Das war mal eine schlaflose Nacht. Ich vertraue meinem Zelt inzwischen und zucke nicht mehr bei jeder heftigen Böe zusammen. Es hat ja bisher immer stabil im Wind gestanden. Aber trotzdem kann ich nicht schlafen, wenn der Wind so stark ist. Erst morgens lassen die Böen nach und ich nicke ein. So wird das nichts mit früh losgehen. Aber ich habe ja wieder genug Zeit, dadurch dass ich meine Rückfahrt um eine Woche nach hinten verschoben habe. Dann schaffe ich eben nicht so viele Kilometer heute. Ich trinke noch in Ruhe einen Tee, nachdem ich soweit alles gepackt habe. Los geht es dann um kurz vor 11 Uhr erst.
Auf zu meinem letzten weglosen Abenteuer. Die nächsten Tage gibt es weder Wege, noch Markierungen oder Hütten. Ich hoffe nur sehr, dass ich etwas Windschutz zum Schlafen finde. Luftlinie sind es nur 48 Kilometer bis ich wieder auf eine Quad-Spur stoße. Mal sehen, wie viele Kilometer es tatsächlich werden. Ich peile den ersten See an und stelle meinen Kompass ein. Als ich nach einer Weile nochmal auf die Karte schaue, bin ich jedoch viel zu weit rechts gelandet. Und das obwohl ich die ganze Zeit auf den Kompass geschaut habe. Ich weiß ja inzwischen, dass ich meistens einen kleinen Rechtsdrall habe, aber doch nicht so viel. Da stimmt irgendetwas nicht. Bei der nächsten Peilung dasselbe. Ich muss beim Einstellen des Kurses am Kompass fast 20 Grad abziehen, damit es wieder passt. Als ich ein paar Tage später wieder Empfang habe, schaue ich nach der Deklinationskorrektur hier oben und tatsächlich beträgt diese 15 Grad. Bei uns in Deutschland sind es um die 3 Grad, das kann man vernachlässigen. Aber so viel weiter nördlich und östlich macht sich das schon bemerkbar. An meinem Kompass kann ich die Deklination an einer kleinen Schraube auf der Rückseite einstellen und schon passt wieder alles. Bis dahin helfe ich mir einfach damit, immer weniger einzustellen, als den Kurs, den mein Handy mir anzeigt.
Mein erstes Ziel ist aber auch so gut zu erkennen. Ich möchte links an dem Berg, am Oarji, vorbeigehen.
Wenn das Gelände so bleibt, werden die nächsten Tage ja ein Kinderspiel. Es ist flach, trocken und man kann weit gucken.
Die Bäche haben wenig Wasser und meine Füße bleiben trocken. Das wäre echt das perfekte Gelände für Einsteiger, die ein bisschen üben wollen, sich mit Kompass und Karte zu orientieren.
Als ich am Oarji vorbei bin, geht es ein bisschen runter, am See Goadjinjávri vorbei und wieder hoch. Alles mit ganz sanften Gefällen und Steigungen. Und das Beste ist, dass der Boden überall trocken ist und es keinen Sumpf gibt.
Auch wenn die Landschaft an sich recht langweilig und wenig abwechslungsreich ist, fasziniert mich diese Weite immer wieder.
Ich quere noch einen Bach, zwischendurch ist es ein bisschen steiniger, dann geht es wieder über platten Boden mit Flechten. Weiter unten im Tal, wo die vielem Seen zu sehen sind, ist auf der Karte Sumpf eingezeichnet. Aber ich gehe weit genug oben und bekomme davon nichts mit.
Um den Guivverášša herum gehe ich auf fast 700 Meter hoch. Hier oben muss ich einige Geröllfelder queren.
Das sieht gut aus. Die grauen Steine mit den beigen Grasbüscheln dazwischen verteilt.
Es geht durch einen Einschnitt im Gelände, wo nur irgendwie das Wasser fehlt. Laut Karte fließt hier ein Bach. Ich klettere hinab und überlege schon, ob ich hier mein Zelt aufstelle. Es ist wenigstens ein bisschen windgeschützt. Aber ich brauche Wasser, sonst kann ich nicht kochen. Also geht’s doch noch weiter.
Es wird ganz hügelig, ganz anders als bisher. Es ist steinig und immer wieder komme ich an großen Mulden im Gelände vorbei. Da finde ich bestimmt einen Schlafplatz. Die nächste Möglichkeit an Wasser zu kommen ist ein kleiner See. Auch drumherum ist es noch so hügelig. Ich gehe ein bisschen umher, am See entlang und über die Hügel wieder zurück. Das ist doch nicht so einfach, hier einen Platz zu finden, der windgeschützt und steinfrei ist. Ich entscheide mich für ein kleines Fleckchen in einer Mulde, wo mein Zelt so gerade hinpasst.
Der Wind pfeift schon wieder ganz schön, aber der Hang hinter meinem Zelt bietet zumindest ein bisschen Schutz. Die Wettervorhersage kündigt für morgen Abend einen Sturm an. Das macht mir ein bisschen Angst bei diesem flachen Gelände. Wenn das so bleibt, dann ist meine einzige Aufgabe morgen, einen gut geschützen Platz für mein Zelt zu finden. Und wenn es schon nach einer Stunde ist.
Da es inzwischen so früh dunkel ist, schlafe ich noch eher als sonst. Um 18 Uhr kommt es mir schon vor wie Mitternacht. Ich könnte mir echt nicht vorstellen, hier oben zu leben, wenn es im Dezember und Januar gar nicht richtig hell wird.
Margit
Nachdem meine Schüler neulich mit Kompassen ausgestattet über den Schulhof geflitzt sind haben wir anschließend auch über den Unterschied von magnetischem und geographischem Nordpol gesprochen und ich habe ihnen von dir erzählt:-) und dass du die nötige Korrektur natürlich voll im Blick hast. Sie waren schwer beeindruckt von deinem ganzen Unterfangen;-)