Heute steht ein ganz kurzer Tag an. Ich werde nur bis zur nächsten Hütte gehen. Da es die letzte Hütte auf meinem Weg ist, möchte ich dort gerne noch eine Nacht bleiben. Außerdem gibt es eine Sauna und einen Grill vor der Hütte. Ich habe in Kautokeino schon Mehl, Backpulver und Salz für Stockbrot zusammengemischt. Öl habe ich ja sowieso dabei und Wasser gibt es dort. Das wird also heute nochmal ein entspannter Verwöhn-Tag.
Angefangen mit einem traumhaften Frühstück. Es war ja auch nichts anderes zu erwarten bei dem genialen Abendessen gestern. Ein Frühstücksbuffet ganz für mich alleine. Mit allem, was man sich so wünschen kann. Am meisten freue ich mich über das frische Obst, Rohkost und die kleinen, selbstgebackenen Brötchen. Ich quatsche noch eine Weile mit Lisa, die den Hof mit ihrem Mann zusammen führt. Ich hatte schon gesehen, dass sie in der Küche mit Stirnlampe herumgelaufen ist. Es gibt keinen Strom und den Generator schalten sie nur abends ein. Dadurch können sie auch keinen Kühl- oder Gefrierschrank nutzen. Stattdessen gibt es einen großen Erdkeller und sie gehen fast täglich fischen.
Froh über das nette Gespräch und die lieben Menschen und gestärkt vom Frühstück mache ich mich auf den Weg. Ich verabschiede mich von den Huskys und mache mich an den Anstieg.
Es geht auf einem schmalen Pfad durch den Wald hinauf. Endlich mal keine Quad-Spuren. Mein Ziel für heute ist auch schon ausgeschildert.
Von da hinten bin ich gestern gekommen. Die breite Fahrspur ist auch von weitem noch gut zu erkennen. Jetzt lasse ich die schöne Jotka Fjellstue hinter mir. Einen Besuch inklusive Essen kann ich nur jedem empfehlen.
Ich bin schnell wieder aus dem Wald raus und folge dem Pfad weiter nach oben. Es wird immer nebeliger und windiger. Das werden jetzt die letzten roten Wegmarkierungen des DNT sein auf meiner Wanderung.
Der Pfad ist zwischendurch etwas schwer zu erkennen, aber ich kann das nächste Steinmännchen mit rotem Punkt immer irgendwo vor mir im Nebel entdecken. Es geht an ein paar Seen vorbei, von denen ich die meisten gar nicht sehe, weil der Nebel sie verschluckt. Es dauert eine Weile, bis es etwas aufklart.
Ich bin ganz begeistert, als vor mir sogar ein bisschen blauer Himmel zu sehen ist. Es ist doch verrückt, wie anders das Licht und die Stimmung sind, wenn ich mich umdrehe. So sieht es hinter mir aus, wo ich herkomme.
Und das ist der Blick nach vorne. Da gehe ich ja in die richtige Richtung.
Ich freue mich, als mal wieder ein paar Berge in Sicht kommen. Rechts der Vuorji und links unter den Wolken der Váddásgáisá. Genau dazwischen durch das Tal gehe ich morgen.
Es geht weiter über weite Ebenen mit hellgrün leuchtenden Flechten. Mitten über die Hochebene der Finnmark, die Finnmarksvidda. Mein Durchhänger vor Kautokeino ist längst vergessen. Ich bin voller Energie und meine Kraft ist wieder da. Wahrscheinlich haben die Sonne, Polarlichter, gutes Essen und Sauna da mitgeholfen. Ich fühle mich so gut, dass ich meinen Plan, die letzte Etappe nur Straße zu gehen, wieder verwerfe. Das ist doch viel zu langweilig, da habe ich eigentlich keine Lust drauf. Wenn ich mich weiter so gut fühle, möchte ich doch querfeldein gehen. Allerdings komme ich dann wieder weniger schnell voran und es könnte eng werden mit den verbleibenden Tagen. Das ist blöd, mit Stress und ohne Puffer. Aber auch dafür gäbe es wahrscheinlich eine Lösung. Ich hecke beim Gehen einen neuen Plan aus. Aber um den umzusetzen, brauche ich erstmal wieder irgendwo Empfang.
Als ich das letzte Stück durch einen Birkenwald gehe, halte ich schonmal Ausschau nach einem Stock, den ich für mein Stockbrot benutzen kann. Irgendwann finde ich auch einen, der lang und stabil genug ist und vorne ganz glatt. Wie gemacht dafür.
Kurz darauf taucht die Hütte vor mir auf. Um kurz nach 13 Uhr bin ich da. Ich denke sofort, dass es die richtige Entscheidung war, hierzubleiben. Das sieht doch schön aus.
Sonst ist niemand da. Da hatte ich auch nicht mit gerechnet. Markus, der auch hier übernachtet hat, hat mich nur schon vorgewarnt, dass es in der Hütte sehr dunkel ist. Irgendwie lassen sich die Fensterläden nicht öffnen. Ich bekomme es auch nicht hin und so ist mir das irgendwie zu blöd im Dunkeln zu sitzen, wenn es draußen noch hell ist. Also baue ich mein Zelt hinter der Hütte auf und hoffe, dass sie mich vor dem Wind schützt, der immer stärker wird.
Ich mache Feuer im Ofen der Sauna und gleich danach auch in der Grillschale. Laufe immer hin und her, bis beide Feuer gut brennen. Dann kann die Sauna aufheizen, während ich esse. Auf Stockbrot habe ich schon Lust, seit Markus und ich vor dem Børgefjell Kaja und Simon getroffen haben. Da haben wir darüber gesprochen. Ich gebe noch Öl und Wasser zu meiner Mehlmischung und knete den Teig ordentlich durch. Als genug Glut da ist und die Flammen zurückgegangen sind, setze ich mich mit meinem Stock neben den Grill. Es ist echt kalt, aber das Feuer wärmt mich zumindest ein kleines bisschen. Das Stockbrot schmeckt super. Da es mir aber zu lange dauert mit nur einem Stock, mache ich aus dem restlichen Teig kleine Brötchen. Und damit es nicht so trocken ist, esse ich dazu Tomatensuppe.
Dann freue ich mich aber auch, mich in der Sauna wieder aufwärmen zu können. Herrlich! Inzwischen ist sie bei knapp 80 Grad.
Als ich noch in der Sauna sitze, höre ich laute Motorengeräusche. Aus dem Panoramafenster kann ich sehen, wie 2 Männer mit ihren Quads vor der Nebenhütte halten, die unverschlossen ist. Ich hoffe erst, dass sie weiterfahren, aber sie scheinen zu bleiben. Na toll. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so wohl, hier nackig zu sitzen. Ich bleibe noch eine Weile sitzen und warte, ob sie doch wieder fahren. Dann wasche ich mich im Vorraum mit kaltem Wasser aus einem Eimer ab und ziehe mich dick an. Ich grüße die beiden und der ältere von ihnen kommt zu mir herüber. Sie seien mit ihrer Rentierherde hier. Also die Rentiere würden morgen kommen. Sie fahren voraus und empfangen die Herde morgen hier in der Nähe.
Ich frage, ob sie die Sauna nutzen wollen, bevor ich lüfte. Sie ist ja noch heiß. Er meint, nur wenn ich mitkommen würde. Ich bin ganz froh, dass ich mein Zelt aufgebaut habe und dort gleich meine Ruhe habe. Mir ist nicht ganz wohl dabei, dass der Kerl auch hier übernachtet. Als ich ablehne, scheint das aber okay zu sein. Er scheint harmlos. Als er in die Haupthütte schaut, sage ich ihm, dass ich die Fenster nicht aufbekommen hätte. Da hätte ich auch selber drauf kommen können. Drinnen neben dem Fenster muss man zwei große Schrauben lösen, damit man die Verriegelung von außen herausziehen kann. Und schon kann man die Fensterläden aufklappen. Naja, gut zu wissen.
Ich verziehe mich in mein Zelt und trinke noch einen Tee. Ich bin erstaunt, dass es schon nach 18 Uhr ist. Wo ist die Zeit geblieben? Der Wind hat gedreht und rüttelt an meinem Zelt. Die Hütte schützt mich jetzt leider nicht mehr. Bevor ich heute Nacht keinen Schlaf bekomme, baue ich mein Zelt doch wieder ab und ziehe mit meinem ganzen Kram um in die Hütte. Ich zünde alle Kerzen an, die ich finde, damit ich mehr sehe. Gerade als ich meinen Schlafsack ausbreite und meine Sachen ordne, höre ich draußen Schritte. Innerlich stöhne ich auf – bitte nicht der Kerl von nebenan. Aber wer sollte es sonst sein. Er kommt rein und setzt sich an den Tisch, als ob ich ihn eingeladen hätte. Na gut, die Hütten sind ja für jeden, ich kann ihn schlecht rausschmeißen. Also krame ich einfach weiter in meinen Sachen und erwähne zwischendurch auch, dass ich gleich schon schlafen gehe. Er fragt nach meiner Wanderung und ich zeige ihm auf der Karte, die an der Wand hängt, meine geplante Route. Leider kennt er die Gegend östlich von Skoganvarre aber auch nicht. Ich bin froh, dass er dann bald wirklich wieder geht. Der ist mir trotzdem nicht ganz geheuer. Am liebsten würde ich die Tür von innen abschließen, aber das kann ich ja nicht machen bei einer Schutzhütte. Draußen pfeift der Wind und ich bin schon froh, jetzt drinnen zu schlafen.
Thomas Kuhn
Viel Erfolg für den Endspurt.