Irgendwie wird es morgens im Moment immer so spät, bis ich loskomme. Aber naja, ist ja auch nicht so schlimm. Das wird sich auch wieder ändern. Ich schreibe noch eine ganze Weile und dann ist schon fast Mittag. Jetzt mache ich mich mal daran, den Wanderweg zu suchen. 300 Meter Luftlinie sind es, dann sollte ich ja bald auf die ersten Markierungen stoßen. Eigentlich. Wo sind sie denn? Ich gehe weiter und suche die Umgebung ab. Weit und breit sind keine Steinmännchen oder andere Markierungen zu sehen. Na toll! Heute hatte ich mich tatsächlich wieder darauf gefreut, einfach den Markierungen folgen zu können. Das wird wohl nichts.

Es steht ein Anstieg an, ich muss über den kleinen Pass östlich vom Baurifjellet. Da ich bei dem super Wetter im Moment immer genug Strom habe über mein Solarpanel, nutze ich mein Handy zum Navigieren. Eingezeichnet ist der Wanderweg NAR19, auch wenn man ihn nicht sieht. Aber so kann ich mich ja trotzdem daran halten. Auch wenn es etwas nervig ist, immer wieder aufs Handy schauen zu müssen. Aber es ist doch ganz gut, da ich nicht mit diesem Schwierigkeitsgrad gerechnet habe.

Es geht nicht einfach nur hoch, sondern ich stehe immer wieder vor Schluchten mit teilweise ziemlich steilen Felsen. Es kommen einige Bäche von rechts den Berg hinab, wovon die meisten durch eine Felsschlucht fließen. Also muss ich immer wieder ein paar Meter runter und auf der anderen Seite die Wand wieder hinauf. Bei der ersten Schlucht stehe ich eine Weile davor und frage mich, wie ich da hochkommen soll auf der anderen Seite. Ich schaue immer wieder aufs Handy. Der Wanderweg, den es wohl mal irgendwann gab, muss ja an einer Stelle vorbeiführen, wo es einen Aufstieg gibt. Nicht ganz. Aber ein paar Meter weiter finde ich ein paar hohe Stufen zum Hochklettern.

Oben gibt es direkt die erste Verschnaufpause. Aber der Blick zurück ist super. Ich kann bis zum Sørfjorden gucken.

Dann geht das Ganzkörper-Workout weiter. Durch eine Schlucht nach der nächsten. Und wenn die Felsen mir nur bis zur Brust gehen manchmal. Wenn sie zu steil sind und eventuell noch nass und glatt, habe ich keine Chance.

Ich muss an 3 Stellen meinen Rucksack abnehmen, weil ich mich mit dem zusätzlichen Gewicht, was mich immer nach hinten zieht, nicht traue, mich nach oben zu ziehen. Allerdings ist es auch gar nicht so einfach, den Rucksack zuerst hochzuheben. Auf dem Rücken stört mich das Gewicht nicht, aber den Rucksack über den Kopf und die Felskante hieven? Da brauche ich mehrere Anläufe, bis ich es schaffe. Dabei stehe ich ja selber nur auf einer schmalen Stufe. Aber es funktioniert und sobald der Rucksack sicher liegt, klettere ich hinterher. So kann ich meinen Schwerpunkt viel besser vorne und nah am Fels halten und es ist sehr viel einfacher.

Rechts über mir hängen große Schneefelder und zurück habe ich immer noch einen schönen Blick auf den Fjord. Nach jeder Schlucht gibt es eine kleine Trinkpause.

Ein paar Mal muss ich erst nach einer geeigneten Stelle suchen, probiere es aus und suche weiter. Manchmal hilft es, erst die Knie auf die nächste Stufe zu bekommen und hinterher aufzustehen. Aber es ist so oder so ziemlich anstrengend. Damit habe ich heute gar nicht gerechnet.

Und nochmal der tolle Blick zurück. Endlich habe ich es die knapp 150 Höhenmeter nach oben geschafft.

Hier oben habe ich noch ein bisschen Empfang und schaue bei ut.no, ob es eine Beschreibung zu dem Weg gibt. Die gibt es nicht, aber ich finde einen Hinweis bei den Möglichkeiten zur Paurohytta zu kommen. Dort steht tatsächlich, dass der Weg nicht mehr markiert ist und man nur ab dem Skogvatnet eventuell noch ein paar alte Steinmännchen finde. Dann sollte der Weg aber vielleicht auf den Karten auch nicht mehr als markiert eingezeichnet werden. Da schreibe ich mal eine E-Mail an den DNT. Dann kann man sich wenigstens darauf einstellen. Mich hat es etwas genervt, da ich mit einem markierten Weg gerechnet habe und stattdessen fast 2 Stunden für die ersten 3 Kilometer gebraucht habe. Hoffentlich wird es jetzt einfacher.

Es geht nun hinab bis zum See Skogvatnet. Immer mehr über große, glatt geschliffene Felsplatten. Weiter an ein paar hohen Kanten vorbei, aber hier gibt es immer einen Weg drumherum.

Es hilft aber auch ein bisschen, mich mehr oder weniger an die Route zu halten, wo der Weg wohl mal herführte. Einige Male finde ich so ziemlich schnell einen möglichen Weg zwischen höheren Felsen hindurch oder in die kleine Schlucht hinab und wieder hinaus.

Nördlich vom See wird es wieder ein bisschen grüner und die Erde ist mit Moos überzogen. Hier mache ich eine Pause. Sitze eine Weile da und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Ich glaube, wenn ich an der Hütte ankomme, habe ich schon genug für heute. Auch wenn es dann ein kurzer Tag war.

Es geht jetzt über seichtere Felsbuckel. Wie unterschiedlich felsige Landschaften doch sein können. Kantig und zackig oder flach und glatt oder buckelig. Die Felsen hier erinnern mich von der Form an große Wellen.

Wenn ich zurückschaue, habe ich einen immer besseren Blick auf die Ausläufer des Gletschers, um den ich gestern und heute herumgelaufen bin.

Um den See herum und rüber zum nächsten See geht es immer wieder ein bisschen hoch und runter, jetzt überwiegend über Gras. Es ist sehr viel einfacher als der erste Teil. Steinmännchen entdecke ich aber auch hier keine.

Auf dem Weg zum großen See Båvrojávrre sind noch 2 Flüsse auf der Karte eingezeichnet. Der erste ist ziemlich breit, es sind bestimmt 40 Meter. Dafür ist er flach und hat keine starke Strömung. Der zweite Fluss ist ein Witz und hat den Namen gar nicht verdient. Da gibt es auf dem Weg Bäche, die breiter sind und mehr Wasser haben. Hier bleiben die Füße jedenfalls trocken.

Ich gehe etwas oberhalb des Sees am Hang entlang. Mit Gletscher-Blick und schönen Wasser-Spiegelungen.

Jetzt ist es nicht mehr weit, bis ich auf den markierten Weg zur Hütte komme. Dann kann ich endlich den Steinmännchen folgen. Rechts zwischen den beiden schmalen Landzungen sieht man schon die große Hängebrücke und links vom See 3 kleine Hütten. Ich habe gelesen, dass die Brücke erst 2019 gebaut wurde und es vorher 2 Ruderboote gab, um überzusetzen. Da gab es aber wohl immer wieder Probleme, wenn die vorherigen Wanderer beide Boote an derselben Seite zurückgelassen haben. Blöd, wenn man dann auf der Seite ohne Boot steht.

Ich freue mich, als ich endlich auf dem Wanderweg stehe und kurz darauf an der Paurohytta ankomme. Der „Weg“, den ich gegangen bin, ist sogar ausgeschildert mit Sørfjorden. Am liebsten würde ich das rote Männchen schwarz übermalen, damit es zumindest als schwere Tour gekennzeichnet ist.

Die Hütte hat eine echt schöne Lage, mit tollem See- und Gletscherblick. Ich bin auch nicht die einzige hier. Vor der Nebenhütte sitzt ein älteres deutsches Ehepaar und hinter der Haupthütte hat es sich ein junges norwegisches Pärchen in der Sonne gemütlich gemacht.

Nachdem ich mir heute morgen gewünscht habe, endlich mal wieder auf andere Leute zu treffen, quatsche ich mit allen eine ganze Weile. Allerdings überlege ich, doch noch ein Stück weiterzugehen. Es ist so schönes Wetter und ein paar Kilometer weiter finde ich bestimmt direkt am See einen schönen Zeltplatz. Dann kann ich mir außerdem schonmal ein besseres Bild vom Anstieg für morgen machen. Es steht nämlich eine kurze Grenzumgehung querfeldein an, damit ich auf norwegischer Seite bleiben kann.

Ich nehme eine der Gaskartuschen mit, die Leute hiergelassen haben, damit ich später warm essen kann. Die beiden Norweger sind aus der Richtung gekommen, wo ich hinwill und stimmen zu, dass es dort schöne Stellen zum Zelten gibt. Sie fragen mich zu meiner Wanderung aus, vielleicht machen sie sich ja auch irgendwann auf, das ganze Land zu durchqueren. Die Idee gefällt ihnen.

Dann ziehe ich meine Schuhe wieder an und mache mich auf den Weg. Nur noch ein paar Kilometer, dann habe ich die morgen früh schonmal gespart. Weiter am See entlang, jetzt den Steinmännchen und roten Markierungen folgend. Wie schön!

Nach knapp 2 Kilometer finde ich dann auch einen schönen Platz für mein Zelt. Da hier Knots unterwegs sind, verkrieche ich mich schnell nach drinnen. Aber ich sitze lange da und schaue auf den See hinaus und betrachte die Berge gegenüber und den Gletscher. Es ist so schön hier! Und auch der Anstieg morgen früh sieht gut machbar aus.


16,8 km
4:40 h
574 hm
648 hm
884 m