Heute geht es mal wieder früher los. Um kurz nach 7 Uhr bin ich bereit. Es ist schon ein kleiner Luxus, wenn man morgens nicht erst noch das Zelt abbauen muss. Es geht schnell und macht mir nichts, aber wenn es mal wegfällt, ist das auch nett. Dick eingepackt mache ich mich auf den Weg. Wieder mit einem frischen Apfel, den ich auf den ersten Metern esse. Das letzte Mal drehe ich nun meinen DNT-Schlüssel im Schloss herum.
Die ersten 6 Kilometer kann ich noch dem Wanderweg folgen. Dann biege ich rechts ab und folge einer Quad-Spur bis nach Skoganvarre. Ich will ja schließlich nicht zum Nordkap, wo der Wanderweg mich hinführen würde. Ich gehe ein Stück durch den Wald und dann wieder durchs offene Fjell.
Rechts von mir kann ich schon die großen Seen sehen, wo ich gleich zwischen hergehe. Ich bin schon gespannt und ein kleines bisschen nervös. Dort fließt ein Fluss, der mich bei meiner Planung lange beschäftigt hat. Er sieht auf den Luftbildern ziemlich breit aus und wie tief er ist, sieht man ja nicht. Gleich werde ich es wissen.
Ich komme zu der Stelle, wo die Quad-Spur den Wanderweg kreuzt und biege ab. Das war es jetzt mit Wanderwegen. Wobei auch die Quad-Spur wieder als Winterroute und für Radfahrer und Wanderer markiert ist. Das werden dann lokale Markierungen sein und keine vom DNT.
Die Quad-Spur ist ziemlich matschig und nass. Und die sumpfige Wiese daneben ist noch nasser.
Es geht ein kleines Stück hoch und ich freue mich über den trockenen Boden. Allerdings nur für ein paar Schritte, dann ist es schon wieder vorbei mit dem komfortablen Gehen. Etwas weiter steht der Weg komplett unter Wasser. Als ich da durch gestapft bin, sehe ich, dass das schon der Fluss ist, der sich über den Weg ausbreitet.
Das ist der Fluss Gaskajohka. Die Verbindung zwischen den beiden Stabbursdalsvannet Seen. Zum Glück reicht mir das Wasser nur bis zur Mitte der Waden und es gibt kaum Strömung. Sogar meine Füße bleiben trocken in meinen wasserdichten Socken. Da mache ich mir Ewigkeiten Gedanken über so eine Stelle und dann bin ich in ein paar Minuten rüber.
Dieser Spur kann ich jetzt heute und morgen bis nach Skoganvarre folgen. Immer geradeaus, Richtung Osten. Südlich am Stabbursdalen Nasjonalpark entlang. Nach der Flussquerung geht es 200 Höhenmeter nach oben. Immer wieder über große, sumpfige Wiesen.
Es ist windig und kalt, aber zum Glück trocken. Ich wundere mich, dass ich hier oben gar keine Rentiere sehe. Den ganzen Tag nicht. Auf der Karte habe ich am südlichen Zipfel des Sees Leavnnjašjávri eine Hütte entdeckt. Vielleicht kann ich da mein Zelt im Windschatten aufbauen. Natürlichen Windschutz werde ich hier wohl nicht finden.
Die Quad-Spur ist wieder wenig spannend und der ganze Sumpf nervig. Aber zumindest habe ich die ganze Zeit einen schönen Blick auf die Berge links von mir. Jedenfalls bis sie von den Wolken abgeschnitten werden. Der Váddásgáisá, den ich gestern schon von weitem gesehen habe, sieht echt gut aus mit seinen hellen Streifen.
Der Weg um den See herum zieht sich ein bisschen. Aber ich bin erstaunt, wie früh es noch ist. Gerade einmal halb 2. Dann habe ich den Nachmittag ja quasi frei und das obwohl ich über 25 Kilometer gegangen bin. Es ist schon schön, so früh loszugehen. Aber ich habe auch wieder keine Pause gemacht. Ich würde zu schnell auskühlen, wenn ich mich nicht bewege.
Am Ende des Sees angekommen, muss ich noch einen Fluss queren, den Leavnnjašjohka. Aber dahinter ist schon die Hütte in Sicht. Und es scheint auch niemand da zu sein. Ich bahne mir einen Weg durch den Matsch zum Wasser. Ich gehe ein bisschen Zickzack, um die tieferen Stellen zu umgehen. Das klappt gut und ich werde nur bis zu den Knien nass. Die Strömung ist auch hier nicht so stark.
Der Wind hat inzwischen noch zugenommen. Auf der Nordseite der kleinen Hütte bin ich ganz gut geschützt. Ich überlege kurz, noch ein bisschen weiterzugehen, rufe aber erstmal das Wetter über mein Satellitengerät ab. Es soll heute Nachmittag Böen mit bis zu 15 Metern pro Sekunde geben. Das entspricht der Windstärke 7, einem steifen Wind mit über 50 Kilometern pro Stunde. Und auch nachts soll es nur ein bisschen weniger werden. Da möchte ich nicht mit meinem Zelt auf freier Fläche stehen. Also bleibe ich. Der Wind soll heute Nacht von Süd auf Südost drehen, aber die Hütte sollte genug Schutz bieten. Ich baue mein Zelt so nah an der Wand der Hütte auf, dass ich es gerade noch gut abspannen kann. So habe ich heute dann schon um halb 3 Feierabend.
Das macht aber gar nichts. Die Zeit geht mit Essen und Schreiben um wie im Flug. Ich höre den rasenden Windböen zu und bin froh um den Schutz der Hütte. Mein Zelt bekommt nur zwischendurch mal ein bisschen was ab. So werde ich gut schlafen können.
Später höre ich laute Motorengeräusche. Im ersten Moment denke ich, dass jetzt die Besitzer der Hütte kommen und hoffe, dass ich bleiben darf. Aber die Geräusche entfernen sich wieder. Ich schaue aus dem Zelt und sehe ein Quad nach dem anderen langsam durch den Fluss fahren. Dann verschwinden sie auf der anderen Seite, wo ich hergekommen bin. Das hört ja gar nicht mehr auf. Ich zähle 11 Fahrzeuge. Eine halbe Stunde später kommen noch mehr, dieses Mal sind es 6 Quads. Bei der nächsten Welle schaue ich gar nicht mehr raus. Das ist ja eine richtige Quad-Autobahn. Ich bin gespannt, wie viele mir dann morgen entgegenkommen. Wobei ich heute tagsüber auch niemandem begegnet bin.