Heute geht es weiter. Ich bin gespannt, wie es läuft, aber ich freue mich. Meine Übelkeit war abends endlich verschwunden und den Tag danach hatte ich nur noch Kopfschmerzen. Ich fühle mich zwar nicht 100%ig fit, aber ich werde die nächsten Tage einfach ziemlich spontan entscheiden, wonach ich mich fühle. Dann wird es eben nicht die geplante Tour, hauptsache ich komme ein bisschen raus.

Nach ein wenig Recherche im Internet, reagiere ich anscheinend wirklich auf Sonne und Hitze. Da hatte ich vorher nie Probleme mit. Vielleicht sind die 7 Jahre um, wo der Körper sich ändert. Als ich vor ein paar Wochen eine lange Radtour bei ähnlicher Hitze gemacht habe, ging es mir auch so mies.

Aber genug davon, hier mein Plan. Ich gehe heute zur Schwarzwasserhütte. Der Weg ist technisch nicht anspruchsvoll, eher ein Spazierweg. Zumindest überwiegend. Außerdem geht er viel durch Wald und am Wasser entlang. Es ist also schattig und wahrscheinlich etwas kühler. Und ich gehe recht geschützt, ab heute Nachmittag soll es gewittern. Es sind zwar 20 Kilometer, aber ich habe genug Zeit, wenn ich früh losgehe und kann langsam machen. Auf der Hütte bleibe ich dann erstmal ein paar Nächte und mache Tagestouren auf die umliegenden Gipfel oder mache es mir mit meinem Buch auf der Hütte gemütlich, wenn mir danach ist. Schlafplätze sind plötzlich wieder genug frei, auch am Wochenende. Und das auch auf den anderen Hütten. Es haben wohl einige Leute ihre Tour abgesagt, es sind wieder viele Gewitter angesagt die nächsten Tage.

Also los. Mein Rucksack ist jetzt sehr viel leichter. Biwak-Ausrüstung und den Großteil der Verpflegung lasse ich Zuhause. Ich werde mich nun an die Hütten halten. Gegen halb 9 bin ich startklar. Der Himmel ist wolkenfrei und die Sonne gibt jetzt schon alles.

Ich folge der Straße von Tiefenbach Richtung Rohrmoos, gehe den Rainweg runter und über den Parkplatz der Breitachklamm. Die Klamm hat erst seit ein paar Minuten geöffnet und es bildet sich schon eine Autoschlange vor dem Parkplatz. Ich schaue mir die Kennzeichen aus ganz Deutschland an.

Seit zwei Jahren gibt es einen Weg parallel zur Klamm, wo man keinen Eintritt bezahlen muss. Das ist von hier der kürzeste Weg ins Kleinwalsertal. Während die Leute Richtung Eingang strömen, steuere ich auf den unbeschilderten Weg zu, der steil durch den Wald hinauf führt. Ich komme schnell ins Schwitzen und bin so froh über den Schatten.

Nachdem die ersten 200 Höhenmeter geschafft sind, geht es wieder hinab. Zur oberen Kasse der Breitachklamm. Ich habe überlegt, ob ich einen Umweg laufe, entscheide mich aber für die unsichere Variante. Das ist echt blöd gemacht hier. Der Weg, den ich jetzt gekommen bin, ist hauptsächlich für die Leute gedacht, die durch die Breitachklamm gegangen sind und jetzt zurück zum Parkplatz wollen. In meine Richtung sind noch zwei Tore im Weg, die aber geöffnet sind, wenn die Klamm auch offen ist und eben die Kasse. Letztes Mal war dort niemand und ich bin einfach über das Drehkreuz geklettert. Dahinter geht nämlich ein normaler Wanderweg weiter an der Breitach entlang. Und vor der Kasse steht auch ein Wegweiser, der in genau die Richtung zeigt. Sonst gibt es von hier nur noch einen Weg hoch zur Bundesstraße, wo Parkplatz und Bushaltestelle sind.

Auf dem Zwingsteg habe ich einen guten Blick runter in die tiefe Schlucht. Ich beobachte die Leute, die wie Ameisen über die Stege wuseln.

Heute habe ich Glück und das Kassenhäuschen ist geöffnet. Ich kann einfach durchgehen, ohne über das Drehkreuz klettern zu müssen. Der Typ, der dort sitzt, interessiert sich auch überhaupt nicht für mich und ich muss nichts bezahlen. Ich will ja auch nicht durch die Klamm, nur weiter nach Riezlern. Den weiteren Weg finde ich richtig schön. Es geht weiter durch die Schlucht, über Stege und Gitter dicht am Fels entlang. Im Moment ist nur der Wasserstand ziemlich niedrig.

Über eine Brücke wechsele ich auf die andere Seite der Breitach und folge einem Spazierweg durch den Wald. Es geht nur leicht hoch und die ganze Zeit durch den Wald. Ich überhole ein paar Leute, aber viele sind hier nicht unterwegs.

Am Steinmännchen-Strand mache ich eine kurze Pause.

Es geht immer weiter an der Breitach entlang. Erst nach 10 Kilometern biege ich ab und folge dem Schwarzwasserbach.

Kurz vor dem Mahdtalhaus geht es dann weg vom Wasser. Durch Wald, über Wiesen und zwischendurch immer mal wieder ein Stück steil hinauf.

Über die Naturbrücke in Riezlern und weiter nach Wäldele. In einer Schlucht beobachte ich eine Gruppe Kinder, die sich am Fels abseilen. Das sieht nach Spaß aus.

Etwas weiter habe ich das erste Mal einen Blick auf den Hohen Ifen. Dort oben thront das riesige Felsplateau. Aus anderen Perspektiven sieht es aus, als wäre es auf die Landschaft aufgesetzt.

Bald erreiche ich die Auenhütte an der Talstation der Ifenbahn. Ab hier geht es das Schwarzwassertal weiter hoch bis zum Talschluss, wo die Hütte liegt. An den Kühen vorbei und über den Parkplatz. Danach folgt ein kurzer Anstieg. Letztes Mal bin ich hier noch über die Skipiste gestiefelt.

Am Herzsee angekommen, geht es erstmal relativ eben weiter. Der See ist zur Beschneiung im Winter. Ich wusste gar nicht, dass man hier auch baden darf. Es sind ein paar Leute im Wasser und viele liegen auf ihren Handtüchern drumherum.

Inzwischen hat es sich zugezogen und es ist kein blauer Himmel mehr zu sehen. Das ging schnell. Und ein paar Minuten später fängt es plötzlich an zu schütten. Aber nur kurz. Durch die Bäume bekomme ich nicht so viel ab und ziehe erst gar nicht meine Regenjacke über. Kurz vorher wird mir wieder übel und ich freue mich über die Abkühlung. Nach einer Pause geht es auch wieder.

Ich gehe langsam weiter. Bis zur Melköde noch über einen breiten Schotterweg. Die Sonne kommt wieder raus und durch die Bäume entdecke ich schon die Hütte. Das sind noch ungefähr 300 Höhenmeter.

Über die große Ebene rüber, wo die Kühe grasen, an der bewirtschafteten Alpe vorbei und dann geht es an den letzten Anstieg. Langsam stapfe ich den steilen Berg hinauf. Gut, dass ich noch eine ganze Weile recht gut geschützt durch den Wald gehe. Es wird nämlich ziemlich dunkel und fängt an zu donnern. Solange keine Blitze zu sehen sind, geht das ja. Das ändert sich allerdings ein paar Minuten später. Und es fängt wieder an zu schütten. Ich ziehe schnell meine Regenjacke über, bin aber trotzdem innerhalb von ein paar Minuten nass bis auf die Haut. Unter einer großen Tanne haben schon ein paar Leute Schutz gesucht. Da stelle ich mich zu. Nach jedem Blitz zähle ich die Sekunden. Einmal sind es nur 3 Sekunden, das ist nicht gut. Das Gewitter zieht aber schnell weiter. Nach den nächsten Blitzen sind es immer 11 und mehr Sekunden bis zum nächsten Donner. Die Windböen zwischendurch sind echt kalt und und ich hoffe, dass ich schnell weitergehen kann.

Nach ungefähr 15 Minuten lässt der Regen nach und es ist nur noch leises Donnern zu hören. Ich mache mich an den letzten Anstieg. Nur noch 100 Höhenmeter. Der Weg ist jetzt ein Pfad über rutschige Wurzeln und Steine. Ich versuche trotzdem ein bisschen schneller zu gehen, der Himmel sieht immer noch so dunkel aus. Und es blitzt wieder.

Aber bald ist es geschafft. Ich komme aus dem Wald und gehe ein paar letzte Kehren die Wiese hinauf. Über mir weht die Fahne vom Alpenverein. Dann ist die Hütte nicht weit. Und nach der nächsten Ecke ist sie dann zu sehen. Unter dem Vordach zig Leute in bunt leuchtenden Regenklamotten, die sich wohl gleich an den Abstieg machen wollen. Ich freue mich, hier zu sein.

Ich gehe auf direktem Weg in den Trockenraum, hänge meine triefenden Sachen auf und ziehe mich erstmal um. Schon besser. Dann melde ich mich an. Da sonst niemand im Lager schläft heute, bekomme ich einen Schlafplatz im Vierer-Zimmer zum Lager-Preis. Aktuell zahlt man hier als Alpenvereinsmitglied 13 Euro pro Nacht im Lager. Das ist super. Für drei Nächte habe ich erstmal ein Dach über dem Kopf.

Ich bestelle mir einen Kaiserschmarrn und eine große Johannisbeerschorle. Zur Feier des Tages. Oder so. Man kann sich immer Gründe zum Feiern ausdenken. Dass ich ohne größere Probleme hier oben angekommen bin zum Beispiel. Das wäre mir sonst zwar keine Feier wert bei dem einfachen Weg, aber heute freue ich mich. Mir ist nicht übel und ich kann was essen. Und der Kaiserschmarrn hier ist besonders gut. Ganz locker und fluffig.

Es hat auch aufgehört zu regnen und der Hohe Ifen hat seine Wolkendecke abgeschüttelt.

Zur anderen Seite sieht man über der Hütte das Grünhorn und das Steinmandl. Da würde ich gerne morgen hoch, wenn das Wetter passt und ich mich gut fühle. Aber jetzt wo ich hier bin, spüre ich das Gipfelkribbeln und möchte echt gerne höher.

Ich mag es sehr, dass man hier draußen sitzen kann, ohne nass zu werden. Mit perfektem Ifen-Blick genieße ich meinen Kaiserschmarrn. Und wisst ihr, was sehr cool ist? Ich habe noch so viele Einladungen von euch aus Norwegen über, dass mir die Belohnung heute von Jens und Ansgar spendiert wird. Vielen lieben Dank! Das Bild kommt natürlich auch in die „Teeklatsch“-Galerie.

Den restlichen Nachmittag und Abend lese ich und quatsche mit den anderen Gästen. Später kommt die Sonne nochmal raus und wir setzen uns auf die Terrasse. Den Sonnenuntergang kann man von hier leider nicht sehen. Aber die Abendsonne strahlt den Ifen schön an.


19,8 km
4:55 h
1.014 hm
273 hm
1.618 m