Um kurz nach 7 Uhr mache ich mich auf den Weg. Ab heute Mittag sind Regen und Gewitter angesagt, da möchte ich am besten schon nah an der nächsten Hütte sein. Ich bin echt gespannt. Heute gehe ich einen Teil des Heilbronner Wegs. Der Weg ist sehr beliebt und so mit Seilversicherungen, Tritten und Leitern versehen, dass auch Wanderer ohne Kletterausrüstung sich am Hauptkamm entlang bewegen können. Trotzdem soll die Route recht anspruchsvoll sein.
In der Ferne sehe ich eine ganze Schlange an Wanderern die Serpentinen hochstapfen, alle hintereinander. Die großen Gruppen machen bestimmt geführte Wanderungen mit einer Bergschule.
Von der Hütte geht es erstmal hoch zur Großen Steinscharte zwischen Hochgundspitz und Rotgundspitze.
Dort wird es steiniger. Ich bleibe eine ganze Weile stehen und beobachte die Steinböcke, die sich gar nicht stören lassen.
Hinter der Scharte ist das der Blick nach vorne. Nur noch graue Felslandschaft.
Es geht die ganze Zeit leicht hoch. Ich überhole ein paar Leute und lasse welche vorbei. Nach einer Weile ist auch der Blick zurück fantastisch. Ganz links der Biberkopf, wo ich gestern oben war.
Dann geht es steiler nach oben. In Kehren ein Geröllfeld hoch, zwischendurch über große Felsen. Eine große Gruppe habe ich inzwischen eingeholt und schleiche hinter ihnen her. Das ist mal ein entspanntes Tempo. Der Bergführer, der vorneweg geht macht immer wieder Pausen und wartet auf seine Nachzügler, die anscheinend nicht so fit sind. Sie wollen mich überholen lassen, aber dann würde ich nur hinter der nächsten Gruppe hängen. Um nebeneinander zu gehen ist es zu eng.
Am Ende der Kehren zeigt ein Schild den Beginn des Heilbronner Wegs an. Und passend dazu gibt es auch gleich ein paar steile und schmale Passagen mit Seilversicherung.
Nach den ersten 400 Höhenmetern komme ich an eine Abzweigung. Da mache ich doch gleich noch einen Abstecher zum Gipfel. Dann entkomme ich den ganzen Menschen und kann einen Haken an den zweithöchsten Gipfel der Allgäuer Alpen machen.
Der Weg ist viel einfacher als gedacht. Im Gegensatz zu dem ersten Stück des Heilbronner Wegs ist das ein Klacks. Es geht um den Berg herum und dann über die Westflanke nach oben. Über viel Geröll und in engen Kehren. Bis ich am Gipfelkreuz des Hohen Lichts auf 2.651 Meter Höhe anschlage. Richtig gut!
Die Aussicht von hier oben ist super.
Kurz nach mir kommt noch ein junges Pärchen oben an. Sie wollen zur Kemptner Hütte, aber erstmal haben wir denselben Weg. Ich setze schnell noch meine Mütze auf, der Wind ist echt eisig. Dann machen wir uns zusammen an den Abstieg. Tschüss, Gipfelkreuz.
Wir steigen die Kehren hinab und folgen dem Pfad über Felsplatten und an hohen Felswänden entlang.
Uns kommen ein paar Leute entgegen, die ihre Rucksäcke am Abzweig haben stehen lassen. Das ist auch eine gute Idee. Wieder dort angekommen, sind wir alleine. Der Plan ist aufgegangen, dass die Gruppen jetzt genug Vorsprung und wir unsere Ruhe haben.
Weiter geht’s auf diesem schönen Steig. Mir macht es richtig Spaß. Es ist schon anspruchsvoll, aber die schmalen Stellen sind nicht so ausgesetzt, dass man ständig Angst haben müsste. Mal geht es über Felsblöcke nach oben, dann wieder dicht am Fels entlang.
Dann komme ich zum Heilbronner Törle. Ich passe so gerade durch den Felsspalt mit meinem Rucksack. Glück gehabt. Die Felsformationen, an denen man hier vorbeikommt, sind schon spektakulär.
Und auch der Ausblick ist der Wahnsinn. Die ganze Zeit hat man einen schönen Panorama-Blick. Man bewegt sich auf diesem Weg überwiegend über 2.400 Meter Höhe.
Es geht an dem Fels auf dem Foto oben entlang. Dann eine scharfe Kehre und ein Stück oberhalb wieder zurück. Am Ende drehe ich mich wieder um und stehe vor dieser Leiter. Da muss man schon schwindelfrei sein. So sieht es nicht so schlimm aus, aber rechts und links geht es steil hinab. Da schaut man in den Abgrund. Da ist mir ein bisschen mulmig zumute. Die Streben sind sehr dünn und drehen sich auch noch.
Ein Stück über den dicken Fels und dann kommt die nächste Leiter. Dieses Mal waagerecht über den Abgrund. Die macht mir nicht so viel aus. Vorsichtig geht’s über den Hans-Kaiser-Steg.
Was ist das schön hier oben. Ich kann verstehen, dass die Tour so beliebt ist. Wo kommt man schon so „einfach“ über so einen zackigen, felsigen Grat direkt am Hauptkamm der Alpen. Nur der Wind ist plötzlich ziemlich heftig. Und es fängt an zu regnen. Ich muss trotzdem noch schnell ein Gipfelfoto machen. Wenn man einfach dem Pfad folgt, geht man zwangsläufig über einen Gipfel, nämlich den Steinschartenkopf. Auch wenn es kein Gipfelkreuz gibt, ist es trotzdem der sechsthöchste der Allgäuer Alpen und will somit auf meiner Liste abgehakt werden. Ich freue mich jetzt schon über zwei tolle Gipfel heute. Hier ist nur nicht viel Platz, da quetsche ich mich irgendwie zwischen die Felsen.
Ich bleibe auch gleich noch ein bisschen hocken bis der Wind wieder nachlässt. Ein Ausfallschritt zur Seite kann hier böse enden.
Es folgt ein recht steiler Abstieg. Erst noch am Fels entlang, dann wieder über Kehren durchs Geröllfeld.
Bis ich unten in der Socktalscharte ankomme. Dort warten auch die beiden vom Hohen Licht und überlegen, was sie machen. Ich könnte direkt hier absteigen zum Waltenberger Haus. Das wäre der kürzeste Weg. Alternativ könnte ich dem Heilbronner Weg weiter über den Bockkarkopf folgen, da geht es nochmal ordentlich hoch und auf dem Grat weiter. Zur Hütte komme ich dann über die nächste Scharte. Jetzt ist es fast 11 Uhr. Mit dem heftigen Wind, Regen und dem angekündigten Gewitter, entscheide ich mich für den direkten Abstieg. Das ist mir zu gefährlich jetzt auf dem Grat weiterzugehen.
Auch die anderem beiden entscheiden sich für den Abstieg. Sie wollen dann direkt weiter runter ins Tal und nicht mehr zur Kemptner Hütte. Sicherheit geht vor.
Also gut, dann geht’s jetzt runter. Aber wie. Ich würde behaupten, dass das der schlimmste Abstieg ist, den ich je gemacht habe. Das ist richtig mies. Hier geht es runter. Das Schotterfeld hinab.
Es ist steil und rutschig. Zum Abfahren ist die Schicht mit den losen Steinchen nicht dick genug. Das geht leider nur an wenigen Stellen. Also geht es häufig seitwärts oder auch mal auf dem Hintern langsam runter.
Der Hang will gar kein Ende nehmen. Das ist der Blick zurück nach oben. Wir haben gerade mal die Hälfte geschafft. Ich bleibe immer wieder kurz stehen, aber es hilft ja nichts. Und nachdem der Wind hier unten nicht mehr so stark ist und zwischendurch die Sonne rauskommt, stellen wir die Entscheidung für den Abstieg auch in Frage. Aber oben auf dem Grat ist es ganz bestimmt super ungemütlich.
Nach etwa 50 Minuten ist es geschafft. Die Hütte ist aber noch nicht in Sicht. Ganz unerwartet folgt nochmal ein schmaler Steig um die Felsen herum. Da habe ich nicht mit gerechnet. Also nochmal die Hände benutzen, am Seil festhalten und über ein paar Felsen klettern.
Nach der nächsten Ecke ist dann endlich auch die Hütte zu sehen. Das sieht schon gut aus, wie das Waltenberger Haus dort an den Hang gebaut ist.
Noch ein kleines Stück und dann sind wir auf der Zielgeraden. Und werden von einem Steinbock empfangen. Im ersten Moment habe ich von weitem ein echtes Tier erkannt.
Es ist gerade mal kurz vor 12 Uhr. Jetzt habe ich den Nachmittag zum Entspannen. Das passt mir ganz gut. Nach dem anstrengenden Tag gestern und der Kletterei heute, könnte ich auch schon wieder einen Pausentag vertragen.
Ich melde mich für zwei Nächte an. Morgen sind den ganzen Tag Regen und Gewitter angesagt, da möchte ich die Option haben, in der sicheren Hütte bleiben zu können. Und falls es doch schön wird, kann ich ja noch hoch auf den Bockkarkopf.
Die Hütte wurde komplett renoviert und 2017 neu eröffnet. Es ist echt schön. Die Stube mit großen Panoramafenstern. Die Lager großzügig, hell und mit viel Platz für Gepäck. Das ist schon sehr luxuriös für eine Berghütte.
Den restlichen Nachmittag verbringe ich mit den anderen beiden. Wir sitzen erst noch auf der Terrasse bis der Wind zu kalt wird und es wieder anfängt zu regnen. Am Nebentisch sitzen 4 Männer aus dem Spessart, mit denen wir ins Gespräch kommen. Der Blick ins Tal ist super. Es ziehen immer wieder Wolken durch.
Sie steigen auf, sammeln sich direkt unter der Hütte und versperren für eine Weile den Blick ins Tal. Das ist echt ein Schauspiel.
Später sieht es dann so aus. Die Sonne versteckt sich hinter der grauen Wolkenwand. Gewitter gab es dann heute doch nicht. Nur abends blitzt und donnert es. Ich telefoniere allerdings nachmittags mit Papa und in Oberstdorf und am Fellhorn hat es heute Mittag heftig gewittert. Davon hat man hier gar nichts mitbekommen.
In der Stube sitze ich mit den 4 Herren aus dem Spessart zusammen und es kommt noch ein Pärchen dazu. Nach dem Essen spielen wir Karten. „Schnauz“, was ich als „31“ kenne. Es ist ein echt lustiger Abend. Wir nutzen die Zeit auch und gehen erst um kurz vor 22 Uhr Zähne putzen. Dann ist Hüttenruhe.
Sven
Am Anfang hörte sich deine Wanderung nach einem für dich „Spaziergang“ an. Nun wird es aber immer mehr zu einem Abenteuer, was einem Krimi in fast nichts nachsteht. Ich wünsche dir noch ganz viel Mut die einzelnen Passagen zu überstehen.
Sophie
Vielen lieben Dank! Abenteuer hat diese Tour auf jeden Fall viel.
Wenn du das als Krimi empfindest, traue ich mich ja gar nicht, die nächsten beiden Beiträge hochzuladen. 🙂