderer vorbereitet.

Es ist schon fast Mittag, als ich mich auf den Weg nach unten in die Stube mache. Ein paar Leute sitzen dort und schauen immer wieder aus dem Fenster, ob es endlich aufhört zu regnen. Noch sieht es aber nicht so aus. Ich denke, der Hochvogel wird es dann heute nicht für mich. Ein bisschen schade ist es, wo ich doch so nah dran bin. Aber selbst wenn es heute Nachmittag trocken ist, werden die Felsen und Tritte nass und eventuell rutschig sein.

Als es zumindest nur noch tröpfelt, gehe ich ein paar Schritte vor die Hütte. Wahnsinn, was da für Wassermassen den Berg hinabkommen nach dem Dauerregen. Die Wasserfälle sehen gut aus. Und gestern habe ich auch gar nicht gesehen, dass es hinter der Hütte noch so einen schönen See gibt.

An den Hängen gegenüber ist ein kleiner Sonnenstreifen zu sehen. Aber nur ganz kurz. Dann fängt es schon wieder stärker an zu regnen.

Also geht es erstmal wieder rein in die Hütte.

Eine Alternative für einen kleinen Gipfel heute ist der Wiedemerkopf. Der Wegweiser an der Hütte zeigt nur eine Stunde an. Es ist allerdings auch eine schwarze Tour mit leichtem Klettersteig. Aber ich könnte ja einfach schauen, wie weit ich komme und umdrehen, wenn es zu rutschig sein sollte.

Da es aber fröhlich weiter regnet, gibt es jetzt erstmal Mittagessen. Vielleicht nicht die beste Idee, vor dem Anstieg zu essen, aber ich habe Hunger. Während ich auf mein Essen warte, baue ich mit dem Jungen am Nebentisch ein fünfstöckiges Kartenhaus aus UNO-Karten, da die Bierdeckel nicht reichen. Als in der Stube plötzlich Aufbruchstimmung herrscht, schaue ich nochmal raus und tatsächlich hat es aufgehört zu regnen und ich kann ein bisschen blauen Himmel sehen. Los geht’s.

Von unten aus dem Tal kommen Leute hinauf und lenken mich so ab, dass ich erstmal den falschen Weg nehme. Nach ein paar Kehren denke ich mir, dass das aber anders aussieht als gestern. Ich muss nämlich eigentlich ein Stück zurück, wo ich gestern hergekommen bin. Ein Stück über mir sehe ich dann auch eine rote Markierung. Dann eben wieder hoch und ein neuer Versuch. Über den Geröllhang und den rutschigen Pfad bis zum Abzweig auf den Gipfel. Heute ist der Blick zurück zur Hütte etwas freundlicher als gestern.

Ab dem Abzweig zum Wiedemerkopf geht es steiler hinauf. Einen schmalen Pfad über die Wiese. Unter mir kann ich den Pfad sehen, den ich gestern gegangen bin. Nach der ersten Kehre wird es schon ein bisschen felsiger. Es fängt wieder an zu nieseln. Das war wohl nichts mit trockenem Wetter heute Nachmittag.

An den Felsen angekommen, brauche ich meine Hände und halte mich an dem Stahlseil fest. Das sind ein paar hohe Stufen mit schmalen Tritten, wo es hoch geht. Als das erste Hindernis geschafft ist, folgt wieder ein etwas ebener, schmaler Pfad.

Dann geht es über mehr Felsen steil nach oben. An ein paar Stellen brauche ich mehrere Anläufe, um gute Tritte für meine Füße zu finden. Normalerweise liebe ich solche Steige. Jetzt ist es mir schon wieder fast zu viel. Ich hoffe, das vergeht wieder, der Krottenkopf-Schreck ist anscheinend immer noch da.

Dann stehe ich vor dieser schmalen Stelle. Da ist es vorbei. Da gehe ich nicht weiter. In meinem Kopf stehe ich plötzlich wieder am Krottenkopf. Die Stelle ist ähnlich. Rechts eine hohe Felswand, wo man sich dran vorbeidrücken muss. Schmale Felsen für die Füße und links geht es steil runter. Auch wenn man sich hier sehr viel besser festhalten kann an dem Seil. Ich ärgere mich darüber, dass ich seit ein paar Tagen so ein Angsthase bin. Ich kann es ja auf das Wetter schieben. Es regnet inzwischen wieder stärker und bei den nassen Felsen ist der Steig sowieso nicht ganz so sicher. Wieder kein Gipfel, das hier ist mein höchster Punkt heute.

Ich drehe um und klettere vorsichtig die Felsen wieder runter. Das war dann wieder nur ein kurzer Ausflug. Aber zumindest ein bisschen Bewegung.

Ich schaue beim Abstieg immer wieder auf mein Handy. Ich würde gerne für morgen noch eine Nacht im Edmund-Probst-Haus reservieren. Aber ich habe nur ganz kurz Empfang, dann ist er wieder weg und kommt auch nicht wieder. Also geht’s zurück zur Hütte. Ich hänge meine Sachen schnell in den Trockenraum. Da kann man echt nicht atmen drin zwischen den ganzen verschwitzten und nassen Klamotten. Dann setze ich mich an einen der wenigen Tische direkt an der Theke. Hier vorne ist es vielleicht nicht ganz so laut später.

Ich zähle mein Bargeld, das wird echt eng. Heute Abend gibt es also wieder nur das Bergsteigeressen, Spaghetti mit Tomatensauce. Ich sitze mit Marcel und Chris an einem Tisch. Sie kommen beide aus Halver, Chris wohnt nur inzwischen in Frankfurt. Es ist immer wieder lustig, wie klein die Welt ist. Halver ist das Nachbardorf von Kierspe, wo ich aufgewachsen bin. Meine Erinnerung daran ist das „Tastevin“, ein Restaurant, wo ich meine Eltern manchmal nach einer Weinprobe abgeholt habe, als ich dann meinen Führerschein hatte.


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