Da geht es heute rüber. Auf die andere Seite des Rappenalptals. Mein Finger müsste nur etwas weiter nach links zeigen, eher über den Wasserfall.

Es ist ganz schön draußen. Bewölkt, aber zwischendurch kommt die Sonne raus. Ich habe gut geschlafen und freue mich auf den Weg heute. Gegen halb 8 gehe ich los und lasse die Mindelheimer Hütte hinter mir.

Erstmal geht es bis zum Talschluss des Rappenalptals bergab. Über Steine, zwischendurch ein paar höhere Stufen runter, in engen Kehren zwischen niedrigen Büschen her und dann über die Wiese weiter.

Am Bach fülle ich mein Wasser wieder auf. Inzwischen nehmen fast alle Hütten Geld für das Auffüllen der Flasche. Das spare ich mir gerne.

Beim Gehen beobachte ich die Wolken. Es sieht von oben immer gut aus, wenn sie über dem Tal hängen. Und darüber ist das Wetter so schön, was man unten im Tal gar nicht mitbekommt.

Immer wieder steigen die Wolken auf, hüllen mehr Bäume und Felsen ein und lösen sich dann wieder auf. Nur der Biberkopf versteckt sich heute nicht.

Als ich tiefer komme, muss ich auch durch die Wolke durch. Ich würde lieber darüber bleiben. Aber auf der anderen Seite geht es ja gleich wieder hoch.

Nach einer Stunde ist der Abstieg geschafft. Sogar der südlichste Punkt Deutschlands mit dem Grenzstein 147 ist hier ausgeschildert. Am Ende meiner Deutschland-Durchquerung hatte ich mich noch gewundert, dass es gar keine Schilder gibt. Diesen Weg wollte ich damals nicht nehmen von der Rappenseehütte, da er zwischendurch durch Österreich führt.

Ein Stück vor mir stapft ein Kerl mit seinem Mountainbike den Pfad hinauf. Ich hatte in der Karte schon den Hinweis „schwierige Tragestrecke“ gesehen. Vom Schrofenpass oben gibt es wohl eine schöne Abfahrt nach Warth.

Von hier habe ich einen schönen Blick durch das Tal.

Dann geht es wieder hinauf. Einen breiten Schotterweg, der immer schmaler wird. Als immer mehr Steine und Wurzeln im Weg liegen, überhole ich den Kerl, der sein Rad neben sich herschiebt. Das stelle ich mir bei diesem Pfad gar nicht mal so spaßig vor. Ich bin froh, dass ich nur auf meine Füße achten brauche.

Ein Stück weiter hängt am Fels ein netter Hinweis, dass man sein Rad auf der linken Seite tragen solle, um sich nicht den Hals zu brechen. Der Pfad ist jetzt ziemlich schmal und links geht es steil hinab.

Mir gefällt der Weg echt gut. Der Pfad schlängelt sich leicht ansteigend am Fels entlang.

Zwischendurch balanciert man über solche nicht unbedingt vertrauenserweckenden Konstruktionen. Teilweise sind die Eisenstreben vom Steinschlag verbogen und schief oder haben große Dellen. Aber natürlich hält alles.

Als ich den Schrofenpass erreiche, teilt sich der Weg. Ich komme an einem Schild vorbei, wo man noch so gerade den verblassten Text „Achtung Staatsgrenze“ lesen kann. Weiter geht es durch Sträucher und über einen erdigen Pfad über Wiesen. Hier zieht es sich etwas.

Auf dieser Kuhweide stehe ich erst etwas rum und warte, dass die Kühe sich aus dem Weg bewegen. Ich halte gerne ein bisschen Abstand, vor allem, weil Jungtiere dabei sind. Aber sie stehen mitten auf dem Weg und auch drumherum. Als dann zwei Kühe auf mich zukommen, gehe ich schnell zurück hinter das Gatter. Ich muss über mich selbst schmunzeln, ich bin schon ein Angsthase bei Tieren. Ich warte noch ein bisschen und gehe dann doch an den grasenden Tieren vorbei, die sich nicht weiter für mich interessieren. Das etwas mulmige Gefühl geht trotzdem erst weg, als ich unter Beobachtung den Bach gequert und die Vierbeiner hinter mir gelassen habe.

Das Highlight heute ist der Mutzentobel. Durch den tiefen Einschnitt geht es durch. Runter, über den Bach und wieder hoch. Da vorne sieht man schon die abfallenden Felsen.

Der Weg runter ist steil und ein bisschen rurschig, aber ganz okay. Unten angekommen, warte ich, um eine Familie vorbeizulassen. Dabei beobachte ich, wie sie auf dem Hintern eine hohe Stufe hinabrutschen bis sie wieder Boden unter den Füßen haben.

Diese Stufe muss ich jetzt hoch. Es gibt einen Eisentritt, der aber so schief ist, dass man ihn nicht benutzen kann. Da rutsche ich sofort ab. Es gibt auch nichts, wo man sich festhalten kann. Also kralle ich meine Finger irgendwie in die Erde und schaffe es, einen großen Schritt zu machen und mich hochzudrücken. Danach wird es einfacher. Es geht zwar noch durch ein paar Senken, wo der Pfad sehr schmal ist. Nicht breiter als ein Fuß. Aber die Steine dort sind festgetreten und halten gut.

Der Blick zurück ist schön. Mit den bunten Blumen im Vordergrund und dem kleinen Wasserfall.

Jetzt ist es vielleicht noch eine Stunde bis zur Hütte. Und mir wird wieder schlecht. Na toll, wieso das denn jetzt? Es ist doch gar nicht so warm. Ich muss mich übergeben und gehe langsam weiter. Der letzte Anstieg ist anstrengend und ich bleibe oft stehen.

Vor mir taucht ein Wegweiser auf. Und direkt daneben sitzt ein Murmeltier. Es macht gar keine Anstalten wegzulaufen als ich näher komme. Rechts auf der Wiese entdecke ich noch zwei Murmeltiere. Sie tragen gerade irgendein Kämpfchen aus. Stellen sich immer wieder auf die Hinterbeine und stoßen mit den Vorderpfoten aneinander. Auch sie lassen sich von mir nicht stören. Als ich noch näher komme, läuft das Murmeltier neben dem Wegweiser vor mir über den Weg und auf die Wiese. Komisch, normalerweise hört man sie doch nur Pfeifen und dann verschwinden sie schnell in ihren Höhlen.

Ich komme auf einen breiteren Weg und steige die letzten Kehren hoch.

Der Wasserfall sieht gut aus. Auch wenn er durch den Nebel nur wie durch eine Milchglasscheibe zu sehen ist.

Oben angekommen, sehe ich links schon die Hütte. Ich mache aber erst noch einen kurzen Abstecher nach rechts und gehe ein paar Meter die Wiese hoch. Da ist wieder so ein kleiner Gipfel, der sich nicht wie einer anfühlt. Der Seebichl auf 2.111 Metern.

Dann geht’s das kurze Stück runter zur Hütte. Die Rappenseehütte hat eine echt schöne Lage. Dahinter ragen ein paar felsige Berge empor. Zum Rappensee läuft man nur ein paar Minuten durch die grünen Hügel und auf der anderen Seite schaut man auf die Bergkette um die Schafalpenköpfe. Man kann Oberstdorf erkennen und bis zum Grünten schauen.

Ich bin schon mittags da und freue mich, dass ich den Nachmittag entspannen kann. Die Schlafplätze werden erst ab 14 Uhr vergeben. Obwohl die Hütte so groß ist und es 270 Schlafplätze gibt, funktioniert das hier alles super und ohne lange Wartezeiten. Anmelden kann man sich immer zur vollen Stunde. Ich stelle meine Schuhe in den Trockenraum und suche den Waschraum. Es gibt auch eine Dusche, aber für 3 Minuten zahlt man 4 Euro. Ich wasche mich einfach unter dem Wasserhahn.

Einigermaßen sauber, erfrischt und dick angezogen, gibt es dann erstmal eine Stärkung. Das Thermometer am Eingang zeigt 12 Grad. Ganz schön frisch. Mir wird auch nicht so richtig warm und ich ziehe noch meine Daunenjacke über. Selbst in der Stube ist es so kalt. Ich bestelle mir einen Tee und lese ein bisschen. Nach dem Abendessen setze ich mich mit einer heißen Honig-Milch raus und schaue mir den Sonnenuntergang an. Dabei quatsche ich mit den anderen Wanderern. Ich mag die Atmosphäre auf Berghütten. Man kann einfach mit jedem gut reden, griesgrämige Menschen gibt es hier nicht. Die Sonne ist schon um Viertel vor 9 hinter den Bergen verschwunden, nachdem sie die Wolken ganz orange verfärbt hat. Dann ist jetzt auch Schlafenszeit.


11,0 km
4:40 h
777 hm
716 hm
2.101 m